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Enterale Ernährung

Arzneimittelgabe über eine Sonde

Bei Patienten, die enteral ernährt werden, weil sie etwa unter Schluckstörungen, Kopf-Hals-Tumoren oder den Folgen eines Schlaganfalls leiden - wird eine Ernährungssonde häufig auch zur Gabe von Arzneimitteln genutzt. Damit steht für die Verabreichung von Arzneimitteln neben der oralen, parenteralen, rektalen, sublingualen und transdermalen eine zusätzliche Option zur Verfügung.
Egid Strehl
05.12.2019  13:00 Uhr

Würden Arzneimittel vor ihrer Applikation über die Sonde gemischt, bestünde die große Gefahr, dass es zu Partikelbildungen und Verklumpungen, zum Beispiel durch eine Ausfällung von Proteinen, kommt. Die Sonde würde verstopfen und die Arzneistoffe könnten nur unvollständig oder gar nicht wirken.

Verstopft eine Sonde trotz sorgsamer Handhabung dennoch einmal, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Mit einer 10-ml-Spritze wird behutsam warmes Wasser in die Sonde gedrückt; bei Bedarf folgt danach die Zugabe von reichlich kohlensäurehaltigem Mineralwasser, Apfelsaft, Cola oder von Pepsinwein. Nach mehrminütiger Verweilzeit wird die Flüssigkeit wieder mit der Spritze abgezogen. Dieser Vorgang muss in hartnäckigen Fällen eventuell mehrmals wiederholt werden.

Praktisches Vorgehen

Vorab ist unbedingt zu klären, ob und falls ja, wie die verordneten festen Arzneiformen (Tabletten, Dragees, Kapseln) zerkleinert oder anderweitig sondengängig gemacht werden dürfen – etwa durch Mörsern oder indem man sie in Wasser zerfallen lässt – und ob flüssige Zubereitungen vor der Sondengabe zu verdünnen sind. Auf welche Weise genau Tabletten und Kapseln für die Sondenverabreichung vorbereitet werden sollen, ist im Einzelfall der Fachinformation zu entnehmen. Bleiben Zweifel, sollte vorsichtshalber der Hersteller kontaktiert werden.

Als nächstes werden die Materialien, etwa eine 20-ml-Luer-Spritze, Wasser, Arzneimittel, Tablettenmörser, Medikamentenbecher und Adapter, bereitgestellt. Dickflüssige und hoch konzentrierte Flüssigkeiten werden in jedem Fall mit Wasser verdünnt. Feste Arzneiformen werden zerkleinert, Kapseln geöffnet und mit 10 bis 15 ml (bei Kindern 5 bis 10 ml) Wasser aufgenommen oder aufgelöst.

Die Ernährungssonde wird dann mit 15 bis 20 ml Wasser (bei Kindern 5 bis 10 ml) gespült. Jedes Arzneimittel wird separat mit der Spritze aufgezogen und verabreicht; dazwischen wird mit mindestens 10 ml Wasser gespült. Nach der letzten Gabe wird nochmals mit 15 bis 20 ml Wasser nachgespült.

Erfordernisse unterschiedlicher Arzneiformen

Flüssige Arzneiformen werden bei Verabreichung über eine Ernährungssonde bevorzugt eingesetzt. Es eignen sich Tropfen, Suspensionen, Säfte und Sirupe. Auch Brausetabletten und fließfähige feine Granulate können verwendet werden. Mit beiden letzteren ergeben sich zunächst jedoch oft zu hoch konzentrierte Lösungen, die am besten mit Wasser für Injektionszwecke auf 50 ml, gegebenenfalls auf mehr verdünnt werden.

Tablettenförmige Presslinge, Filmtabletten ohne spezielle Überzüge und Dragees mit Zuckerüberzug können in der Regel zerkleinert werden. Hierfür haben sich spezielle Tablettenmörser mit glatten, gut zu reinigenden Reibflächen bewährt. Steht ein solcher Tablettenmörser nicht zur Verfügung, sollen die Poren eines üblichen Mörsers vorab durch Verreiben einer indifferenten Substanz wie Milchzucker versiegelt werden, damit sich nicht zu viel Wirkstoff an einer weniger glatten Mörserinnenwand absetzen kann. Das könnte sonst zu einer Unterdosierung führen. Einige Tabletten ohne Überzug zerfallen in Wasser auch spontan in feine Partikel. Der Innendurchmesser der Sonde sowie die Form des Sondenendes entscheiden, welche Partikelgrößen sich noch problemlos verabreichen lassen. Nasogastrale Sonden sind im Gegensatz zu perkutanen Sonden nämlich nicht an ihrem Ende offen, sondern sie haben seitliche Öffnungen, weshalb sich größere Partikel oder Pellets hier leicht verklemmen können.

Retardierte und magensaftresistente Darreichungsformen

Orale Arzneimittel mit verzögerter Wirkstofffreigabe dürfen nicht gemörsert werden, da das Retardierungsprinzip dadurch zerstört würde. Der Patient wäre dann nämlich dem Risiko ausgesetzt, dass der Arzneistoff zu schnell und zu stark zu wirken beginnen würde, während gleichzeitig die Wirkdauer zu kurz ausfiele. Bei einer gezielten Umstellung auf schnell freisetzende Präparate (Tropfen, Saft, Tablette) sind Einzeldosis und Dosierintervall deshalb unbedingt entsprechend anzupassen.

Auch magensaftresistent überzogene Tabletten dürfen grundsätzlich nicht gemörsert werden. Entweder schützt hier ein spezieller Überzug den Magen vor einem aggressiven Arzneistoff (zum Beispiel vor Eisensalzen) oder der magensaftresistente Überzug schützt einen empfindlichen Arzneistoff vor der Zersetzung durch die Magensäure und Magenenzyme (zum Beispiel Omeprazol/Esomeprazol in Antra® oder Nexium®). Eine MUPS-Formulierung (Multiple Unit Pellet System), bei der alle Pellets magensaftresistente Überzüge tragen, löst dieses Problem.

Hartgelatine-Kapseln dürfen nahezu ausnahmslos geöffnet werden. Der Inhalt lässt sich dann in Wasser aufnehmen und verabreichen. Kapseln mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retardkapseln) dagegen und ebenso magensaftresistente Kapseln sind wie entsprechende Tabletten - von Ausnahmen abgesehen - nicht sondengeeignet. Der flüssige, meist ölige Inhalt (zum Beispiel Chloraldurat®, Vitaminpräparate) von Weichgelatinekapseln lässt sich jedoch mit Spritze und Kanüle entnehmen und aufziehen. Eine höhere Dosiergenauigkeit wird aber erreicht, wenn Weichgelatine-Kapseln in 15 bis 30 ml Wasser aufgelöst und so verabreicht werden.

Mit Sublingual- und Buccal-Tabletten, die zur lokalen Anwendung im Mund und Rachenraum bestimmt sind (beispielsweise Antiseptika, Anästhetika) wird alternativ eine Resorption über die Mundschleimhaut angestrebt (wie bei Temgesic® sublingual), sofern die Mundschleimhaut intakt und der Patient kooperativ ist. Weitere Medikationsmöglichkeiten bieten generell eine nasale, transdermale, inhalative und rektale Verabreichung neben einer Injektion oder Infusion.

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