12 (Un-)Wahrheiten zum Thema Impfen |
Wahrheit oder Mythos? Nützlich oder schädlich? Nötig oder überflüssig? Beim Thema Impfen scheiden sich die Geister. / Foto: Adobe Stock/1STunningART
Falsch: »Es gibt keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Impfstoffen und Autismus«, betont Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), dem deutschen Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Das gelte auch für Allergien.
»Das Gerücht, insbesondere die Masernimpfung könne Autismus verursachen, geht auf eine Untersuchung an nur zwölf Kindern zurück.« Die Studie sei jedoch methodisch so fehlerhaft gewesen, dass das Fachmagazin »The Lancet« die Veröffentlichung aus dem Jahr 1998 im Jahr 2011 zurückgezogen hat. Der Autor hat seine Zulassung als Arzt verloren – unter anderem, weil ihm Interessenskonflikte nachgewiesen worden seien.
Als ein Beleg für einen fehlenden Zusammenhang bei Allergien gilt beispielsweise, dass es in der DDR trotz Impfpflicht kaum Allergien gab. Es gebe sogar Hinweise darauf, dass Impfungen das Risiko für die Allergie-Entwicklung verringern können.
Auch beim Plötzlichen Kindstod (SIDS) wurde kein Zusammenhang mit Impfungen nachgewiesen. Vielmehr gingen diese Todesfälle in Deutschland trotz neuer Kombinationsimpfungen zurück. So starben nach der Gesundheitsstatistik des Bundes 1991 etwa 1,5 Säuglinge pro 1000 Kinder am Plötzlichen Kindstod. Seit Einführung der Kombi-Impfstoffe 2002 sank die Zahl der Fälle bis zu den jüngsten Zahlen für 2013 auf 0,2 SIDS-Todesfälle pro 1000 Kinder. »SIDS tritt in der frühen Kindheit auf und in derselben Zeit ihres Lebens werden Kinder geimpft«, sagt Cichutek. Daher könne es rein zufällig zu Fällen von SIDS in zeitlichem Zusammenhang mit einer Impfung kommen.
Falsch: Auch diese Annahme trifft nicht zu. Masern sind keinesfalls harmlos. Ein Drittel bis zur Hälfte der Fälle, die bisher an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet wurden, mussten im Krankenhaus behandelt werden. Denn Masernviren unterdrücken die Immunabwehr, sodass andere Krankheitserreger zum Zug kommen und zum Beispiel eine Lungenentzündung verursachen können.
Pro Jahr werden in Deutschland laut Gesundheitsberichterstattung durchschnittlich 4 bis 7 Todesfälle registriert, die auf eine Maserninfektion zurückzuführen sind. Vor Einführung der Impfung wurden in Deutschland um die 100 Todesfälle pro Jahr registriert.
Falsch: Die jüngste Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die regelmäßig die Einstellung zum Impfen untersucht, zeigt für das Jahr 2016, dass der Anteil der Impfbefürworter gestiegen ist – von 69 Prozent (2014) auf 77 Prozent. Der Anteil der Befragten mit Vorbehalten ist dagegen gesunken, von 25 Prozent (2014) auf 18 Prozent. Auch der Anteil der Befragten mit einer ablehnenden oder eher ablehnenden Haltung ist zumindest leicht gesunken: von 6 Prozent (2014) auf 5 Prozent.
Falsch – bis auf extrem seltene Ausnahmen. »Die meisten Impfstoffe heute sind Impfstoffe, in denen nur noch Teile des Erregers vorkommen«, erläutert PEI-Präsident Klaus Cichutek. In diesen Mitteln seien also keine vermehrungsfähigen Erreger, die Krankheiten auslösen könnten. Im Unterschied dazu gebe es Lebendimpfstoffe, die abgeschwächte Varianten eines Erregers enthielten. Beispiele dafür sind Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Gelbfieber. »Diese Erreger können sich begrenzt vermehren«, sagt Cichutek. »Aber sie können die entsprechende Infektionskrankheit nicht mehr auslösen.«
Es gibt aber Ausnahmen: Im Ausland könne es auf drei bis vier Millionen mit Polio-Lebendimpfstoff – der in Deutschland nicht mehr gegeben wird – immunisierte Menschen im Schnitt bei einem Menschen zu Rückmutationen kommen, sagt Cichutek. Das heißt, dass dieser Mensch wirklich durch die Impfung Polio bekommt. Dieses sehr seltene Risiko werde aber toleriert, um Polio weltweit ausrotten zu können – und damit noch mehr Menschen vor dem Tod oder lebenslangen Behinderungen zu bewahren.
Bei den Masern gibt es zudem eine Besonderheit. So bekämen etwa 5 bis 15 Prozent der Geimpften besonders nach der ersten Masern-Immunisierung sogenannte »Impfmasern« mit mäßigem Fieber, flüchtigem Ausschlag und Symptomen im Bereich der Atemwege. Meist passiere das in der zweiten Woche nach der Impfung. Impfmasern seien aber nicht ansteckend und verursachten nur milde Symptome, die von selbst abklingen.
Richtig: Der Gemeinschaftsschutz, die sogenannte Herdenimmunität, ist nach Angaben auf den Internetseiten des RKI ein wichtiger Vorteil beim Impfen. Ein Mensch schützt mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern indirekt auch die anderen. Wenn ausreichend viele Menschen geimpft seien, könne sich ein Erreger nicht mehr in der Bevölkerung verbreiten. Erst dann seien auch Säuglinge oder Schwangere geschützt, die zum Beispiel nicht gegen Masern geimpft werden können.
Richtig: Diese Aussage ist zumindest für einige Impfungen zutreffend. Vor der Geburt werden schützende Antikörper von der Mutter auf das Kind übertragen. Neugeborene haben damit laut RKI gegen diese Erreger einen gewissen Schutz. Stillen unterstützt diesen Nestschutz. Es gibt aber Unterschiede. Bei Krankheiten wie Masern stimuliert die Impfung das Immunsystem der Mutter weniger stark als eine frühere natürliche Infektion. Bei anderen Erkrankungen wie Tetanus oder Diphtherie besteht laut RKI nur bei Neugeborenen geimpfter Mütter ein Nestschutz, nicht bei Babys von Müttern, die eine Infektion durchgemacht haben. Bei einigen Infektionskrankheiten gibt es keinen Nestschutz, zum Beispiel bei Keuchhusten.
Impfen trainiert das Immunsystem von kleinen Kindern auf ungefährliche Art. / Foto: Adobe Stock/ New Africa
Falsch: »Das Immunsystem von kleinen Kindern ist dafür ausgerüstet, sich mit Krankheitserregern auseinanderzusetzen«, so Cichutek. Das Immunsystem des Menschen entwickele sich durch Training. »Dieses Training sollte so früh wie möglich beginnen, und zwar mit einem ungefährlichen Trainingspartner«, ergänzt er. Impfstoffe zählten dazu. Echte Krankheitserreger seien ohne ein trainiertes Immunsystem sehr gefährlich, zum Teil lebensgefährlich. »Sie können in jedem Alter zuschlagen.«
Falsch: Polio gilt in Deutschland nach der großen Schluckimpfungskampagne ab 1962 heute als ausgerottet. Die letzte in Deutschland erworbene Poliomyelitis wurde nach den Daten des RKI 1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle (aus Ägypten und Indien) wurden 1992 registriert. Trotz des weltweit starken Rückgangs der Poliomyelitis kann aber eine Einschleppung von Polioviren nach Deutschland nicht vollständig ausgeschlossen werden. Die Impfung ist laut RKI solange notwendig, bis nirgendwo auf der Welt mehr Polioviren zirkulierten.
Heute wird in Deutschland keine Schluckimpfung mit Lebendimpfstoff mehr gegeben, sondern inaktiver Impfstoff gespritzt. Damit gibt es kein Risiko einer Erkrankung durch diesen Impfstoff. In Ländern mit hohem Polio-Risiko setzt die Weltgesundheitsorganisation WHO jedoch nach wie vor auf die Schluckimpfung. Sie habe den Vorteil, durch das Ausscheiden abgeschwächter Impfviren die Umgebung mit zu immunisieren, sagt Cichutek.
Richtig: Impfungen können nach den Erkenntnissen des RKI nicht nur vor der Erkrankung selbst, sondern auch vor Komplikationen und Folgeerscheinungen schützen. Bei Masern werden beispielsweise Hirnhautentzündungen vermieden, die durch Masernviren ausgelöst werden. Ebenso Lungenentzündungen, die entstehen können, wenn Masernviren das Immunsystem für eine gewisse Zeit schwächen.
Die Impfung gegen Influenza verringert das Risiko einer bakteriellen Lungenentzündung oder auch von Herzinfarkt und Schlaganfall, die als Komplikation nach einer Influenzainfektion auftreten können. Die im Kindesalter gegebene Impfung gegen Windpocken schützt indirekt auch vor Gürtelrose. Ohne Impfung bleiben Windpocken-Viren nach einer Infektion im Körper und könnten nach Jahrzehnten die sehr schmerzhafte Gürtelrose verursachen.
Falsch: Bevor ein Impfstoff zugelassen wird, müssen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach Angaben des PEI in klinischen Prüfungen nachgewiesen werden. Auch nach der Zulassung müssen Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen und Impfkomplikationen an das PEI gemeldet werden. Für die Meldung von Verdachtsfällen gibt es seit 2001 auch für Angehörige der Heilberufe eine Verpflichtung nach Infektionsschutzgesetz, wie sie für Pharmaunternehmen nach Arzneimittelgesetz schon immer besteht.
Seit 2012 können auch Betroffene selbst den Verdacht auf Komplikationen melden. Alle Meldungen werden an die Europäische Arzneimittelagentur EMA weitergeleitet. Ein Beispiel für Konsequenzen aus diesem vielschichtigen Überwachungs- und Alarmsystem ist eine Impfung gegen eine bestimmte Form der Hirnhautentzündung (FSME), die durch Zeckenstiche übertragen werden kann. Nach Meldungen über sehr hohes Fieber als Impfreaktion wurde dieser Impfstoff 2001 vom Markt genommen. Der Impfstoff wurde danach modifiziert und neu zugelassen.
Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Impfstoff-Herstellung gilt in der Branche als weit weniger lukrativ als die Entwicklung manch anderer Medikamente. Nach Angaben des PEI gibt es weltweit nur noch wenige Firmen, die Impfstoffe überhaupt produzieren. Die Herstellung sei extrem aufwendig, dauere je nach Impfstoff zwischen einigen Monaten bis zu zwei Jahren und erfordere Spezialisten. Zusätzlich zu Qualitätsprüfungen und Kontrollen beim Herstellungsprozess gebe es bei Impfstoffen eine staatliche Chargenprüfung. Erfülle eine Charge nicht alle geforderten Kriterien, müsse sie verworfen werden. Das könne sehr große Mengen betreffen – und einen entsprechenden Verlust für die Pharmafirma.
Die STIKO empfiehlt eine HPV-Imfpung auch für Jungen – möglichst vor dem ersten sexuellen Kontakt. / Foto: Shutterstock/Africa Studio
Falsch: Seit Sommer 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am RKI diese Impfung auch für Jungen zwischen 9 und 17 Jahren – idealerweise vor dem ersten sexuellen Kontakt. Sie ist eine »echte« Krebsprävention auch für Männer und erhöht gleichzeitig den Gemeinschaftsschutz.
Die sogenannten Hochrisiko-Typen HPV 16 und HPV 18 können sich aber dauerhaft in der Schleimhaut ansiedeln, die Teilung der Zellen stören und so über Krebsvorstufen zu bösartigen Tumoren im Gebärmutterhals, im Anogenitalbereich, in der Mundhöhle und im Rachen führen.
Seit 2016 schützt ein neunvalenter Impfstoff vor HPV 6, 11, 16 und 18 zusätzlich noch HPV 31, 33, 45, 52 und 58 – fünf weitere krebsauslösende Virustypen, die sowohl für Frauen als auch Männer gefährlich werden können. Der Impfstoff schützt auch vor Genitalwarzen (Condylomata acuminata), die zu 90 Prozent von den HPV-Typen 6 und 11 verursacht werden.