Mehr Fisch statt Fleisch |
30.01.2009 20:58 Uhr |
von Ursula Sellerberg
Auch wenn es keine spezielle Rheumadiätgibt, helfen den Kranken doch einige Ernährungstipps. Besonders vorteilhaft scheint die Ernährungsumstellung hinsichtlich der Fettsäure-Zusammenstellung: weniger Omega-6- und mehr Omega-3-Fettsäuren.
Entzündliche rheumatische Erkrankungen wie die chronische Polyarthritis sind durch eine Diät nicht heilbar, eine bewusste Ernährung kann deren Basistherapie aber unterstützen. Ihr Effekt setzt nach etwa drei Monaten ein und verstärkt sich im Verlauf des ersten Jahres.
Entzündungsbotenstoffe fördern über immunologische Prozesse den Verlauf der Erkrankung. Diese Entzündungsmediatoren entstehen im Körper aus langkettigen Fettsäuren. Zum Beispiel fällt beim Abbau der Zellmembranen durch das Enzym Phospholipase A2 die Fettsäure Arachidonsäure an. Ihr Name leitet sich von dem der Erdnuss (lateinisch Arachis hypogaea) ab, denn in Erdnussöl wurde sie erstmals nachgewiesen.
Arachidonsäure besteht aus 20 Kohlenstoffatomen und enthält vier Doppelbindungen. Sie gehört zu den Omega-6-Fettsäuren, weil die letzte Doppelbindung sechs Kohlenstoffatome von der Säuregruppe entfernt liegt.
Arachidonsäure kann auf zwei unterschiedlichen Wegen abgebaut werden: Den Abbau steuern die Enyme Cyclooxygenase (COX) und Lipoxygenase (LOX) über verschiedene Zwischenstufen. Die Endprodukte sind die eigentlich wirksamen Entzündungsbotenstoffe, die ebenfalls aus 20 Kohlenstoffatomen bestehen. Sie heißen Eicosanoide (griechisch eikosa = zwanzig), einzelne Vertreter sind die Prostaglandine und die Leukotriene. Wichtig: Diese Eicosanoide begünstigen die Entstehung von Fieber, Schmerzen, Entzündungen, Schwellungen oder Rötungen.
Im menschlichen Organismus entsteht Arachidonsäure aus Linolsäure, die um eine C2-Einheit verlängert wird. Allerdings sind die dafür benötigten Enzyme schnell erschöpft, weshalb höchstens zehn Gramm Linolsäure pro Tag umgebaut werden. Größere Mengen Linolsäure hemmen sogar die körpereigene Bildung von Arachidonsäure. Reich an Linolsäure sind Soja-, Sonnenblumen-, Distel- und Maiskeimöl.
Im Unterschied zur Arachidonsäure ist die letzte Doppelbindung anderer langkettiger Fettsäuren nicht sechs, sondern drei Kohlenstoffatome vom Kettenende entfernt. Diese Omega-3-Fettsäuren, zu denen die Eicosapentaensäure gehört, beurteilen Ernährungswissenschaftler bei rheumatischen Erkrankungen als günstig, weil sie antientzündlich wirken. Im Gegensatz zur Arachidonsäure ist die ähnlich aufgebaute Eicosapentaensäure (EPA) kein körpereigener Stoff. Dennoch wird sie durch die selben Enzyme abgebaut wie die Arachidonsäure. Anders als die aus der Arachidonsäure entstehenden Endprodukte wirken diejenigen aus EPA nur gering entzündungsfördernd. Welche Abbauprodukte in welchen Mengen anfallen, hängt von dem Angebot an Fettsäure-Substrat ab: Ist viel Arachidonsäure vorhanden, entstehen entzündungsfördernde Botenstoffe in hohen Konzentrationen. Die Omega-3-Fettsäure EPA blockiert hingegen das Enzymsystem kompetitiv und drosselt so über einen längeren Zeitraum die Bildung der Leukotriene und Prostaglandine.
Wollen sich Rheumatiker gesund ernähren, müssen sie die Zufuhr der Omega-6-Fettsäure Arachidonsäure verringern und die der Omega-3-Fettsäure EPA erhöhen. Mit einer üblichen Mischkost nehmen die Deutschen pro Tag etwa 200 bis 400 mg Ararchidonsäure auf. Durch eine vegetarische Ernährung mit fettarmen Milchprodukten sinkt die Zufuhr auf etwa 50 mg pro Tag. Deshalb gilt für Rheumatiker die Empfehlung, sich weitgehend vegetarisch zu ernähren. Kleine Portionen an magerem Fleisch, Ei oder Wurst sind an höchstens zwei bis drei Tagen pro Woche erlaubt. Im Durchschnitt sollen Rheumatiker täglich nicht mehr als 50 bis 80 mg Arachidonsäure aufnehmen.
Arachidonsäure kommt reichlich in tierischen Lebensmitteln vor wie Butter, fettem Fleisch oder Eigelb. Magere Milchprodukte hingegen sind Arachidonsäure-arm und können auch bei Rheuma empfohlen werden. Praktisch heißt das zum Beispiel: mit Margarine statt mit Butter backen. Die Tabelle zeigt exemplarisch den Arachidonsäuregehalt einiger Lebensmittel.
Lebensmittel (Portionsgröße) | Arachidonsäure (mg) |
---|---|
Margarine (10 g) | 0 |
Butter (10 g) | 8 |
Magerer Schinken (20 g) | 10 |
Fetter Schinken (20 g) | 26 |
Leberwurst (20 g) | 46 |
Kalbfleisch (100 g) | 50 |
Schweineschmalz (10 g) | 170 |
Meeresalgen bilden Eicosapentaensäure, daher ist das Fleisch der Fische die sich von Algen ernähren, reich an Omega-3-Fettsäuren, besonders das der fetten Meeresfische Hering, Makrele, Thunfisch und Lachs. Fettarme Fische wie Kabeljau oder Süßwasserfische wie Forelle enthalten deutlich geringere Mengen an Omega-3-Fettsäuren.
Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel mit isolierten Omega-3-Fettsäuren können PTA und Apotheker denjenigen Rheumapatienten empfehlen, die keinen oder nur wenig Fisch essen. Verschiedene kleine Studien, die mehrere Monate bis zu einem Jahr dauerten, zeigten, dass Omega-3-Fettsäuren die Beweglichkeit oder die Morgensteifigkeit der Hände verbesserten. Auch ließ sich teilweise die Dosis von Schmerzmitteln senken. Im Beratungsgespräch sollten PTA oder Apotheker die Patienten darauf hinweisen, dass Omega-3-Fettsäuren über einen längeren Zeitraum und ausreichend hoch dosiert eingenommen werden müssen. Empfohlen werden täglich 30 mg EPA pro Kilogramm Körpergewicht.
Der Körper kann EPA auch selbst aus der Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure bilden. Allerdings verläuft dieser Umbau sehr langsam. Reich an dieser Fettsäure sind Lein-, Raps- oder Walnussöl. Walnuss- und Leinöl haben einen starken Eigengeschmack, raffiniertes Rapsöl schmeckt neutral. Von diesen Ölen sollten Rheumatiker etwa zwei Esslöffel täglich verwenden.
Auch freie Radikale können den Krankheitsverlauf über verschiedene Mechanismen anheizen. Sie aktivieren zum Beispiel das Enzym, das aus den Zellmembranen Arachidonsäure freisetzt. Verschiedene Antioxidanzien wie die Vitamine E und C, Selen oder Zink könnten daher Entzündungen eindämmen. Die Wirkmechanismen sind aber erst zum Teil erforscht. Viele der wissenschaftlichen Studien weisen methodische Mängel auf oder widersprechen sich.
Außerdem ist noch unklar, wie hoch die Antioxidanzien dosiert werden müssen. Derzeit werden für Vitamin E Dosen um die 200 I. E. pro Tag empfohlen, über 400 I. E. täglich können die Immunabwehr aktivieren. Damit das Vitamin E im Körper wirken kann, werden 200 mg Vitamin C benötigt. Diese Menge nimmt jeder durch eine gesunde Ernährung am Tag bereits zu sich. Rheumatiker können zudem 100 bis 200 mg Selen täglich substituieren. Weil sie oft eine sekundäre Osteoporose entwickeln, sollten sie vorbeugend ausreichend Calcium (1000 bis 1500 mg) und Vitamin D (20 mg) zuführen.
Kurzzeitiges Fasten über drei bis fünf Tage bessert viele rheumatische Beschwerden wie Schmerzen oder Entzündungen. Diese Wirkung kann über die Dauer des Fastens hinaus anhalten. Verschiedene Ursachen erklären dieses Phänomen: Zum einen nehmen die Fastenden keine Arachidonsäure auf, und zusätzlich steigt beim Fasten die Konzentration des Hormons Cortisols. Andere entzündungsfördernde Botenstoffe werden dagegen abgebaut. Ein angenehmener Nebeneffekt kann sein, dass die Konzentration an Serotonin im Körper ansteigt, was die Stimmung aufhellt.
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