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Distanz oder Nähe?

Auf ungewolltes Duzen reagieren

Siezen gilt als altmodisch. Heute wird das »Du« oft selbstverständlich verwendet, auch von manchen Kunden in der Apotheke. Was können Sie tun, wenn es unangenehm ist?
Britta Odenthal
29.06.2022  12:00 Uhr

Duzen kannte man vor Ikea und Facebook nur im Umgang mit guten Freunden, Bekannten und der Familie. Doch mittlerweile ist das höfliche »Sie« in vielen Altersgruppen und einigen Branchen aus der Mode gekommen. Es wird oft ganz selbstverständlich geduzt.

Duzen verschafft Nähe, das wird oft als positiv erlebt. Denn der Mensch sucht die Nähe vertrauter, verwandter oder zumindest bekannter Artgenossen. In der Gruppe ist man sicher vor dem Feind, das ist heute genauso wichtig wie in Urzeiten. In Gemeinschaften hält man zusammen, man hilft sich gegenseitig und steht füreinander ein.

Wenn nun ein Kunde in der Apotheke plötzlich zum Du übergeht und dies Ihnen ein schlechtes Gefühl bereitet, kann das damit zusammenhängen, dass Sie diesem Menschen einfach gar nicht so nahe sein wollen. Ungefragtes Duzen gilt als respektlos und kann bedrängend wirken. Eine Sorge kann sein, dass mit dem Du Grenzen fallen, die mit dem distanzierten Sie weiter aufrechterhalten werden. »Gib mir doch mal mein Blutdruckmittel, ich reiche das Rezept später nach«: So könnte etwa eine Bitte in der Apotheke lauten. Was schwingt hier zwischen den Zeilen mit? Wir kennen uns, wir vertrauen uns. »Monika, das kannst du doch mal ausnahmsweise für mich machen.«

In einem solchen Fall ist es verständlich, dass man im Verhältnis Kunde/PTA lieber beim Sie bleibt. Aber nicht jeder, der zum Du übergeht, hat solche Hintergedanken. Da sind zum Beispiel Kunden, die nicht in Deutschland aufgewachsen sind. In ihrer Muttersprache gibt es die Sie-Anrede gar nicht, sie meinen es also nicht böse, wenn sie zum Du wechseln. Auch sind es einige, vor allem jüngere Erwachsene, durch die sozialen Medien, ihr Umfeld und den Job überhaupt nicht mehr gewohnt, andere Menschen zu siezen.

Es muss passen

Prinzipiell kommt es bei der Frage »Du oder Sie?« natürlich auch darauf an, wie Sie selbst gestrickt sind. Passt es zu Ihren Werten und Vorstellungen, wenn der Kunde Sie duzt, passt es zur Situation, zum Ort oder Anlass? Ist er Ihnen sympathisch oder nicht? Es kann auch hilfreich sein, dass Sie im Team dazu Hausregeln vereinbaren. Entscheidend ist aber immer, dass es für beide passen muss.

Wenn Sie lieber beim Sie bleiben möchten, sollten Sie einem Kunden gegenüber das höflich, aber bestimmt deutlich machen, zum Beispiel so:

  • Witzig: »Herr Müller, Sie gehen gerade zum Du über. Ich würde Sie gerne erst noch besser kennenlernen.« (Hier steckt aber auch drin, dass er gerade eine Grenze überschritten hat. Vorsicht, das kann auch als zurechtweisend erlebt werden.)
  • Hausregeln: »Herr Müller, es sind unsere Hausregeln, dass wir mit den Kunden beim Sie bleiben.«
  • Abgrenzen mit Hinweis: »Herr Müller, Sie gehen gerade zum Du über. Ich würde gerne beim Sie bleiben.«
  • Abgrenzen mit klarer Bitte: »Herr Müller, können Sie/wir bitte beim Sie bleiben.«
  • Konsequent: Sie »überhören« das Du und bleiben selbst konsequent beim »Sie«.

Insgesamt kann man sagen: Zeiten ändern sich, Anreden auch. Das Siezen geht immer mehr verloren. Es ist zum Teil altersabhängig, zum Teil eine Sache der Mentalität, aber in jedem Fall branchenabhängig. Auf den meisten Internetseiten etwa ist heute das Du üblich. Im Englischen gibt es das Sie gar nicht, aufgrund der Globalisierung ist das Du heute oft üblich. Diejenigen, die lieber siezen, möchten sich eine höfliche Distanz bewahren, während andere wiederum haben gar nicht das Gefühl, dass ein Du die Distanz verkleinert, oder es wird gar keine Distanz gefühlt. Alle sind gleich und eine große Gemeinschaft. In konservativeren Branchen, also auch im medizinischen Sektor, etwa in Arztpraxen oder in der Apotheke, ist das Sie allerdings noch an der Tagesordnung und wird es wohl noch einige Zeit bleiben.

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