Allergien taugen nicht als Impf-Ausrede |
Elke Wolf |
12.01.2022 10:58 Uhr |
Ein Mann, der polarisiert: Bei dem Einreise-Wirrwarr nach Australien zu den Australien Open gerät zunehmend aus dem Blickfeld, warum Novak Djokovic bislang nicht gegen Covid-19 geimpft ist. Als Grund werden seine »Immunerkrankungen« wie seine Gluten-Unverträglichkeit angeführt. / Foto: Getty Images/Julian Finney / Staff
»Eine absolute Kontraindikation für SARS-CoV-2-Impfungen gibt es für die allerwenigsten Allergiker«, sagte Professor Dr. Ludger Klimek, AeDA-Präsident und Leiter des Allergiezentrums in Wiesbaden, auf Nachfrage von PTA-Forum. Eine Gluten-Unverträglichkeit gehöre jedenfalls nicht dazu. Diese hat Djokovic als »Immunerkrankung« als Grund angeführt, nicht gegen Covid-19 geimpft zu sein.
Ursache einer Gluten-Unverträglichkeit können verschiedene Krankheiten sein. Klimek nennt die Autoimmunkrankheit Zöliakie, die Weizenallergie, die durch IgE-Antikörper vermittelt wird, und die Glutensensitivität als echte Intoleranz-Erkrankung. »Keine der verschiedenen Formen der Gluten-Unverträglichkeit stellt ein erhöhtes Risiko für eine Covid-19-Impfung dar. Ein Risikopotenzial besteht bei einer Allergie auf einen Bestandteil der Impfstoffe oder nach einer schweren allergischen Reaktion (Anaphylaxie) auf die Erst-, Zweit- oder Booster-Impfung. Weitere risikobehaftete Patienten sind aus allergologischer Sicht Patienten mit einer Mastozytose, also einer Überempfindlichkeit der Mastzellen, oder einer Anaphylaxie auf Medikamente, Narkose-, Röntgenkontrast- oder Abführmittel und frühere Impfungen mit (bislang) unklarem Auslöser«, heißt es in der Pressemitteilung des Allergologenverbandes.
Anaphylaxien nach Insektenstichen oder Nahrungsmitteln stellen demnach keine Kontraindikation für die Corona-Impfung dar. »Daraus folgt aber auch, dass in unklaren Fällen eine adäquate Allergie-Diagnostik rechtzeitig vor dem Impftermin gemacht werden sollte«, rät der Allergologe. Alle dafür empfohlenen Testzentren listet der AeDA hier auf: https://www.aeda.de/index.php?id=126.
Anaphylaktische Reaktionen infolge einer Impfung mit den derzeit vier zugelassenen Covid-19-Vakzinen kommen zwar vor, sind aber sehr selten beobachtete Komplikationen. Laut des aktuellen Sicherheitsberichts des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) beträgt die Melderate einer Anaphylaxie in Deutschland etwa sechs Fälle auf eine Million Erstimpfungen für jeden der beiden mRNA-Impfstoffe Comirnaty ®und Spikevax® und etwa ein bis zwei Fälle auf eine Million Zweitimpfungen. Ähnliches gilt für die beiden Vektorimpfstoffe: Die Melderate einer anaphylaktischen Reaktion liegt für Vaxzevria® in Deutschland etwa gleich hoch wie für die beiden mRNA-Impfstoffe und mit zwei Fällen pro eine Million Impfungen etwas niedriger für die Covid-19-Vaccine Janssen.
Damit sind diese schweren allergischen Reaktionen im Zuge einer Covid-19-Impfung etwa genauso selten aufgetreten wie im Durchschnitt nach allen bisherigen anderen Impfungen. Sie kommen laut PEI-Bericht bei Frauen etwas häufiger vor als bei Männern und auch häufiger bei der ersten Impfdosis als bei den Folgeimpfungen. Das PEI weist darauf hin, dass betroffene Patienten nach allergologischer Testung zumeist risikoarm erneut geimpft werden können. Für die anaphylaktischen Reaktionen machen Allergologen die in den mRNA-Vakzinen enthaltenen Lipidnanopartikel, vor allem das darin enthaltene Polyethylenglykol (PEG), verantwortlich. Bei der Vektor-Vakzine von Astra-Zeneca vermutet man Polysorbat 80 als Übeltäter.
»Anaphylaxien treten bei Impfungen meist innerhalb der ersten 30 Minuten auf. Wichtig für den Behandlungserfolg ist dann ein frühzeitiges Erkennen der Situation und eine adäquate Behandlung inklusive der Gabe von Adrenalin in die Oberschenkelmuskulatur – vorzugsweise mittels eines Autoinjektors«, erklärt Klimek. Dann ist die 112 zu wählen.
Adrenalin wird in standardisierten Dosen von 150, 300 oder 500 µg für Patienten verschiedenen Alters und Gewichts intramuskulär verabreicht. Hierzulande sind vier verschiedene Modelle an Adrenalin-Autoinjektoren im Handel. Diese sind Fastjekt® von Meda (als Importpräparat Epipen®), Jext® von Alk Abelló, Anapen® von Bioprojet sowie Emerade® von Bausch + Lomb. Da sich die Handhabung der einzelnen Pens unterscheidet, muss sie regelmäßig trainiert werden (am besten mit einem Dummy). Da alle Pens beim Auslösen blockieren können, sollten Patienten immer zwei Pens mit sich führen. Das gilt natürlich auch für das Impfteam in der Apotheke. Von Emerade® und Fastjekt® ist eine N2-Doppelpackung verfügbar, von Jext® nicht. Man sollte nicht vor einer zweiten Injektion zurückschrecken, wenn nach fünf bis zehn Minuten keine Besserung eintritt.
Wie macht man es richtig? Schutzkappe entfernen, den Penschaft mit der dominanten Hand inklusive Daumen fest umfassen und den Autoinjektor in etwa 10 cm Abstand zum Oberschenkel halten. Merkhilfe: blaue Kappe (beim Fastjekt®) zum Himmel, orange Seite zum Oberschenkel beziehungsweise gelbe Kappe (beim Jext®) zur Sonne, schwarze Seite zum Oberschenkel. Anapen® hat einen roten Auslöseknopf, Emerade® keine farbliche Kennzeichnung. Kräftig im 90-Grad-Winkel einstoßen, auch durch Kleidung, sicherheitshalber zehn Sekunden halten, Injektor langsam entfernen und Injektionsstelle massieren. Wichtig: Die Nadel ist nicht sichtbar und man muss den Pen nicht aktiv auslösen.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.