Abschied von der Dauersitzung |
Isabel Weinert |
30.06.2022 09:00 Uhr |
Erst der Kaffee, dann der Dauerlauf – Sportler schwören für eine geregelte Verdauung auf diese Kombi. Leitlinienbasiert ist sie allerdings nicht. / Foto: Adobe Stock/vectorfusionart
Leiden Patienten erstmals über einen längeren Zeitraum an Verstopfung, sollten sie sich zunächst bei einem Gastroenterologen vorstellen, der das Stuhlverhalten analysiert, schaut, welche Medikamente der Patient einnimmt und unter welchen Erkrankungen er womöglich noch leidet. Zudem untersuchen Mediziner genau den Anus und erfragen, ob Vorsorgeuntersuchungen wie eine Darmspiegelung wahrgenommen wurden. Um genauere Kenntnis über die Obstipation zu bekommen, lohnt es, das Stuhlverhalten genau zu dokumentieren, am besten in einem Stuhltagebuch. In verschiedenen Ausführungen bieten etwa spezialisierte Ärzte und Kliniken sowie Hersteller von Laxantien Stuhltagebücher an. Hier lässt sich auch dokumentieren, wie gut eine Therapie greift. Von einer chronischen Obstipation sprechen die Autoren der Leitlinie, wenn über einen Zeitraum von drei Monaten mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind.
Hartnäckig halten sich Ratschläge gegen Verstopfung wie mehr zu trinken, sich mehr zu bewegen und mehr Ballaststoffe zu essen. Die Leitlinien-Experten sind sich einig, dass ein kausaler Zusammenhang dieser Maßnahmen mit einer besseren Verdauung bei Menschen mit chronischer Obstipation nicht belegt sind. Menschen ohne Verstopfung haben bei den drei Kriterien ebenfalls Defizite, aber keine Probleme. Menschen mit Verstopfung können alle drei Kriterien beherzigen, ohne dass sich die Obstipation bessert. Dennoch sollten Betroffene eine Ballaststoffaufnahme von 30 Gramm pro Tag anstreben. Damit verbunden ist immer auch eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Mehr als 1,5 bis 2 Liter pro Tag sollte sie allerdings nicht betragen. Besonders Menschen mit einer ärztlich verordneten Flüssigkeitsrestriktion wegen einer Herz-Kreislauf- oder Niereninsuffizienz müssen sich an vorgegebene Trinkmengen halten. Ballaststoffe können in konzentrierter Form aus Pflanzeninhaltsstoffen zugeführt werden. Am besten ist die Datenlage zu Flohsamen, aber auch ein Versuch mit Weizenkleie, Inulin und Pektin ist möglich.
Um der Ursache für die chronische Obstipation auf die Spur zu kommen, setzen Patienten mitunter auf eine Stuhlanalyse auf Bakterien und Pilze. Die Experten der Leitlinie sehen hier klar keinen Nutzen und raten von solchen Untersuchungen ab.
Nicht selten verursachen Nebenwirkungen von Medikamenten eine Verstopfung. Zu den Arzneimitteln, die sich derart auswirken können gehören:
Für Patienten, bei denen der Arzt bestätigen konnte, dass kein anderer pathologischer Prozess zugrunde liegt, kein Medikament oder eine Grunderkrankung die Obstipation bedingt, kommen verschiedene abführend wirksame Medikamente in Frage. Mittel der Wahl sind Macrogol, Bisacodyl und Natriumpicosulfat. Sie helfen rasch bei akuter Verstopfung, eignen sich aber auch für die Daueranwendung. Zu diesem Zweck soll der Patient mit dem Arzt einen sinnvollen Einnahmerhythmus absprechen. Die genannten Wirkstoffe eignen sich auch in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern nach den im Beipackzettel genannten Altersgrenzen. Reicht eines der Medikamente nicht aus, um den Stuhlgang zu normalisieren, können zum Beispiel Bisacodyl und Macrogol kombiniert werden.
Auch Anthrachinone können zur Behandlung der chronischen Obstpation erwogen werden. Sie scheinen sicher zu sein, so die Autoren der Leitlinie, wenngleich langfristige systematische Beobachtungen fehlen.
Klassiker in der Therapie, wenn auch nicht erste Wahl, ist Lactulose, die sicher in der Schwangerschaft eingesetzt werden kann. Nachteilig ist die Gasbildung, die unter der Einnahme von Lactulose bei vielen Patienten auftritt.
Nicht als Laxans bei chronischer Verstopfung eignen sich salinische Abführmittel wie Magnesiumhydroxid. Der Grund in den potenziell unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Auch Paraffinöl stellt keine Therapieoption dar.