Alternativen vermehrt einsetzen |
Isabel Weinert |
16.09.2022 10:58 Uhr |
Warm halten und ruhen, diese Maßnahmen treffen Frauen mit Blasenentzündung oft intuitiv. Ein Teil der Zystitiden heilt auch spontan aus. / Foto: Adobe Stock/agnieszka_marcinska
Nach Baumgartners Erfahrung erkrankt nahezu jede Frau mindestens einmal im Leben an einer Blasenentzündung. Die Anatomie erleichtert das Einwandern von E. coli: Harnröhre und Anus liegen nahe beieinander und der Weg zur Blase über die Harnröhre ist zudem sehr kurz. Männer erkranken deutlich seltener, aber dann gilt die Zystitis in jedem Fall als kompliziert, alleine schon wegen der Nähe zur Prostata. Auch Harnwegsinfekte bei Kindern werden stets als kompliziert eingestuft. Organische Besonderheiten oder mechanische Hindernisse wie Nierensteine machen eine Blasenentzündung immer zu einer komplizierten Variante. Von einer chronischen Blasenentzündung spricht man, wenn ein Mensch häufiger als zweimal im halben oder dreimal im ganzen Jahr erkrankt.
Bei Frauen begünstigen auch die Wechseljahre eine HWI. Durch lokalen Sexualhormonmangel verdünnt sich die ohnehin schon dünne Wand zwischen Scheide und Harnröhre immer mehr. Uropathogene Keime, allen voran E. coli, können durch diese Wand hindurchgelangen. Gestärkt wird diese natürliche Barriere durch die Gabe lokal anzuwendender Hormonpräparate. Das Durchwandern der Keime kommt leicht auch bei Anwenderinnen einer Kupferspirale zustande, die eine chronisch sterile Uteroentzündung haben, oder auch bei jungen Frauen, die hormonell verhüten.
Harnröhre und Harnblase sind mit einem Urothel ausgekleidet, das natürlicherweise mit Zuckerketten, die Mannose enthalten, ausgestattet ist. E. coli können mit ihren Fimbrien mit eben diesen Mannoseketten interagieren, sich so an das Endothel anheften und ihre pathogene Wirkung entfalten. D-Mannose, von außen zugeführt, wird im Darm resorbiert, gelangt über die Leber unverändert in die Nieren, wo es ebenfalls unverändert und in hoher Konzentration im Harn ankommt. Dort sättigt D-Mannose die Fimbrien der Bakterien ab, so dass diese nicht mehr mit dem Endothel interagieren können. Ein physikalischer Prozess, der die Einstufung von D-Mannose als Medizinprodukt zulässt.
Empfiehlt man D-Mannose, wenden Frauen mitunter ein, das sei ein Zucker und sie wollten nicht zunehmen, so Baumgartner. Doch D-Mannose spielt kalorisch keine Rolle, diese Furcht kann man den Patientinnen also nehmen. Darüber hinaus belegen Studien, dass der Einsatz von D-Mannose hilft, Antibiotika zu sparen und sich sehr gut in der Prophylaxe von HWI einsetzen lässt. Im Vergleich mit Antibiotika hilft der Zucker mindestens so gut, Rezidive zu verhindern, bei gleichzeitig geringeren Nebenwirkungen. Baumgartner sprach die Leitlinien für die unkomplizierte Harnwegsinfektion an und bedauerte, dass D-Mannose in der mittlerweile fünf Jahre alten Version noch nicht der ihr eigentlich zustehende Stellenwert eingeräumt werde. Gerade angesichts der Tatsache zunehmender Resistenzen uropathogener Keime auf alle Antibiotika sei der Einsatz wirksamer Alternativen dringend geboten.