Regierung verzichtet auf Höchstpreise |
24.01.2007 10:05 Uhr |
Regierung verzichtet auf Höchstpreise
von Daniel Rücker, Eschborn
Die Bundesregierung hat sich wieder einmal auf einen Kompromiss zur Gesundheitsreform geeinigt. Dabei hat sie auch die Gesetzespassagen entschärft, die im vergangenen Herbst Apothekenmitarbeiter und -leiter auf die Barrikaden gebracht haben.
Sollte der jetzt gefundene Kompromiss tatsächlich am 1. April als GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in Kraft treten, dann wären die Apotheken eine wesentliche Sorge los: Die Bundesregierung hat dem Antrag des Bundesrates zugestimmt, die Festpreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu erhalten.
Bereits im vergangenen Sommer hatten die Apotheker darauf hingewiesen, dass diese Regelung kleine Apotheken massiv benachteiligt und die flächendeckende Arzneimittelversorgung gefährdet. Ihr Argument: Kleine und mittelgroße Apotheken könnten die Preise einiger großer Apotheken nicht übernehmen, denn die kleinen kauften zu schlechteren Konditionen ein. Da bliebe keine Luft , den Kassen Sonderkonditionen zu gewähren. Selbstverständlich würden die Krankenkassen dann ihren Versicherten nahelegen, ihre Rezepte in den großen Apotheken oder bei Versandhändlern einzulösen. Die kleineren Apotheken würden ihre Kunden verlieren und müssten schließen.
Die ABDA hat schon früh davor gewarnt, dass eine Höchstpreisverordnung für Arzneimittel zu einem deutlichen Rückgang der Apothekendichte und damit zu einem Verlust von qualifizierten Arbeitsplätzen und einer schlechteren Versorgung der Patienten führen würde. Die Bundesregierung hat diese Warnung lange Zeit ignoriert. Im Spätherbst gelang es den Apothekern allerdings, die politischen Repräsentanten der Bundesländer zu überzeugen. Diese brachten über den Bundesrat Änderungsanträge zur Gesundheitsreform ein. Einem Teil der Anträge stimmte die Bundesregierung nun zu und damit auch den meisten Anträgen zur Arzneimittelversorgung.
Zuzahlung bleibt unverändert
Mit der Höchstpreisverordnung hat sich die Bundesregierung von ihrem Plan verabschiedet, die Patientenzuzahlung zum Marketinginstrument zu degradieren. Apotheker hätten ihren Patienten dann einen Teil der Zuzahlung erlassen können, um mehr Kunden in ihre Apotheke zu locken. Wie die Höchstpreisverordnung hätte auch der Zuzahlungsverzicht selektiv nur einzelnen großen Apotheken einen Vorteil verschafft.
Ebenfalls deutlich entschärft wurde die Rabatthaftung der Apotheker. Ursprünglich sollten sie Rabattverträge mit der Pharmaindustrie abschließen, die den Krankenkassen 500 Millionen Euro Einsparungen bringen sollten. Für den am Jahresende fehlenden Betrag sollten die Apotheker insgesamt geradestehen.
Wie stark die vier großen Regionaldemonstrationen von Apothekenangestellten und -leitern im vergangenen November die aktuelle Entscheidung beeinflusst haben, lässt sich natürlich nicht genau sagen. Sicher ist aber jetzt, dass sie garantiert nicht nutzlos waren.
Völlig falsch liegen allerdings einige Politiker der Oppositionsparteien, die nun behaupten, die Regierung sei vor Apothekern, Ärzten und anderen Interessensgruppen im Gesundheitswesen eingeknickt. Ungeschoren sind die Pharmazeuten und ihre Angestellten keineswegs davongekommen. Mit der Gesundheitsreform soll der Rabatt, den die Apotheker den Krankenkassen gewähren müssen, von 2 Euro auf 2,30 Euro pro Packung erhöht werden. Die deutschen Apotheken geben pro Jahr rund 540 Millionen Packungen verordnete Arzneimittel ab. Der höhere Rabatt kostet die Branche damit immerhin etwa 160 Millionen Euro. Das bedeutet einen Ertragsrückgang pro Apotheke von rund 8000 Euro.
Angesichts des bisherigen Gezerres um die Gesundheitsreform ist natürlich keineswegs sicher, ob das Gesetz tatsächlich so verabschiedet wird. Aktuell diskutiert die Bundesregierung mit einigen CDU-Bundestagsabgeordneten darüber, ob die Regelungen zur privaten Krankenversicherung verfassungsgemäß sind. Die Regierung hat sich darauf geeinigt, dass die Privatversicherer einen relativ günstigen Basistarif anbieten müssen. Freiwillig Versicherte dürfen während eines bestimmten Zeitraums ebenso wie die bisher zu anderen Tarifen privat Versicherten in diesen Basistarif wechseln. Dieser ist allerdings so günstig, dass er wohl nicht die Kosten der Versicherungen deckt und ihnen damit gesetzlich verordnete Verluste beschert. Ob dies der Verfassung entspricht, soll nun noch geklärt werden. Ebenfalls verfassungsrechtlich zweifelhaft ist die geplante Regelung, dass über Steuern nur die Kinder von gesetzlich Krankenversicherten bezahlt werden sollen, Privatversicherte für ihre Kinder aber weiterhin selbst bezahlen müssen.
Wie es nun exakt weitergeht, lässt sich noch nicht prognostizieren. Die Bundesregierung setzt weiter darauf, dass die Reform zum 1. April in Kraft tritt. Sollten die Zweifel an der Verfassungskonformität allerdings nicht ausgeräumt werden können, ist eine Verschiebung wahrscheinlich. Die Bundesregierung dürfte kaum daran interessiert sein, dass Bundespräsident Horst Köhler ein weiteres Gesetz wegen Verfassungsbedenken nicht unterschreibt.
E-Mail des Verfassers:
ruecker(at)govi.de