Alles Wichtige zu Lagevrio und Paxlovid |
Verena Schmidt |
25.01.2022 14:00 Uhr |
Was ist wichtig bei der Beratung zu den neuen Corona-Medikamenten? Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker hat die Beratungsinhalte in einer Checkliste zusammengestellt. / Foto: Getty Images/Smederevac
80.000 Therapieeinheiten von Lagevrio hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) für Januar 2022 beschafft und zur Verfügung gestellt. Ärzte können das Präparat Patienten bei einer Covid-19-Infektion verordnen, wenn diese keinen zusätzlichen Sauerstoff benötigen und ein hohes Risiko für einen schweren Verlauf haben. Beim Umgang mit dem Präparat gelten besondere Regeln, die das BMG in einer entsprechenden Allgemeinverfügung veröffentlicht hat.
Demnach ist das Prozedere wie folgt: Der behandelnde Arzt stellt dem positiv getesteten Patienten bei entsprechender Indikation eine Verordnung über Lagevrio aus. Er erklärt dem Patienten Wirkung und potenzielle Risiken des Arzneimittels und führt einen PCR-Test durch, falls bislang nur ein Schnelltestergebnis vorliegt. Die Verordnung übermittelt der Arzt dann direkt an die Apotheke. Das ist laut § 4 Abs. 1 Arzneimittel-Verschreibungsverordnung etwa auch fernmündlich, also per Telefon, möglich, wenn die Anwendung keinen Aufschub erlaubt. Die Apotheke muss sich hierbei über die Identität der verschreibenden Person Gewissheit verschaffen. Schließlich muss der Arzt die Verschreibung unverzüglich nachreichen.
Erst nach Verordnung des Arztes darf die Apotheke Lagevrio® beim Großhandel bestellen. / Foto: PZ/Alois Müller
Apotheken dürfen Lagevrio nur nach Verordnung des Arztes für einen bestimmten Patienten beim Großhandel bestellen und abgeben. Eine Bestellung auf Vorrat ist nicht erlaubt. Der Großhandel liefert Lagevrio laut Allgemeinverfügung dann »unverzüglich« an die bestellende Apotheke aus. Diese wiederum muss das Arzneimittel dann »so bald als möglich« an den Patienten abgeben.
Der Patient kann darauf bestehen, dass ihm das Arzneimittel per Botendienst nach Hause geliefert wird. Die Apotheke muss dem Medikament bei der Abgabe Folgendes beilegen: Das Dokument »Hinweise für den Anwendenden« in Papierform, das auf einer Internetseite des BfARM bereitgestellt wird, plus ein Begleitschreiben des Lagevrio-Herstellers MSD mit Kontakthinweisen. Dieses liefert der Großhandel an die Apotheke aus.
Apotheken erhalten für die Abgabe 30 Euro (netto) pro Packung, weitere 6,72 Euro (netto) bei Lieferung per Botendienst. Die Abrechnung erfolgt über das Muster-16-Rezept beziehungsweise das blaue Privatrezept. Unter der Angabe der Bund-PZN 17936094 kann die Apotheke monatsweise mit ihrem Rechenzentrum abrechnen, spätestens aber bis zum Ende des dritten auf den Abrechnungszeitraum folgenden Monats.
Soweit die Bestell- und Abgabemodalitäten. Aber was ist wichtig für die Beratung zu Molnupiravir und der Wirkstoff-Kombination Nirmatrelvir/Ritonavir (Paxlovid), die wohl bald auch verfügbar sein wird? Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat in Zusammenarbeit mit der Abteilung Klinische Pharmakologie und Pharmakoepidemiologie, Universitätsklinikum Heidelberg, Leitfäden für die Beratung und zur Dokumentation zu Lagevrio und Paxlovid erarbeitet. Sie sind in Checklisten-Form sehr übersichtlich gehalten und auf der AMK-Website herunterzuladen. Weiteres Informationsmaterial sowohl für Anwendende als auch die Heilberufe sind beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu finden.
Dem Leitfaden zufolge muss der Arzt vor der Verordnung eine schwere Covid-19-Erkrankung ausschließen. Er muss die vorliegenden Risikofaktoren für einen schweren Verlauf, also beispielsweise Alter, Übergewicht oder Diabetes, dokumentieren. Die Apotheke muss die indikationsgerechte Verordnung aber nicht auf Plausibilität prüfen.
Sowohl Lagevrio als auch Paxlovid werden fünf Tage lang eingenommen. Bei Lagevrio werden alle zwölf Stunden, also zum Beispiel morgens um 8 Uhr und abends um 20 Uhr, je vier Kapseln à 200 mg (also zweimal 800 mg am Tag), unzerkaut (die Kapseln dürfen nicht geöffnet werden) mit einem Glas Wasser eingenommen. Die Einnahme ist unabhängig von den Mahlzeiten.
Hat der Patient eine Einnahme vergessen, kann er diese innerhalb von zehn Stunden nachholen. Liegt die letzte Einnahme länger als zehn Stunden zurück, erfolgt die Einnahme der nächsten Dosis zum regulären Zeitpunkt. Der Patient darf nicht die doppelte Dosis einnehmen, wenn die vorherige Dosis vergessen wurde.
Bei Paxlovid werden über fünf Tage morgens und abends je zwei Filmtabletten Nirmatrelvir (300 mg) plus eine Filmtablette Ritonavir (100 mg) mit oder ohne eine Mahlzeit als Ganzes geschluckt (nicht gekaut, gebrochen oder zerdrückt). Hat der Patient eine Dosis vergessen, kann er diese noch innerhalb von acht Stunden einnehmen.
Molnupiravir wirkt unspezifisch antiviral, es wurde ursprünglich als Influenza-Medikament entwickelt. Die Einnahme soll – wie auch die Gabe von Nirmatrelvir/Ritonavir – die Wahrscheinlichkeit von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen bei Covid-19-Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf senken. Zu den Risikofaktoren gehören zum Beispiel Fettleibigkeit, höheres Alter (> 60 Jahre), Diabetes mellitus und Herzerkrankungen. Die Anwendung sollte so bald wie möglich nach einem positiven Covid-19-Test starten, innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome.
Molnupiravir ist ein Prodrug, das im Körper zum Ribonukleosid-Analogon N-Hydroxycytidin (NHC) verstoffwechselt wird. In der Zelle wird NHC zum pharmakologisch aktiven Triphosphat (NHC-TP) phosphoryliert. NHC-TP wird dann in die Virus-RNA eingebaut – das führt zur Anhäufung von Fehlern im viralen Genom, was die Replikation des Virus hemmt (»Virusfehlerkatastrophe«).
Nirmatrelvir hemmt die virale Protease 3CL und stoppt so die Vermehrung von SARS-CoV-2. Ritonavir wird in der Kombination als Booster eingesetzt: Es verlangsamt den Abbau von Nirmatrelvir in der Leber.
Molnupiravir ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. In Tierversuchen wirkte es reproduktionstoxisch. Alle Frauen im gebärfähigen Alter müssen daher vor einer Behandlung einen Schwangerschaftstest durchführen. Während der fünftägigen Therapie und anschließend für vier weitere Tage müssen die Frauen, sofern sie in dieser Zeit nicht sexuell abstinent sind, wirksam verhüten. Bei einer hormonellen Kontrazeption muss zusätzlich mit einer Barrieremethode wie einem Kondom verhütet werden. Männer müssen darauf hingewiesen werden, dass sie sicherheitshalber während der Behandlung und drei Monate danach kein Kind zeugen sollten. Wird eine stillende Mutter behandelt, muss sie das Stillen während der Behandlung und noch vier Tage danach aussetzen.
Bei Paxlovid gelten ähnliche Vorgaben bezüglich Schwangerschaft und Stillzeit. Es liegen bisher keine Daten dazu vor, ob sich die Kombination aus Nirmatrelvir und Ritonavir schädlich auf Fetus oder Embryo auswirkt. Auch unter Paxlovid sollten Frauen wirksam verhüten, also mit einer Barrieremethode, eventuell zusätzlich zur Antibabypille. Aufgrund des Interaktionspotenzials der beiden Wirkstoffe könnte eine hormonale Kontrazeption nicht wirksam sein.
Die Dosierung von Molnupiravir muss bei Älteren, Adipositas, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen nicht angepasst werden. Bei der Paxlovid-Behandlung sollte jedoch bei einer mäßigen Nierenfunktionsstörung (eGFR ≥ 30 bis 60 ml/min) statt zwei nur eine Filmtablette Nirmatrelvir (150 mg) plus eine Filmtablette Ritonavir (100 mg) eingenommen werden. Bei schwerer Nieren- oder Leberfunktionsstörung ist Paxlovid kontraindiziert.
Bei Molnupiravir werden im Leitfaden Durchfall (3 Prozent), Übelkeit (2 Prozent), Schwindelgefühl und Kopfschmerzen (jeweils 1 Prozent) als mögliche Nebenwirkungen aufgeführt. Es gibt bisher keine Hinweise auf klinisch relevante Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln. Bei Nirmatrelvir/Ritonavir ist das Interaktionspotenzial hingegen groß. Arzt und Apotheker müssen die Dauermedikation dementsprechend überprüfen, gegebenenfalls anpassen oder pausieren oder Molnupiravir bevorzugen.
Mithilfe des Beratungs- und Dokumentationsleitfaden der AMK kann die Apotheke die Beratung – ob persönlich vor Ort, per Telefon oder per Botendienst (pharmazeutisches Personal!) – dokumentieren, ebenso, wann das Präparat beim Großhandel bestellt, an die Apotheke geliefert und an den Patienten abgegeben wurde. Zudem können unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf dem Bogen festgehalten werden. Über einen abgedruckten QR-Code gelangt man direkt zum Online-Meldeformular der AMK.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.