Der Arbeitstag einer PTA |
31.01.2008 09:51 Uhr |
Der Arbeitstag einer PTA
Christina Jäger, Bremen
Warum habe ich zwei Jahre lang bis spät in die Nacht Chemie und Arzneimittelkunde gelernt?, sinniert die PTA, als sie frühmorgens zwischen der Reparatur des Faxgerätes und der Organisation des Botendienstes hin und her gerissen ist. Ihre Kenntnisse in Pharmakologie, Physik, Chemie und Biologie hat sie heute noch nicht gebraucht. Aber der Tag ist noch jung, vielleicht wird ihre fachliche Kompetenz doch noch benötigt.
Sie versucht ihr Glück bei dem ersten Kunden. Ein junger, gut aussehender Mann betritt die Apotheke und hält einen Brief in der Hand. Die PTA stellt sich auf ein Beratungsgespräch ein, doch der Patient hat ein anderes Anliegen. Er schiebt ihr kommentarlos einen Glückwunschbrief zu seinem Geburtstag über den HV-Tisch und schaut sie böse an. Der Absender des Briefes ist die Apotheke. Die PTA fragt zögerlich, ob ihm der Brief nicht gefällt. »Genau«, erwidert der Mann. »Erstens finde ich das Motiv auf der Karte hässlich, und zweitens heiße ich nicht Frau Müller. So viel Zeit muss sein.«
Als die PTA die Anrede liest, bemerkt sie auch den Fehler und entschuldigt sich bei Herrn Müller für das Versehen. Höflich weist sie ihn darauf hin, dass der Geburtstagsgruß als nette Botschaft gemeint war. Der Fehler bei der Anrede sollte diese Geste nicht schmälern. Doch leider können ihre Worte den aufgebrachten Kunden nicht beruhigen, und er verlässt beleidigt die Apotheke.
Nach dem missglückten Gespräch wünscht sich die PTA eine kleine Verschnaufpause, die ist ihr jedoch nicht gegönnt. Eine Kollegin kommt mit dem Telefonhörer in der Hand auf sie zugerannt. »Die Chefin aus der Hauptapotheke möchte mit Dir über die Frühlingsdeko sprechen.«
Schaufensterdeko vergessen
Der PTA schwirrt der Kopf. Die Schaufensterdekoration! In der Hektik der letzten Tage hat sie sich darüber noch keine Gedanken gemacht, geschweige denn das Dekorationsmaterial eingekauft. Mit dem Telefonhörer in der Hand geht sie ins Labor, um sich in Ruhe mit ihrer Chefin unterhalten zu können. Sie verspricht ihr, sich heute im Laufe des Tages mit der Gestaltung des Schaufensters zu beschäftigen.
Sie hat gerade erst den Hörer auf die Ladestation gelegt, da ruft die Filialleiterin: »Frau May, haben wir nun einen Boten für heute Abend oder nicht?« Die PTA erschrickt, denn den Boten hat sie komplett vergessen. Der Schüler, der sonst die Botengänge macht, hatte um 8.30 Uhr angerufen und abgesagt. Er möchte heute Abend lieber seine Mannschaft bei einem wichtigen Handballspiel unterstützen, statt für die Apotheke Medikamente auszutragen. Frau May sagt zu, sich sofort darum zu kümmern. Glücklicherweise erreicht sie direkt den älteren Herrn aus der Nachbarschaft, der früher die Botendienste erledigt hat. Zu ihrer Freude sagt er zu, abends auszuhelfen.
Danach begibt sich die PTA erneut an das Faxgerät, um zu prüfen, wo die Störung liegen könnte. Mit ihrer Fehleranalyse kommt sie nicht weit, denn ihre Hilfe wird im Handverkauf gebraucht: Eine Kundin möchte zu den apothekenexklusiven Lippenstiften beraten werden.
Als weitergebildete Fach-PTA Dermopharmazie kennt sich Frau May mit der apothekenexklusiven Kosmetik im Apothekenteam am besten aus. Während sie ins Gespräch vertieft ist, rückt eine andere Kundin immer näher. »Haben Sie auch Proben?«, unterbricht die Dame plötzlich das Beratungsgespräch. In dieser etwas heiklen Situation kommt die an Kosmetik interessierte Kundin Frau May zu Hilfe: »Würden Sie bitte warten! Sie sind doch noch gar nicht dran!«
Immer tapfer lächeln
Nachdem die erste Kundin den ausgewählten Lippenstift bezahlt hat, widmet sich Frau May der Frau, die eine Probe wünschte. Auf die Frage, welches Kosmetikprodukt sie denn gerne testen möchte, folgt ein Schweigen. Frei nach dem Motto »Die kann man im Winter immer gebrauchen« wählt die PTA eine Handcreme aus und verpackt sie in einem Stoffbeutel mit Apothekenlogo. Die Kundin scheint an diesem Tag mit dem falschen Bein aufgestanden zu sein, denn sie reagiert entrüstet: »Haben Sie denn keine Plastiktüten mehr?« Nachdem Frau May die Probe umgepackt hat, schenkt sie der Frau tapfer ein Lächeln und verabschiedet sie.
Nun ist endlich Zeit für die Aufgabe, die die PTA sich für diesen Tag vorgenommen hat. In ihrer Funktion als QMS-Änderungsbeauftragte bittet sie die Kolleginnen um Verbesserungsvorschläge für das Bearbeiten von Kundenreklamationen. Alle sind damit einverstanden, dass sie morgen Mittag im Team dieses Problem besprechen. Ihre eigenen Gedanken zu dieser Frage unterbricht die PKA. Sie informiert die Kolleginnen, dass der Fensterputzer darum bittet, die Schaufenster auszuräumen. Er könne sonst die Scheiben nicht ordentlich putzen. Die PTA atmet einmal kurz durch und ermutigt sich selbst, indem sie sich sagt: Drei Dinge gleichzeitig schaffe ich doch mühelos, warum nicht auch mal fünf.
Zwischendurch ein Vertreter
Also hilft sie der PKA beim Ausräumen der Fenster. Doch ihre Hilfe ist nicht von langer Dauer: Ein Außendienstmitarbeiter betritt die Apotheke und möchte Frau May sprechen. Er ist zwar nicht angemeldet, erklärt aber ganz freundlich, er wäre gerade in der Nähe gewesen und hatte spontan gedacht, einmal vorbeizuschauen. Er möchte die PTA über die neuen Produkte aus seinem Haus informieren und anschließend die Bestellung der Apotheke aufnehmen.
Nun ist es bereits 13.00 Uhr, und die PTA fragt sich erneut: Wo bleibt die pharmazeutische Herausforderung des heutigen Tages? Doch sie hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, denn einige Arbeitsstunden liegen noch vor ihr. Da kommt die PTA-Praktikantin auf sie zu und bittet sie, ihre Praktikumsmappe durchzusehen, bevor die Chefin sie liest. Frau May schlägt die Mappe auf und ihr Herz schlägt schneller. Zwei Kurzaufsätze über Analgetika und Antihypertonika springen ihr sofort ins Auge. Außerdem findet sie Monographien über chemische Substanzen, Rezepturen und Defekturen, eine Alkoholberechnung und Zeichnungen von der mikroskopischen Prüfung der Kamillenblüten. Über Frau Mays Gesicht huscht ein Lächeln. Sie schaut die PTA-Praktikantin an und sagt ihr, dass sie die Praktikumsmappe sehr gerne durchlesen und prüfen wird, ob sie Fehler findet.
In diesem Moment betritt ein älterer Herr die Offizin. Als Frau May ihn freundlich begrüßt, legt er ein Blutdruckmessgerät auf den HV-Tisch. Er möchte das Gerät überprüfen lassen, weil er den Verdacht hat, dass die Messergebnisse falsch sind. »Wann haben Sie das Gerät bei uns gekauft?«, erkundigt sich die PTA. Der Kunde blickt sie verständnislos an: »Gekauft? Bei Ihnen? Bei Ihnen sind die Geräte viel zu teuer. Ich habe das Gerät bei einem günstigeren Anbieter gekauft.« Die PTA muss schlucken, bei so viel Dreistigkeit fehlen ihr die Worte. Dennoch bietet sie ihm eine Vergleichsmessung mit dem Apothekengerät an.
Der Kunde ist König
Im Beratungsraum erklärt sie ihm ausführlich, worauf er bei der Messung achten muss. Der Mann hat ihr aufmerksam zugehört und bedankt sich bei ihr, dass sie sich so viel Zeit für ihn genommen hat. Die PTA freut sich über das erste kleine Erfolgserlebnis dieses Tages und hofft, einen neuen Stammkunden gewonnen zu haben. Ob ihr das gelang, wird die Zukunft zeigen.
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