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Bedenklichkeit prüfen

Auch bei alten Rezepturformeln

Auch alte Rezepturformeln müssen auf Plausibilität geprüft werden. Sind sie nicht in aktuellen Formularien wie dem DAC/NRF enthalten, kann es sein, dass sie heutigen Standards nicht mehr entsprechen, als obsolet oder gar bedenklich eingestuft werden müssen.
03.07.2019  15:30 Uhr

Als die PTA Gabi Galenik von einem Kunden ein grünes Rezept für Castellanische Lösung überreicht bekommt, macht sie sich darauf gefasst, dass die Plausibilitätsprüfung länger dauern könnte. Sie hat zwar den Namen schon gehört, meint sich aber zu erinnern, dass einige Bestandteile problematisch sind. Der Kunde erzählt, er hätte den Arzt um eine entsprechende Verschreibung gebeten. Er möchte seine Telefonnummer nur ungern angeben, hat es aber nicht eilig. Sie verabreden, dass er am kommenden Nachmittag wiederkommt und sie dann besprechen, was Gabi herausgefunden hat und ob sie die Lösung herstellen kann.

Gabi nimmt die Papierversion des DAC/NRF zur Hand und schaut, ob Castellanische Lösung aufgeführt ist. Sie findet sie nicht. Eine kurze Internetrecherche bringt nicht nur verschiedene Rezepturformeln zutage, sondern auch zwei Fertigarzneimittel: Castellani mit Miconazol und Castellani viskos mit Miconazol. Beide enthalten nur Miconazol als Wirkstoff. Für die Rezeptur findet sie Castellanische Lösung und farblose Castellanische Lösung. Gabi wartet also, bis es in der Apotheke etwas ruhiger wird, und macht sich an die Recherche.

Der Zusatz »m.d.s.« (misce, da, signa; mische, gebe, schreibe) auf dem Rezept sagt Gabi, dass der Arzt ein Rezepturarzneimittel meint.

Die Zusammensetzung des Rezepturarzneimittels hat sich im Laufe der Zeit mehrere Male geändert. Es handelt sich um eine antibakteriell, antimykotisch und austrocknend wirkende Lösung, die unter anderem folgende wirksame Stoffe enthalten kann: Resorcin, Borsäure, Fuchsin oder Fuchsin N, Chlorocresol, Phenol.

 

Bei Borsäure läuten bei Gabi die Alarmglocken. Sie schaut für alle Fälle nach und findet im Rezepturhinweis »Borsäure« auf der Webseite des DAC/NRF, dass die schwach bakteriostatisch und fungistatisch wirkende Borsäure in fast allen Fällen – was auch die Anwendung als Castellanische Lösung betrifft – als bedenklich im Sinne von § 5 AMG eingestuft wird. Ausnahme sind homöopathische Zubereitungen ab D4 und Augenarzneimittel. Hier kommt sie zur Isotonisierung oder Pufferung zum Einsatz. In diesen Fällen ist sie zulässig.

Bedenklichkeit gilt auch für Phenol. Phenol wirkt unter anderem antimikrobiell, schädigt aber auch Gewebe und Nerven. Aus diesem Grund ist es für die meisten Anwendungen – auch für den vorliegenden Fall – als bedenklich eingestuft. Ausnahmen werden im entsprechenden Rezepturhinweis genannt.

Resorcin wirkt keratolytisch und antimikrobiell. Der Stoff wird jedoch als obsolet angesehen und soll deshalb nicht ohne weiteres hergestellt werden. Ein Verbot der Verarbeitung liegt im eigentlichen Sinne jedoch nicht vor. Eine Rücksprache mit dem Arzt ist jedoch notwendig, bevor die Substanz verarbeitet wird. Hätte der Arzt auf dem Rezept ein Ausrufezeichen «!“ aufgebracht, hätte dieses angezeigt, dass er sich über die Besonderheit dieses Wirkstoffes bewusst ist, sich dessen Einsatz jedoch wünscht. Da im vorliegenden Fall ein Ausrufezeichen fehlt, stellt sich Gabi auf eine Rücksprache ein.

Auch für Chlorocresol liegt für viele Anwendungen eine negative Monographie vor. Der Wirkstoff birgt verschiedene auch toxikologische Risiken und hat allergenes Potenzial. Er war einmal als Alternative für das Phenol für eine Castellanische Lösung nach NRF gedacht, doch auch diese Formel ist inzwischen entfallen.

Die letzte wirksame Substanz ist das Fuchsin, ein Stoffgemisch, das wegen eines krebserregenden Bestandteils nicht mehr zur Verfügung steht. Als Alternative dazu wird Fuchsin N genannt. Da es aber als Rezeptursubstanz nicht erhältlich ist, entfiel schließlich auch diese Rezepturvorschrift. Die Castellanische Lösung hat also viele Variationen durchlaufen, immer mit dem Ziel, die Wirksamkeit beizubehalten und die Risiken zu minimieren. Gabi findet einen Rezepturhinweis mit dem Titel »Castellanische Lösung«. Darin werden zwei der Variationen beschrieben – beide mit dem Hinweis, dass sie nicht hergestellt werden dürfen. Der Rezepturhinweis formuliert deutlich, dass es praktisch keinen Grund mehr gibt, Castellanische Lösung einzusetzen.

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