Der Check in der Apotheke |
24.01.2007 10:34 Uhr |
Der Check in der Apotheke
von Andrea Gerdemann, München, Nina Griese, Berlin
Mit diesem Artikel beginnt eine neue Reihe im PTA-Forum über die für die Apothekenpraxis wichtigsten Interaktionen. Diese werden anhand von Fallbeispielen aus der Praxis erläutert, um in der Apotheke einfacher und schneller den Interaktions-Check durchführen zu können. Zunächst wird das Interaktionsmodul der ABDA-Datenbank ausführlich dargestellt . Beleuchtet wird vor allem, welche Informationen sie liefert und nach welchen Kriterien die ABDA-Datenbank die Wechselwirkungen einstuft.
Aus Anwendungsbeobachtungen ist bekannt, welche Interaktionsmeldungen in der Apothekenpraxis am häufigsten vorkommen. Die Anwendungsbeobachtungen in Bayern zum Interaktions-Check haben ergeben, dass nur etwa 20 verschiedene Interaktionen ungefähr 70 Prozent der gesamten Interaktionsmeldungen ausmachten. Die gemeinsame Aktionswoche »arzneimittelbezogene Probleme« der Landesapothekerkammern und der ABDA im Jahr 2005 hat dies bestätigt: An der bundesweiten Aktion beteiligten sich 1146 Apotheken, diese meldeten insgesamt 10 427 arzneimittelbezogene Probleme, von denen 907 Wechselwirkungen betrafen. Die Fallbeispiele dieser Interaktionsserie im PTA-Forum sind zum großen Teil während dieser Woche gemeldete Fälle und stammen somit direkt aus der Praxis.
Die Apotheke ist der Ort, an dem alle Arzneimittelinformationen durch Speicherung der Daten in einer Patientendatei zusammengefasst werden können. Daher sind Apotheken besonders geeignet, potentiell gefährliche Arzneimittelkombinationen zu erkennen sowie gegebenenfalls Patient und Arzt darüber zu informieren. Kenntnisse auf dem Gebiet der Interaktionsberatung, ein Kernelement des Apothekenservice, sind deshalb von herausragender Bedeutung.
Grundsätzlich können Interaktionen immer dann auftreten, wenn ein Patient mehr als ein Arzneimittel gleichzeitig einnimmt. Das ist in der Praxis häufig der Fall, gerade bei älteren Patienten. Das Wissen über Arzneimittelwechselwirkungen ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen. In elektronischen Datenbanken wie der ABDA-Datenbank wurden diese detaillierten Kenntnisse über Wechselwirkung aufgenommen. Der Interaktions-Check mit Hilfe der ABDA-Datenbank gehört zu den wichtigen Instrumenten, um mögliche Interaktionen aufzuspüren. Schäden für den Patienten lassen sich allerdings nur dann vermeiden, wenn dem Nutzer der Datenbank auch die gleichzeitige Einnahme interagierender Arzneistoffe bekannt ist. Nur die Speicherung der gesamten Medikationsdaten eines Patienten ermöglicht es PTA oder Apotheker, bei jeder Arzneimittelabgabe einen Interaktions-Check zwischen den verordneten Arzneimitteln und Präparaten aus der Selbstmedikation durchzuführen. Datenbanken sind allerdings immer nur ein Hilfsinstrument, um Interaktion zu erkennen und zu bewerten. Ob die Wechselwirkung für den Patienten relevant ist und ob PTA oder Apotheker intervenieren müssen, können sie nur im Gespräch mit dem Patienten zusammen mit den Angaben der Datenbank beurteilen.
Klassifikation der Interaktionen
Viele Interaktionsdatenbanken klassifizieren die Wechselwirkungen, um den Nutzern den Umgang mit den Meldungen zu erleichtern. Dabei verwenden sie zum Teil sehr unterschiedliche Bewertungssysteme. Jeder pharmazeutische Mitarbeiter sollte die Kriterien der Datenbank, mit der er arbeitet, kennen. Die Definition der Schweregrade des Interaktionsmoduls der ABDA-Datenbank enthält die folgende Tabelle.
Schwer wiegend (circa 9 Prozent des Datenbestandes)
Die Arzneimittelkombination kann für den Patienten lebensbedrohend sein oder es können Intoxikationen oder bleibende Schädigungen für den Patienten entstehen. Die Arzneimittel sind in der Regel kontraindiziert.
Mittelschwer (circa 47 Prozent des Datenbestandes)
Die Kombination führt häufig zu therapeutischen Schwierigkeiten. Doch bei sorgfältiger Überwachung des Patienten (zum Beispiel INR, klinische Symptome) kann die Kombination gegeben werden.
Geringfügig (circa 31 Prozent des Datenbestandes)
Bei geringfügigen Interaktionen können etwas verstärkte oder verminderte Wirkungen auftreten oder sie betreffen nur einen bestimmten Personenkreis (zum Beispiel Patienten mit Nieren- oder Leberinsuffizienz).
Unbedeutend (circa 2 Prozent des Datenbestandes)
Interaktionen, die meist keine oder nur geringe Auswirkungen haben und in der Regel keine Maßnahmen erfordern.
Fremdangaben (circa 11 Prozent der ABDA-Datenbank)
Diese Interaktionen sind nur in Einzelfällen beschrieben oder werden vermutet. Ihre klinische Relevanz ist jedoch (noch) unklar.
Arzneimittel, deren Interaktion die Datenbank als schwer wiegend einstuft, sind in der Regel kontraindiziert: Die Kombination könnte lebensbedrohlich sein. Doch auch hier gibt es Ausnahmen. Einige Patienten können die beiden Arzneimittel durchaus einnehmen, weil bei ihnen der Nutzen der gemeinsamen Gabe größer ist als das Risiko aufgrund der Interaktion. Grundsätzlich gilt. Im Fall einer schwer wiegenden Interaktion, insbesondere bei der Erstverordnung, sollten PTA oder Apotheker immer hinterfragen, ob der Patient ein anderes Arzneimittel mit vergleichbarem Nutzen aber geringerem Risiko einnehmen kann, und wenn nicht, ob der Patient ausreichend gemonitort wird.
Einnahme unter Kontrolle erlaubt
Stuft die ABDA-Datenbank die Interaktion als mittelschwer ein, kann der Patient die Medikamente häufig gemeinsam anwenden. In diesem Fall müssen jedoch meist in regelmäßigen Abständen in der Arztpraxis, in der Apotheke oder durch den Patienten verschiedene Laborwerte, zum Beispiel Kaliumwerte, oder mögliche Interaktionssymptome wie ein erhöhter Blutdruck überwacht werden. Auch hier kann es sinnvoll sein, dass der Arzt von vornherein, um beispielsweise ein Monitoring zu vermeiden, oder nach dem Auftreten der Interaktion ein anderes Arzneimittel verordnet. Geringfügige Wechselwirkungen betreffen oft nur eine bestimmte Patientengruppe, beispielsweise mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion. Bei unbedeutenden Wechselwirkungen enthält die ABDA-Datenbank normalerweise keine ausführlichen Texte. Bei Fremdangaben sollten die Nutzer wissen, dass es sich hier nicht um eine Bewertung der Interaktion handelt. Diese ist in der Regel nicht möglich, da zu wenige Daten vorliegen.
Aufbau der ABDA-Datenbank
Die ABDA-Datenbank enthält zum einen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Arzneimitteln und zum anderen zwischen Arznei- sowie Lebens- oder Genussmittel, zum Beispiel Alkohol. Für die sogenannten Interaktionsmonographien wurden vor allem klinisch relevante Interaktionen ausgewählt. Bei unbedeutenden Interaktionen existiert nur ausnahmsweise eine Interaktionsmonographie, wenn viele Lehrbücher oder Fachinformationen diese erwähnen. Daher unterscheidet sich die ABDA-Datenbank von den Fachinformationen: Nicht alle Interaktionen aus den Fachinformationen sind in der Datenbank zu finden. In Fachinformationen finden zum Teil auch nicht oder nicht mehr klinisch relevante Interaktionen Eingang. Andererseits informiert die ABDA-Datenbank auch über klinisch relevante Interaktionen, die nicht in der Fachinformation aufgeführt sind. Dies zeigt die Bedeutung einer Datenbank, in der unabhängig von den Angaben der Hersteller Interaktionen erfasst und bewertet werden.
Beispiel aus der Praxis
Das Beispiel der Interaktion eines Gyrasehemmers mit einem Arzneimittel, das polyvalente Kationen wie Aluminium, Calcium oder Magnesium enthält, veranschaulicht die einzelnen Informationsstufen der ABDA-Datenbanken in den Kästen. Die Kurzbeschreibung der Wechselwirkung erscheint häufig bei der Anzeige einer Interaktion zusätzlich auf dem Bildschirm. Hierdurch erhalten PTA oder Apotheker einen ersten Überblick über Effekt und Mechanismus. Ist der genaue Interaktionsmechanismus nicht geklärt, was häufig der Fall ist, dann steht dieses auch unter der Kurzbeschreibung.
Für die Beurteilung der klinischen Relevanz einer Interaktion reichen die Angaben der Kurzbeschreibung nicht aus. Zur genauen Einschätzung der Wechselwirkung liefert die Datenbank in der Interaktionsmonographie weitere Informationen zum pharmakologischen Effekt, zum Mechanismus und zu Maßnahmen. Diese Texte lassen sich bei den meisten Softwareprogrammen direkt aus dem Kassenprogramm aufrufen.
Effekt: verminderte Wirkung der Gyrasehemmer
Mechanismus: verminderte Absorption infolge von Chelatbildung (pharmakokinetisch, wahrscheinlich/nicht vollständig geklärt)
Unter Maßnahmen stehen Vorschläge, wie die Interaktion gehandhabt werden kann. Diesen Text sollten PTA oder Apotheker zuerst lesen. Vielfach können sie schon mit diesen Informationen zusammen mit den Angaben des Patienten die Interaktion beurteilen und sich für oder gegen eine Intervention entscheiden.
Gyrasehemmer sollen mit möglichst großem zeitlichem Abstand vor oder nach polyvalenten Kationen eingenommen werden, um das Ausmaß der Interaktion zu minimieren. In der Regel sollen mindestens 4 Stunden vor und 2 Stunden nach der Einnahme von Gyrasehemmern keine polyvalenten Kationen eingenommen werden. Für Moxifloxacin wird ein Abstand von etwa 6 Stunden empfohlen.
Eine Behandlung mit Strontiumranelat soll während der Anwendung von Gyrasehemmern vorsichtshalber unterbrochen werden.
Von Fall zu Fall wird es nötig sein, den Text unter »Mechanismus« und »Pharmakologischer Effekt« zu lesen, um die Interaktion noch besser einschätzen zu können. Dies ist vor allem dann relevant, wenn eine Rücksprache mit dem Arzt notwendig wird. Nur dieses Hintergrundwissen ermöglicht die Erläuterung der Problematik im Gespräch mit dem Mediziner.
Unter dem »Pharmakologischen Effekt« sind Informationen zu Symptomen der Interaktion zusammengefasst. Im Abschnitt »Mechanismus« wird erläutert, wie der Mechanismus der Interaktion ist.
Das Textfeld »Kommentar« führt unter anderem Ergebnisse klinischer Studien oder Risikofaktoren auf. Des Weiteren findet der Nutzer in der Interaktionsmonograpie Informationen zu Arzneistoffen, die diese Interaktion (wahrscheinlich) zeigen, Literaturangaben und das Bearbeitungsdatum.
Diese Daten erleichtern es PTA oder Apotheker, die klinische Relevanz der Interaktion individuell für den Patienten einzuschätzen.
Pharmakologischer Effekt
Durch gleichzeitige Einnahme mit polyvalenten Kationen wie Aluminium, Magnesium, Calcium, Eisen, Strontium und Zink kann die antimikrobielle Wirkung der Gyrasehemmer beeinträchtigt werden. Therapieversager können auftreten.
Mechanismus
Wahrscheinlich wird die Absorption der Gyrasehemmer durch die Bildung schwer absorbierbarer Chelate mit den mehrwertigen Kationen sowie durch Adsorptionseffekte vermindert. Die Absorptionsverminderung kann über 90 Prozent betragen. Das Ausmaß der Interaktion scheint bei Aluminium, Magnesium, Eisen und Zink etwa gleich groß, bei Calcium etwas geringer zu sein.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
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