Hilfen für eine erholsame Nacht |
30.01.2009 12:10 Uhr |
Hilfen für eine erholsame Nacht
von Brigitte M. Gensthaler
Viele Menschen leiden gelegentlich an Schlafstörungen. Sie können nicht ein- oder durchschlafen und wachen morgens wie gerädert auf. Wenn dies zum Dauerproblem wird und Schäfchenzählen nicht hilft, suchen sie häufig Rat in der Apotheke.
Ein Drittel seines Lebens verschläft der Mensch. In dieser Ruhezeit kann er sich körperlich, geistig und seelisch regenerieren. Doch der Schlafbedarf verändert sich im Lauf des Lebens. Während Säuglinge über den Tag verteilt insgesamt bis zu 16 Stunden im Land der Träume weilen, schlafen Erwachsene durchschnittlich 7,2 Stunden in der Regel nachts und wachen meist nur einmal pro Nacht auf. Es gibt Kurz- und Langschläfer, die zwei bis drei Stunden kürzer oder länger als der Durchschnitt ruhen.
Die meisten älteren Menschen schlafen nur noch vier bis fünf Stunden pro Tag. Da viele Senioren eine Mittagsruhe einlegen, wird der Nachtschlaf noch kürzer. Außerdem wachen auch gesunde alte Menschen in der Regel drei- bis fünfmal pro Nacht auf.
Laut einer Befragung schlafen Menschen in ländlichen Regionen am besten, während Großstadtbewohner mehr Probleme haben. Was stört den Schlaf am häufigsten? Professor Dr. Karen Nieber, Pharmakologin an der Universität Leipzig, nannte bei einem Symposium des Phyto-Netzwerks München zahlreiche Gründe. Bei mehr als einem Drittel der Patienten sind Depressionen, Angstneurosen und andere psychische Störungen die Hauptursache, bei knapp einem Viertel sind esOrganerkrankungen wie Diabetes, Schmerzen im Magen-Darm-Trakt oder nächtliche Atemnot (Schlafapnoe). Bei einem weiteren Viertel stören Stress, seelische Belastungen und langes Fernsehen die Nachtruhe. Bei 9 Prozent sind äußere Faktoren wie Lärm oder Schichtarbeit, bei 7 Prozent Alkohol, Drogen oder Arzneimittel im Spiel.
Arzneimittel als Störfaktoren
Die Liste der Arzneimittel, die einen erholsamen Schlaf verhindern können, sei lang, informierte Apotheker Marcus Neugebauer aus Westerstede. Dazu zählen beispielsweise Antibiotika wie Chinolone, Antidepressiva wie Trizyklika, MAO-Hemmer oder selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Bluthochdruckmittel, Asthmamedikamente wie Salbutamol, Parkinson-Medikamente wie Levodopa sowie einige Neuroleptika.
»Fragen Sie nach, wann der Patient seine Arzneimittel einnimmt«, empfahl Neugebauer. Wer Diuretika abends schluckt, muss nachts häufiger zur Toilette. Auch Antihypertensiva sollten nicht abends genommen werden. Beispielsweise können ACE-Hemmer Reizhusten hervorrufen, Betablocker können Magen-Darm-Störungen auslösen und Calciumantagonisten zu einem Anstieg der Herzfrequenz und Herzklopfen führen.
Schnarchen ärgert den Partner
Auch sogenannte Genussgifte stören den erholsamen Schlaf. Wer abends reichlich Kaffee trinkt und raucht, wird eher munter als müde. Alkohol wirkt zwar schlafanstoßend und muskelentspannend, verkürzt aber den REM-Schlaf in der zweiten Nachthälfte. »Das Schlafmuster ist bei Alkoholikern noch zwei Jahre nach dem Entzug gestört«, berichtete Neugebauer. Außerdem begünstigt Alkohol das Schnarchen, was mitunter den Partner mehr stört als den Schnarcher selbst. Menschen, die illegale Rauschdrogen konsumieren, haben oft erhebliche Schlafprobleme.
Bevor PTA oder Apotheker medikamentöse Maßnahmen empfehlen, sollten sie mit dem Kunden über seine persönliche Einstellung zum Schlafen und über seine Schlafgewohnheiten sprechen. Beispielsweise wissen viele nicht, dass die Schlafdauer mit den Jahren natürlicherweise sinkt. Oft helfen auch Tipps zur Schlafhygiene:
Bei leichteren Beschwerden reichen Phytopharmaka meist aus. Hopfen, Melisse, Lavendel oder Passionsblume haben sich seit langem bewährt. Es gibt aber kaum wissenschaftliche Studien, die die klinische Wirksamkeit belegen. Als Mittel der ersten Wahl gelten daher Baldrian-Präparate. Extrakte aus Valeriana officinalis wirkten auf mehrere Neurotransmittersysteme ein, die den Schlaf entscheidend mitbeeinflussen, berichtete Nieber.
In Laborversuchen unterscheidet sich das Wirkprofil der Extrakte je nach Extraktionsmittel, zum Beispiel Methanol oder Ethanol, erheblich. Dennoch sprächen Anwendungsbeobachtungen für vergleichbare Effekte in der Praxis, sagte die Pharmakologin.
Baldrian hoch dosieren
In Studien verkürzte das Phytopharmakon die Einschlafzeit, verbesserte die Schlafqualität und reduzierte das nächtliche Erwachen. Empfohlen werden Tagesdosen von etwa 600 mg Trockenextrakt, entsprechend 2 bis 3 g Droge. Der Effekt tritt nicht sofort, sondern erst nach zwei- bis vierwöchiger Therapie ein.
Pflanzliche Sedativa wirken beruhigend und erhöhen die natürliche Einschlafbereitschaft, ohne jedoch den Schlaf zu erzwingen. Sie stören den natürlichen Rhythmus des Schlafs nicht und sollen langfristig dessen Normalisierung fördern.
Besonders wichtig für Patienten, die bereits mehrere Arzneimittel nehmen: In der empfohlenen Dosierung haben Phytopharmaka kaum oder keine Nebenwirkungen und beeinflussen nicht die Wirkung anderer Arzneistoffe.
Antihistaminika nur kurzzeitig
Bei den chemisch-synthetischen Schlafmitteln stehen nur Antihistaminika der 1.Generation für die Selbstmedikation zur Verfügung. Dies sind Doxylamin und Diphenhydramin. Die Stoffe machen müde und fördern das Ein- und Durchschlafen.
Die Patienten sollten Antihistaminika etwa eine Stunde vor dem geplanten Einschlafen einnehmen und dürfen keineswegs nachts »nachlegen«. Denn die Wirkung kann lange anhalten und zu Müdigkeit am nächsten Morgen, dem sogenannten Hangover, führen. PTA und Apotheker sollten den Kunden darauf hinweisen, dass ein Hangover die Fahrtüchtigkeit vermindern kann. Außerdem können Nebenwirkungen wie Verstopfung und Störungen beim Wasserlassen auftreten. Patienten mit Prostataleiden, Engwinkelglaukom oder Epilepsie dürfen keine Antihistaminika nehmen.
Bei Dauergebrauch dieser Mittel drohe die Gefahr der Abhängigkeit, warnte Neugebauer. Daher sollte der Patient sie nur kurzzeitig und nicht zusammen mit Alkohol einnehmen.
Vorsicht Abhängigkeit
Alle anderen chemisch-synthetischen Schlafmittel sind verschreibungspflichtig. Die wichtigste Gruppe sind die Benzodiazepine, die sehr schnell und gut wirken. Weitere Pluspunkte: Sie dämpfen das Atemzentrum nicht und haben eine große therapeutische Breite. Zudem erreicht die Wirkung ab einer gewissen Dosierung ein Plateau; das heißt, dass die Wirkung bei weiterer Dosissteigerung nicht mehr zunimmt. Fachleute sprechen vom »Ceiling-Effekt«. Dies alles trägt dazu bei, dass man sich mit Benzodiazepinen nicht das Leben nehmen kann.
In der Therapie unterscheidet man kurz wirksame Einschlafmittel wie Lormetazepam oder Temazepam von län-ger wirksamen Durchschlafmitteln wie Oxazepam und Flunitrazepam. Lang wirksame Benzodiazepine wie Clobazam und Diazepam werden bei akuten und chronischen Angst- und Erregungszuständen eingesetzt. Als Schlafmittel verordnen die Ärzte diese Arzneisubstanzen nur, wenn die sedierende Wirkung auch am Tag erwünscht ist.
Benzodiazepine sollten auf jeden Fall nur kurzzeitig, das heißt wenige Wochen lang, eingenommen werden, da sie abhängig machen. Bei plötzlichem Absetzen drohen Schlafstörungen und Entzugssymptome. Da Benzodiazepine muskelentspannend wirken, erhöhen sie das Sturzrisiko. Dies ist besonders gefährlich für Senioren, die nachts aufstehen, weil sie beispielsweise zur Toilette müssen.
Die Hoffnung, dass die neueren Wirkstoffe Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon nicht abhängig machen, hat sich in der Praxis leider nicht erfüllt. Auch die »Z-Substanzen« könnten Absetzphänomene auslösen, berichtete Apotheker Neugebauer. Günstig: Sie wirken relativ kurz, was die Gefahr des Hangover verringert. Die Sturzgefahr ist eher gering. Manche Patienten bekommen einen metallisch-bitteren Geschmack im Mund.
Die innere Uhr regeln
Relativ neu in der Palette der Schlafförderer ist Melatonin, das in Deutschland als Arzneimittel in Retardform angeboten wird. Das körpereigene Hormon greift in den Schlaf-Wach-Rhythmus ein und beeinflusst die »innere Uhr«. Wissenschaftler sprechen daher von einem »Chronobiotikum«.
Viele Langstreckenreisende probieren Melatonin aus, um den Jetlag infolge der Zeitverschiebung abzumildern. Das ist zwar oft hilfreich, aber für diese Indikation ist retardiertes Melatonin in Deutschland nicht zugelassen. Das Arzneimittel erhielt nur eine Zulassung für die Therapie von Menschen ab 55 Jahren mit Schlafstörungen. Es dauert etwa drei Wochen, bis sich die Schlafphasen in der gewünschten Weise verschieben.
Schließlich gibt es noch eine Reihe weiterer Substanzen, die Ärzte in besonderen Fällen gegen Schlafschwierigkeiten verordnen. Dazu gehören beispielsweise trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin, Doxepin und Trimipramin, Neuroleptika wie Levopromazin und Olanzapin sowie SSRI wie Mirtazapin und Trazodon. Diese Arzneistoffe wirken gut bei psychiatrischen Begleiterkrankungen und können dauerhaft eingenommen werden. Alle sind verschreibungspflichtig.
Homöopathisch beruhigen
Auch die Homöopathie hat einige bewährte Mittel zu bieten. Wie immer müssen PTA oder Apotheker den Kunden zunächst nach seinem individuellen Beschwerdebild befragen und danach das passende Mittel wählen.
Menschen mit andauernden Schlafproblemen sollten auch über ihren Lebenswandel nachdenken. »Viele Patienten sind vegetativ überstimuliert«, sagte Dr. Arthur Wölfel, Oberarzt im Krankenhaus für Naturheilweisen in München, bei dem Symposium. Das bedeutet, dass ihr sympathisches Nervensystem hochgradig erregt ist und nicht mehr zur Ruhe kommt. Anzeichen sind Schlafstörungen, Schwitzen, Muskelverspannung und Herzstolpern. Jedoch erkennen viele Menschen den Zusammenhang von nervlicher Überregung und körperlichen Symptomen nicht. »Das Wichtigste und Schwierigste ist die Schulung der Wahrnehmung«, berichtete der Arzt aus seiner Erfahrung.
Ordnung im Leben schaffen
Gemäß der Ordnungstherapie, die der Schweizer Arzt Max Oskar Bircher-Benner (1867 bis 1939) formuliert hat, soll der Mensch schädliche Lebensgewohnheiten verändern. Ziele sind Entspannung und Entlastung; Wölfel sprach von »Ent-Sorgung«, um die sympathische Überregung (Sympathikotonus) zu senken.
Auf mehreren Ebenen will diese Therapieform den Menschen anregen, Ordnung in seinen Alltag zu bringen. Wichtig ist ein ausgewogener Rhythmus von Erholungs- und Leistungsphasen, Freizeit und Arbeit, Schlafen und Wachen. Umstellung auf eine Vollwerternährung kann ebenso hilfreich sein wie das Erlernen von Entspannungstechniken.
Der Patient sollte sich vier- bis fünfmal pro Woche 30 Minuten lang körperlich betätigen, wobei der Puls auf maximal 120 Schläge pro Minute ansteigen soll. Luftbäder und Wechselgüsse gehören zum Therapiekonzept dazu. Schließlich legt die Bircher-Benner-Therapie viel Gewicht auf ein geordnetes Gefühlsleben mit sinngebenden positiven Leitbildern und Wertmaßstäben.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
bm.gensthaler(at)t-online.de