Wenn Magen und Darm aus dem Lot geraten |
30.01.2007 09:08 Uhr |
Wenn Magen und Darm aus dem Lot geraten
von Annette van Gessel und Ute Zellmayer, Isny
Eine Vielzahl von Krankheiten bringt das komplexe System des Magen-Darm-Trakts aus dem Gleichgewicht. Fast täglich fragen Kunden in der Apotheke nach einem Präparat gegen Sodbrennen, Magenschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Dann müssen PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch klären, ob eine harmlose Befindlichkeitsstörung vorliegt, die der Betroffene selbst behandeln darf, oder ob er den Arzt aufsuchen muss.
Schätzungsweise jeder dritte Deutsche leidet gelegentlich unter Sodbrennen, dem Leitsymptom der Refluxkrankheit. »Sodbrennen gehört eigentlich zu den harmlosen Befindlichkeitsstörungen«, informierte Professor Dr. Wolfgang Rösch, ehemaliger Chefarzt der Medizinischen Klinik am Krankenhaus Nordwest, Frankfurt am Main, die Zuhörerinnen der PTA-Fortbildung in Isny. Innerhalb der letzten 15 Jahre habe sich die Prävalenz dieses Symptomenkomplexes in Nordamerika und Europa verzehnfacht. Diese Tatsache führte der Mediziner auf zwei Faktoren zurück: Zum einen habe sich die Diagnose verbessert, zum anderen sei das Bewusstsein der Patienten gewachsen. Während früher Refluxbeschwerden eher »Männersache« war, hätten die Frauen im Jahr 2002 die Männer überholt.
Die Refluxkrankheit ist eigentlich ein Phänomen des Alters, die Prävalenz steigt ab dem 50. Lebensjahr an. »Mit den Jahren leiert die Dichtung aus«, umschrieb Rösch anschaulich den Prozess. Der untere Sphinkterdruck des Ösophagus nähme mit den Jahren ab. Bei »Tagrülpsern« treten die Refluxbeschwerden vorwiegend direkt nach dem Essen auf. Viele Betroffene seien übergewichtig, äßen zu viel und zu fettig. »Nachtbrenner haben einen feuerspeienden Drachen im Magen.« Bei diesen Patienten tritt das Sodbrennen fast ausschließlich dann auf, wenn sie im Bett liegen. Daher haben die meisten Einschlaf- oder Durchschlafprobleme.
Problematisch sei in beiden Fällen die aufsteigende Säure. Viele unterschätzten das zerstörerische Potential der Magensäure. »Die Magensäure löst innerhalb von 24 Stunden sogar Rasierklingen auf.« Die Schmerzen beim Sodbrennen entstehen durch die frei gelegten Nervenendigungen in der Schleimhaut.
Allerdings wissen Fachärzte auch, dass vor allem die Heftigkeit der Beschwerden darüber entscheidet, wie sehr die Schleimhaut angegriffen ist. Bei zwei Drittel der Patienten sei die Speiseröhre unverändert, was Mediziner als nicht-erosive Refluxkrankheit (NERD) bezeichnen. Beim verbleibenden Drittel sei die Schleimhaut ulcerös oder erosiv im Sinne einer Refluxösophagitis verändert, kurz ERD genannt. Eine ERD ist immer Ausdruck einer langjährigen Refluxkrankheit mit starken Symptomen.
Heiserkeit als Zeichen
Häufig berichten die Patienten in der Apotheke, sie seien morgens nach dem Aufwachen heiser oder müssten husten. Dann hätten sie wahrscheinlich während der Nacht zurückfließenden Magensaft eingeatmet, erklärte der Mediziner. Ständige morgendliche Heiserkeit könne auf eine schwere Erkrankung hinweisen und bedürfe unbedingt der diagnostischen Abklärung durch einen Arzt, mahnte Rösch.
Da die meisten Patienten erst dann einen Arzt aufsuchen, wenn sie mit den Medikamenten aus der Selbstmedikation nicht mehr zufrieden sind, komme dem Beratungsgespräch in der Apotheke eine wichtige Rolle zu. Für die Therapie gelegentlicher Beschwerden reichten Antazida aus, da sie rasch Linderung verschaffen. Etwa 1 Prozent der Patienten leide täglich unter Refluxsymptomen, schätzungsweise 3 Prozent mehrmals wöchentlich und etwa 1 Prozent entwickeln ein Magengeschwür. Die Behandlung dieser Patienten gehöre unbedingt in die Hand des Arztes.
Strategien gegen Sodbrennen
Um die Probleme mit ihrem sauren Magen zu lindern, verfolgen viele Patienten zusätzliche Strategien: 46 bis 53 Prozent ändern ihre Ess- und Trinkgewohnheiten, 7 bis 11 Prozent ihre Arbeitsweise und 4 bis 13 Prozent ihr Sexualleben.
Schätzungsweise 70 Prozent der Patienten sind übergewichtig. Bei diesen sei die Gewichtsreduktion die wichtigste Maßnahme, empfahl Rösch. »Raten Sie Ihren Patienten, sich auf die linke Seite zu drehen und das Kopfteil des Bettes 10 bis 20 cm zu erhöhen.« Untersuchungen hätten ergeben, dass Menschen, die bevorzugt auf der rechten Seite schlafen, doppelt so häufig unter Sodbrennen leiden als »Linksschläfer«. Ein weiterer guter Rat sei, drei Stunden vor dem Zubettgehen nichts mehr zu essen. Manchen Patienten helfe auch eine Tasse Kamillentee, zwei- bis dreimal täglich jeweils schluckweise getrunken.
Soforthilfe Antazida
Gegen das Hauptsymptom sind zahlreiche Arzneimittel im Handel, die sich in Wirkmechanismus und Wirkdauer unterscheiden. Antazida erzielen kurze Effekte innerhalb weniger Minuten, H2-Blocker eignen sich am besten für »Nachtbrenner«, da ihre Wirkung einige Stunden anhält, Protonenpumpenhemmer wirken je nach Arzneistoff ein bis zwei Tage.
PTA oder Apotheker sollten Patienten zunächst ein Antazidum empfehlen, danach erst einen H2-Blocker. Bei Reflux haben sich vor allem die Schichtgitterantazida bewährt, so Rösch. Gegen Sodbrennen in der Schwangerschaft empfahl der Mediziner Ranitidin oder Omeprazol. Weltweit lägen mit diesen Substanzen die meisten Erfahrungen vor. Es gäbe keinerlei Hinweis auf eine teratogene Wirkung.
Bei ständig wiederkehrenden Beschwerden muss ein Arzt die Therapie durchführen. »Mit Protonenpumpenhemmern dreht er den Haupthahn zu«, so Rösch. Klagt der Patient nach Beendigung der Therapie innerhalb von circa acht Wochen über erneute Beschwerden, wird eine Langzeittherapie mit Protonenpumpenhemmern wie Nexium® mups 20 mg oder Antra® mups 10 mg erforderlich.
Lebensmittel: Süßigkeiten, Torten, schwere Mahlzeiten, vor allem abends, Wurstbrote oder Chili-Gerichte
Getränke: Kaffee, Sekt (wenn die Kohlensäure aufsteigt, steigt die Säure mit), Wein, Fruchtsäfte (Fruchtsäure verstärkt das Sodbrennen)
Lebensstil: zu enge Kleidung, langes Autofahren (Lastwagenfahrer haben häufig Sodbrennen), Übergewicht, Nikotin, Stress (die Magenentleerung wird verzögert, das Problem liegt wie ein Stein im Magen)
Sportliche Aktivitäten: Marathonlauf (ab dem fünften Kilometer beginnt das Sodbrennen), Lasten heben, körperlich anstrengende Arbeit, zum Beispiel Gartenarbeit
Medikamente: Asthmamittel wie Theophyllin, Antihypertonika wie Calcium-Antagonisten (schwächen den Sphinkter), Analgetika wie ASS oder NSAR
Die Entdeckung des Helicobacter pylori (Hp) hat die Vorstellung der Mediziner über die Entstehung einer Magenschleimhautentzündung einschneidend verändert. Schätzungsweise über 50 Prozent der Weltbevölkerung sind mit Hp infiziert, in Deutschland etwa 25 Prozent. Da Gastroenterologen davon ausgehen, dass die Bakterien immer eine Entzündung verursachen, müssten etwa ein Viertel aller Deutschen an einer Gastritis erkrankt sein, folgerte Professor Dr. Hans Dieter Allescher, Chefarzt der Abteilung Gastroenterologie am Klinikum Garmisch-Partenkirchen. Diese Zahl sei reine Theorie, kommentierte der Gastroenterologe.
Nicht jeder Infekt macht krank
Nach der Sydney Klassifikation von 1990 unterteilen Mediziner die Gastritis nach drei Kriterien: nach der Entstehung (A = autoimmun, B = bakteriell und C = chemisch), nach dem Zeitverlauf (akut oder chronisch) sowie nach der Ausdehnung der Entzündung (Antrum-, Korpus- und Pangastritis). Mit 80 bis 90 Prozent nimmt die Typ-B-Gastritis, die bakterielle Form, den größten Anteil ein. In etwa 3 bis 6 Prozent der Fälle liegt Typ A vor, die Autoimmun-Gastritis. Die Typ-C-Gastritis wird beispielsweise ausgelöst durch Medikamente wie NSAR, Alkohol oder zu viel Gallensäure. Ihr Anteil liegt zwischen 7 und 15 Prozent. Seit ihrer Entdeckung haben Wissenschaftler die Helicobacter-pylori-Bakterien intensiv untersucht.
Die Forscher interessierten sich vor allem für die Überlebensstrategie der Bakterien in dem stark sauren Magenmilieu. Hp haben sich perfekt auf ihre Umgebung eingestellt: Mit einem speziellen Enzym spalten sie die Magensäure, neutralisieren sie und sichern somit die eigene Existenz. Haben sich Helicobacter-pylori-Bakterien in der Magenschleimhaut angesiedelt, lassen sich zwei Effekte beobachten: Zum einen erhöht sich die Zahl der Granulozyten in der Magenmucosa, und zum anderen sammeln sich dort vermehrt Lymphozyten an. Durch die bakteriell bedingte Entzündung der Magenschleimhaut verändert sich das Gewebe. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Typ-B-Gastritis vielfache Risiken birgt: das Risiko eines Magengeschwürs (Ulcus ventriculi), eines Zwölffingerdarmgeschwürs (Ulcus duodeni), eines Magenkarzinoms sowie eines MALT-Lymphoms, eines bösartigen Tumors. »In frühen Stadien dieses Tumors ist die Eradikation von Helicobacter pylori die Therapie der Wahl«, so Allescher.
Ein Ulcus duodeni entsteht bei Magenausgang(Antrum)-Gastritis, ein Ulcus ventriculi bei Magenkorpus-Gastritis, die Pan-Gastritis führt zum Magenkarzinom. Alle drei Erkrankungen lassen sich diagnostisch unterscheiden: Bei einem Ulcus duodeni steigt die Säuresekretion, bei einem Ulcus ventriculi sinkt sie, bei einem Magenkarzinom ist sie unverändert.
Ulcus ventriculi sind in aller Regel direkte Folgeerscheinungen der Hp-Infektion. Während früher auch Ulcus duodeni zu 95 Prozent mit einer Infektion assoziiert waren, werden heute etwa die Hälfte der Geschwüre durch NSAR ausgelöst, berichtete Allescher. »Von 1000 mit NSAR behandelten Patienten entwickeln etwa 100 ein Ulcus, 10 bluten, und 1 Patient stirbt an der Blutung. Zur Ulcusprophylaxe verordnen viele Ärzte zum hochdosierten NSAR begleitend einen Protonenpumpenhemmer (PPI) wie Omeprazol oder Pantoprazol und eradizieren die Hp-Bakterien.
Therapie nur bei Symptomen
»Ein Arzt sollte seine Patienten nur dann auf Helicobacter-pylori-Bakterien testen, wenn er auch eine Behandlung plant. Ich bin Gegner einer generellen Eradikation«, bezog der Gastoenterologe eindeutig Stellung. Zwar schützt die Eradikation der Bakterien vor einem Magenkarzinom, doch andererseits schützt Helicobacter pylori vor einem Speiseröhrenkarzinom, dem Barret-Karzinom. Eine Eradikation von Helicobacter pylori sei sinnvoll bei Patienten mit einem Ulcusleiden und zur Prophylaxe eines Magenkarzinoms, wenn eine familiäre Disposition vorliegt.
Die Standardtherapie zur Eradikation ist die modifizierte »Italienische Tripeltherapie«: Der Patient muss sieben Tage lang zweimal täglich eine Standarddosis eines PPI, zweimal 500 mg Clarithromycin und zweimal täglich 400 mg Metronidazol einnehmen. Der Therapieerfolg liegt bei über 90 Prozent, so Allescher.
Problematisch sei die zunehmende Resistenzentwicklung der Hp-Stämme gegen Metronidazol und Clarithromycin. Gegen Metronidazol resistent sind inzwischen über 50 Prozent der Hp-Stämme bei den Bewohnern der Mittelmeergebiete. Im französischen Tripelschema ersetzt Amoxicillin das Metronidazol. Das am häufigsten eingesetzte Reserveschema ist die sogenannte Quadrupeltherapie, die sich aus einem PPI (zweimal die Tagesdosis), einem Wismutsalz, Tetrazyklin (viermal 500 mg) und Metronidazol (dreimal 400 mg) zusammensetzt.
Auch bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie ist die Eradikation umstritten. Unter einer funktionellen Dyspepsie leiden etwa ein Fünftel der Patienten mit Oberbauchbeschwerden. Bei dieser Erkrankung hätten sich Prokinetika wie Domperidon als sinnvoll erwiesen, so der Gastroenterologe. »Antazida sind die falsche Empfehlung. In der Anfangsphase helfen H2-Blocker.« Er berichtete, dass PPI die Beschwerden nur in etwa 7 Prozent der Fälle linderten. Als geeignetes Phytopharmakon nannte er Iberogast®. Desweiteren sinnvoll seien der Wirkstoff Simeticon (wie in Lefax®) die Kombination aus Pefferminz- und Kümmelöl sowie die Hyno- und die Psychotherapie.
Verdauungsmärchen
»Die chronische Obstipation ist eine Crux für den Patienten und den Arzt«, eröffnete Professor Dr. Achim Weizel, Internist und ehemaliger Chefarzt des Diakoniekrankenhauses Mannheim seinen Vortrag. Immer noch prägten zahlreiche Mythen das Denken und Handeln der Betroffenen, obwohl Wissenschaftler die meisten Ansichten eindeutig als Vorurteile entlarvt haben (siehe Kasten).
In vielen Köpfen hält sich hartnäckig ein Mythos aus dem Jahr 1775. Damals verkündete der schweizerische Physiologe Albrecht von Haller, Obstipation führe zu einer Vergiftung des Organismus. »Das ist totaler Unsinn!«, kommentierte Weizel diese Meinung. »Kein Bestandteil des Stuhls ist toxisch!« Es bestünde keine physiologische Notwendigkeit, täglich den Stuhl zu entleeren. »Machen Sie Ihren Kunden bitte zuallererst folgendes klar: Man muss nicht täglich müssen!«, forderte Weizel die Zuhörerinnen auf. Die Transitzeit der Nahrung durch den Magen-Darm-Trakt sei individuell sehr unterschiedlich. Sie kann 30, aber auch 120 Stunden betragen.
Von einer Obstipation sprechen Mediziner dann, wenn die Stuhlfrequenz über einen längeren Zeitraum weniger als dreimal pro Woche beträgt. Sie unterscheiden zwischen der verzögerten Passage, auch Slow-Transit-Obstipation genannt, und der verzögerten Entleerung, der Outlet-Delay-Obstipation. Die verzögerte Passage bereitet den Betroffenen selten Beschwerden und wird üblicherweise nicht behandelt. Die verzögerte Entleerung ist durch zu seltenen, zu wenig, zu harten und zu schmerzhaften Stuhlgang gekennzeichnet und muss in den meisten Fällen therapiert werden. Je härter der Stuhl wird, umso größer wird die Gefahr, dass sich Kotsteine bilden. »Bei bettlägerigen Patienten müssen Krankenschwestern diese oft manuell entfernen«, berichtete der Internist.
Statistisch betrachtet sind vor allem Frauen und alte Menschen von Obstipation betroffen. Viele Patienten scheuen den Gang zum Arzt und wenden sich zuerst an PTA oder Apotheker. Doch vor jeder Selbstmedikation einer chronischen Verstopfung müsse grundsätzlich ein Arzt abklären, ob der Störung eine organische Ursache zugrunde liegt. Die Obstipation könne durch Veränderungen im Darm wie Tumore oder Fisteln bedingt sein. Auch Erkrankungen wie Tuberkulose oder Hypothyreose sowie Medikamente kommen als Auslöser in Frage. Zu den Arzneimitteln zählen Antihypertensiva, Ca-Antagonisten, Antidepressiva, Antiepileptika, Neuroleptika, Opiate und Parkinson-Medikamente.
»Wie sollten Sie in der Praxis vorgehen?«, wandte sich Weizel an die PTAs. Zunächst im Gespräch mit dem Kunden dessen individuelles Problem erfragen. Je nach Situation müssten sie ihn an den Arzt verweisen. Falsche Ansichten und Vorurteile sollten sie korrigieren. Die einzige Schädigung, die bei Dauergebrauch von Abführmittel auftreten könne, sei die Hypokaliämie, so Weizel. »Hypokaliämie kann Muskeln lähmen und damit auch den Darm.«
Fachlicher Rat für die Praxis
Patienten, die regelmäßig unter Verstopfung leiden, sollten zunächst ihre Ernährung umstellen und einen Versuch mit mehr Ballaststoffen machen. Ballaststoffe gehörten zwar grundsätzlich zu einer gesunden Ernährung, doch in Zeiten des Fast-Food vernachlässigten viele Menschen diese Erkenntnis. Durch die Darmbakterien nicht spaltbare Nahrungsbestandteile binden Wasser und erhöhen so das Stuhlvolumen. Bei gemischter Kost betrage das Stuhlvolumen pro Tag etwa 200 Gramm, so Weizel. Manche Menschen schwören darauf, ein Glas kalten Wassers direkt nach dem Aufstehen bringe ihren Darm in Schwung. Das kalte Wasser löse vermutlich einen Reflex zwischen Magen und Dickdarm aus, als genereller Tipp eigne sich diese Empfehlung jedoch nicht. Auch mehr Bewegung bringe häufig nicht den gewünschten Effekt. Stuhlgangtraining könne helfen: Dann muss der Patient immer zur selben Zeit versuchen, seinen Darm zu entleeren. Wenn der Erfolg all dieser Maßnahmen ausbleibt, müssten die Betroffenen Laxantien einnehmen.
Entwarnung für Laxantien
»Die Verteufelung der Laxantien vor 30 Jahren war falsch. Häufig sind Laxantien unverzichtbar«, bezog der Internist eindeutig Stellung. Der Markt biete eine Vielzahl unterschiedlicher Arzneimittel, unter denen PTA oder Apotheker das für den individuellen Fall geeignete auswählen müssen. Als osmotisch wirksame Laxantien empfahl Weizel Zuckeralkohole wie Lactulose. Bei langsamem Transit sei die Substanz jedoch unwirksam. Wenn die Patienten Lactulose zum ersten Mal einnehmen, müssten sie in der Apotheke unbedingt auf die vermehrte Gasbildung hingewiesen werden.
Als antiresorptiv und sekretagog wirksam nannte er die Anthrachinone und wies darauf hin, dass Sennoside weder die Nerven schädigen noch karzinogen seien. Einen festen Platz hätten die Stimulantien vom Typ des Bisacodyl und Natriumpicosulfats, sie wirkten zuverlässig und seien nebenwirkungsarm. »Macrogole halte ich im Moment für die Langzeitanwendung am besten geeignet«, so der Internist. Macrogole besäßen den Vorteil, dass sie nicht systemisch absorbiert werden, im Darm kein Gas entsteht, ihre Wirkung allmählich eintritt und bei längerer Anwendung erhalten bleibt. Die Wirksamkeit dieser Präparate sei gut untersucht. Macrogol eigne sich vor allem bei Stuhlverhärtung. »Ich bin ein großer Freund von Klysmen«, ergänzte Weizel. Sie eigneten sich hervorragend für Patienten mit gelegentlichen Problemen.
Entzündliche Darmerkrankungen
Über die entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn referierte Professor Dr. med. Hans Jörg Steinhardt, Leiter der Inneren Abteilung der Oberschwabenklinik, Krankenhaus Wangen. Beide Erkrankungen würden durch Entzündungen im Magen-Darm-Trakt hervorgerufen und verliefen schubartig, berichtete der Gastroenterologe. Die Colitis ulcerosa geht vom Mastdarm aus und kann sich von dort auf alle Abschnitte des Dickdarmes ausdehnen. Sie macht sich vor allem durch Blut im Stuhl bemerkbar, gefolgt von Durchfällen, Bauchschmerzen und Gewichtsverlust. Morbus Crohn befällt dagegen Bereiche im gesamten Magen-Darm-Trakt. Betroffenen schmerzt der Bauch, sie haben Durchfälle und verlieren an Gewicht. Fieber, eine Anämie und Fisteln treten oft begleitend auf. Bei beiden Erkrankungen besteht nach langjährigem Verlauf das Risiko, dass sich Dickdarmtumore entwickeln.
Der Referent erläuterte: »Die Häufigkeit beider chronisch entzündlichen Darmerkrankungen liegt bei 20 bis 40 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Jährlich kommen 2 bis 9 Menschen neu hinzu, insbesondere junge Menschen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr.« Bis die Erkrankung eindeutig diagnostiziert ist, vergeht oft zu viel Zeit. Zur Diagnose dienen den Medizinern Darmspiegelungen, Ulltraschalluntersuchungen und die radiologische Dünndarmdiagnostik.
Viren oder Nahrung als Auslöser
Die genauen Ursachen beider Erkrankungen sind noch nicht bekannt. Studien haben gezeigt, dass eine genetische Veranlagung besteht. Externe Umweltfaktoren wie Viren, vielleicht Masern, Bakterien- oder Nahrungsbestandteile scheinen dann in der Darmwand als Antigene einen immunologischen Prozess anzustoßen, der sich selbst unterhält und schließlich aus dem Ruder läuft. In dessen Verlauf zerstören entzündungsfördernde Botenstoffe die Darmschleimhaut und beim Morbus Crohn sogar tiefere Wandschichten. Das fehlgesteuerte Immunsystem richtet sich unter Umständen auch gegen die Gelenke, die Augen, die Haut, die Gallengänge und die Leber, es kommt zu sogenannten extraintestinalen Manifestationen.
Klysmen gegen Colitis ulcerosa
Beide Erkrankungen sind derzeit nicht heilbar. Durch Arzneimittel versuchen die Ärzte neue Schübe (Rezidive) zu verhindern, sodass die Symptome mit der Zeit vollständig nachlassen (Remission). Je nach Aktivität der Krankheit und der Lokalisation der Entzündung setzen sie Salicylate oder systemische Kortikoide ein. Bei leichten Beschwerden genügen oft lokal wirkende Steroide. Eine Colitis ulcerosa wird häufig sehr gut mit Klysmen und Einläufen von Salicylaten behandelt. Sind die Verläufe dagegen schwer, verordnet der Arzt Immunspressiva wie Methotrexat oder Azathioprin, das sich durch ein günstigeres Nebenwirkungsprofil von den anderen Arzneistoffen unterscheidet. TNF-alpha-Antikörper wie Infliximab gelten in besonders schweren Fällen als hochwirksame Reservemedikamente, haben aber viele Nebenwirkungen. Falls Antibiotika benötigt werden, sind Metronidazol und Ciprofloxacin Mittel der Wahl.
Nach vielen Jahren der Erkrankung werden oft Operationen notwendig. »Bei rund 80 Prozent der Patienten mit Morbus Crohn lassen sich Ops nicht vermeiden«, berichtete Steinhardt. Durch die komplette Entfernung des Dickdarms heilt bei Patienten die Colitis ulcerosa meist aus, aber nicht unbedingt die extraintestinalen Manifestationen.
Trinknahrungen bei Gewichtsverlust
Was können PTAs und Apotheker zur Beratung der Patienten beitragen? Die Zufuhr probiotischer Präparate oder Lebensmittel hat keinen relevanten Einfluss auf die Erkrankung. Nimmt der Patient über lange Zeiträume hinweg Kortikoide ein, sollte er zur Osteoporose-Prophylaxe Calcium und Vitamin D3 substituieren. Zur Vorbeugung eines zu massiven Gewichtsverlustes sind Trinknahrungen als Nahrungsergänzung empfehlenswert.
In der Selbstmedikation sollten Betroffene keinesfalls Schmerzmittel vom Typ der nicht steroidalen Antirheumatika einnehmen, da diese neue Schübe auslösen können. Schmerzen lassen sich stattdessen mit verschreibungspflichtigen Opiaten bekämpfen. Rauchen verschlimmert das Krankheitsbild des Morbus Crohn erheblich.