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Verbote bringen wenig

Abnehmen bei Diabetes

Viele Zuckerkranke tragen zu viele Kilos mit sich herum und profitieren von einer Gewichtsabnahme. Bei Typ-1-Diabetes müssen Reduktionskost und Insulindosis zusammenpassen. Bei Typ-2-Diabetikern ohne Insulin stört die Therapie das Abnehmen weniger.
Nicole Schuster
22.10.2019  12:00 Uhr

Zu viel vom Falschen essen, zu wenig Bewegung: Die Folge können eine fortschreitende Insulinresistenz und Typ-2-Diabetes sein. Oft nicht bedacht wird, dass Menschen mit Typ-1-Diabetes zusätzlich auch diesen »Lifestyle«-Diabetes entwickeln können, wenn sie Risikofaktoren wie Übergewicht und Bewegungsmangel entstehen lassen. Dr. Dipl. oec. troph. Astrid Tombek, Diabetesberaterin DDG und Bereichsleiterin Diabetes- und Ernährungsberatung an der Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim, bestätigt gegenüber dem PTA-Forum: »Gut eingestellte Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetiker haben die gleichen Gewichtsprobleme wie Gesunde auch, da bei ihnen kaum noch Zuckerverluste über den Urin erfolgen. Sie können daher mit entsprechender Genetik und entsprechendem Lebensstil ein metabolisches Syndrom mit Insulinresistenz bekommen.«

Darum ist es gerade für diese Patientengruppe wichtig, auf ein normales Körpergewicht zu achten. Allerdings kann es für insulinpflichtige Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetiker etwas schwieriger sein, Gewicht abzubauen. Das liegt vor allem am zugeführten Insulin, das gewichtssteigernd wirkt. Betroffene dürfen die Therapie während einer Diät jedoch keinesfalls absetzen, sondern müssen die Insulindosis stets an die aktuelle Ernährung anpassen.

Nichts für kranke Nieren

Formula-Diäten, bei denen Abnehmwillige eine oder mehrere Mahlzeiten durch Fertigdrinks oder Pulver zum Anrühren ersetzen, enthalten eine definierte Menge an Nährstoffen. Der Vorteil bei Diabetes-Typ-1: Die zu spritzende Menge an Insulin lässt sich leicht und genau berechnen. Auch der hohe Proteingehalt der Produkte kann vorteilhaft sein, da Eiweiß sättigt und den Muskelaufbau fördert. Eine hohe Eiweißzufuhr gilt allerdings als belastend für die Nieren. Liegen bereits Schäden an den Nieren vor, sollten Betroffene Rücksprache mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt halten, bevor sie eine Diät mit den Produkten starten.

In Intervallen essen

Ein Trend unter den Diäten ist derzeit das Intervallfasten: Für die Dauer bestimmter Zeitfenster wird auf die Nahrungsaufnahme verzichtet. Sehr populär ist das 16:8-Fasten, das heißt, der Verzicht auf Essen in 16 zusammenhängenden Stunden pro Tag und eine maßvolle Nahrungsaufnahme in den verbliebenen acht Stunden. Verschärfungen sehen vor, dass täglich für 18 bis 20 Stunden gefastet wird. Daneben gibt es das Modell des alternierenden Fastens, einen Tag essen, einen Tag fasten im Wechsel. Bei der 5:2-Version essen Menschen an zwei Tagen in der Woche nur etwa ein Viertel der benötigten Kalorienmenge, also nicht mehr als 500 bis 600 Kilokalorien täglich, und an den anderen Tagen normal.

Laut Studien soll sich das Intervallfasten auf verschiedene Stoffwechselparameter, darunter auch den Blutzuckerwert, günstig auswirken. Allerdings greift die Diät erheblich in das Ernährungsmuster ein. Für Typ-1-Diabetikerinnen und -Diabetiker kann das problematisch sein, da das Risiko für Hypoglykämien ansteigt. »Intervallfasten setzt bei Typ-1-Diabetes eine gute Basal-Einstellung voraus. Zudem muss der Faktor an Kohlenhydrateinheiten (KE-Faktor) für den Abend angepasst werden«, erklärt Tombek. Wer es versuchen will, sollte sich dabei von einem Diabetologen begleiten lassen.

Kohlenhydrate nicht ganz streichen

Zu den Diätvarianten gehören auch Low Carb und Low Fat. Low Carb bedeutet, dass die Zufuhr von Kohlenhydraten (englisch carbs) limitiert ist, was wiederum den Verbrauch von Insulin sowie den Blutzuckerwert senkt. Das klingt zunächst vorteilhaft. Studien zeigen aber, dass sich der HbA1c-Wert nur vorübergehend verbessert. Zudem steigt die Gefahr für Hypoglykämien. Ebenfalls von Nachteil, vor allem bei bereits bestehenden Nierenschäden: Bei verringerter Kohlenhydratzufuhr erhöht sich in der Regel der Eiweißanteil in der Nahrung. Eine gänzlich kohlenhydratfreie Ernährung eignet sich nicht. Auch bei der Frage, wie gesund überhaupt eine wesentlich verminderte Kohlenhydrataufnahme ist, streiten Experten.

Low Fat ist nicht zwangsläufig der bessere Weg. Zwar nehmen die meisten Menschen in Deutschland zu viel Fett zu sich, doch oft liegt das Problem (auch) darin, dass sie die falschen Fette essen. Grundsätzlich gilt, dass sowohl die richtigen Kohlenhydrate als auch geeignete Fette in Maßen wichtig für den Körper sind.

Ungeeignet bei Typ-1-Diabetes sind Fastenkuren von längerer Dauer. Wer für einen Zeitraum von zum Beispiel einer Woche seine Nahrungsaufnahme extrem einschränkt, senkt dadurch auch stark den Insulinbedarf. Das Risiko für Hypoglykämien steigt. Aus diesem Grund ist auch die 5:2-Version des Intervallfastens nicht optimal für diese Patientengruppe.

Mehrwert mediterraner Kost

Als günstige Ernährungsvariante gilt nicht nur für Typ-1-Diabetiker eine kalorienreduzierte Mischkost, umgesetzt beispielsweise als mediterrane Kost. Sie basiert auf einem hohen Konsum an Gemüse, während der Fleischanteil reduziert ist. Eiweißquellen sind vornehmlich pflanzlicher Art, die aufgenommenen Fette bestehen wie Olivenöl oder andere pflanzliche Öle überwiegend aus den gesunden ungesättigten Fettsäuren.

Sehr bewusst müssen Patienten allerdings vorgehen, wenn sie ergänzend durch mehr Bewegung abnehmen wollen. »Beim Typ-1-Diabetes fällt bei Sport oftmals der Blutzucker stark ab, und die Betroffenen müssen dann dagegen ›anessen‹«, erklärt Tombek. »Typ-1-Diabetiker, die mehr Sport machen möchten, sollten die Bewegungseinheiten so planen, dass sie die Insulingabe darauf abgestimmt reduzieren können.«

Zu viel vom Falschen

Überernährung kombiniert mit Bewegungsmangel liegt häufig Typ-2-Diabetes zugrunde. Das Ziel des Abnehmens sollte darin liegen, vor allem das stoffwechselaktive Fett im Bauchbereich zu reduzieren. Es produziert Hormone und Botenstoffe, die die Insulinempfindlichkeit der Zellen herunterfahren, eine zunehmende Insulinresistenz induzieren und Entzündungsprozesse fördern.

»Die grundsätzliche Empfehlung zum Abnehmen bei Typ-2-Diabetes ist simpel«, so die Expertin: »Weniger Energie aufnehmen und mehr verbrauchen.«

Von einer Radikalkur mit einem schnellen Gewichtsverlust ist jedoch abzuraten. Darauf folgt häufig der befürchtete Jo-Jo-Effekt, und das Gewicht steigt mitunter nach der Diät höher an als es vorher war. Für eine nachhaltige Abnahme sollten Betroffene ihre Ernährungsweise dauerhaft umstellen und in den Alltag mehr körperliche Aktivität einbauen. Geeignet ist eine Zucker- und Fett-reduzierte Kost mit einem hohen Anteil an Gemüse. Der völlige Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel kann allerdings Heißhunger und unkontrollierte Essattacken auslösen. Sehr kalorienreiche Produkte sollten daher als Genussmittel in kleinen Mengen hin und wieder ihren Platz auf dem Speiseplan haben.

Um eine reduzierte Nahrungsaufnahme im Alltag umzusetzen, kann gerade für Typ-2-Diabetiker das intermittierende Fasten eine Lösung sein. »Intervallfasten eignet sich für alle, die eine Insulinresistenz haben und im ›Insulin schwimmen‹«, erklärt Tombek. Die Diätform muss allerdings zu den Betroffenen und ihrem Lebensstil passen.

Ausgewogen mit Genuss

Bei jeder Form der Reduktionskost kann das Apothekenteam zusammen mit den Patienten prüfen, wo sich Kalorien reduzieren lassen: Macht statt einem Brötchen mit Nuss-Nougat-Creme zum Frühstück auch ein Hafermüsli satt? Muss es ein Schokoriegel als Zwischenmahlzeit sein, oder tut es auch ein Naturjoghurt mit frischen Früchten? Lassen sich zuckerhaltige Softdrinks durch ungesüßten Tee oder Wasser ersetzen?

Spezielle Diabetiker-Lebensmittel brauchen Menschen mit Diabetes übrigens nicht. Weitere Tipps für die Beratung: langsam essen, das Sättigungsgefühl stellt sich oft erst nach einer halben Stunde ein; nur dann essen, wenn auch wirklich ein Hungerfühl besteht, und nicht, weil der Kollege einen Kuchen mitgebracht hat oder die Dame am Imbiss ihre Curry-Wurst anpreist; beim Essen auch nicht durch Medienkonsum ablenken lassen oder eilig im Gehen essen. Sinnvoll ist es, bei Hunger zu prüfen, ob sich dieser wieder legt, wenn nur etwas Wasser getrunken wird. Viele Menschen verwechseln Durst mit Hunger.

Besser mit dem Arzt

Betroffene, die diesen Ratschlägen folgen, können ihre Krankheit oft erheblich besser kontrollieren. Wichtig für beide Gruppen von Diabetikern ist es, den Wunsch abzunehmen mit den behandelnden Medizinern zu besprechen. Bessert sich nämlich während einer erfolgreichen Diät der Blutzuckerwert, sinkt oft der Bedarf an medikamentöser Unterstützung. Auch eine Anfrage bei der Krankenkasse kann nicht schaden: Viele Kassen bezuschussen die Kosten für eine Ernährungsberatung.

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