Start ins Jahr 2012 |
16.12.2011 15:01 Uhr |
Von Annette van Gessel / Zum Jahreswechsel lassen viele Menschen das alte Jahr kritisch Revue passieren und beginnen das neue voller guter Vorsätze. PTA-Forum befragte Sabine Pfeiffer, erste Vorsitzende des Bundesverband der PTA, und Barbara Neusetzer, erste Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa, wie ihr Jahresrückblick aussieht und welche Ziele sie sich für 2012 gesteckt haben.
PTA-Forum: Welches berufspolitische Ereignis war im Jahr 2011 für Sie am wichtigsten?
Pfeiffer: Berufspolitisch gab es für uns PTA einiges, was uns bewegte: Wir sind im BMG, aber auch in einigen Landesministerien, gefragte Gesprächspartner und arbeiten aktuell in verschiedenen Gremien mit, in denen es unter anderem um die Weiterentwicklung der Gesundheitsberufe geht. Dies ist mit Blick auf den sogenannten Europäischen Qualifikations-Rahmen, abgekürzt EQR, sehr wichtig. Weitgehend unbekannt ist: Die Regelungen des EQR werden auch für Deutschland gelten. Engagieren wir uns hier nicht, wird unser Beruf im europäischen Ausland auf einem niedrigen Level eingestuft, obwohl wir dort hoch angesehen sind. Trotz großer Fachkompetenz gelten wir dann nur als Facharbeiter und würden so zu einer billigen Arbeitskraft.
Die Staatssekretärin im BMG Ulrike Flach setzt sich seit unseren Gesprächen aktiv – nicht nur bei der Apothekerschaft – für eine Reform der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung ein. Flach sieht auch die Notwendigkeit einer Neufassung des Berufsgesetzes. Dabei unterstützt sie dezidiert unsere Vorschläge.
Ein weiteres Ereignis war die Vorstellung des Referentenentwurfs zur neuen Apothekenbetriebsordnung. Dieser enthält Passagen, mit denen wir uns als selbstständiger bundesrechtlich geregelter Gesundheitsberuf nicht einverstanden erklären können. Das haben wir auch durch eine schriftliche Stellungnahme und bei der mündlichen Anhörung erklärt.
Barbara Neusetzer ist seit Januar 2007 Erste Vorsitzende der Apothekengewerkschaft Adexa und verantwortlich für die Berufs- und Gesundheitspolitik, Öffentlichkeitsarbeit und die interne Zusammenarbeit.
Neusetzer: Es gab mindestens zwei sehr wichtige berufspolitische Ereignisse. Erstens ist am 1. Januar 2011 das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) in Kraft getreten. Dessen Auswirkungen haben auch die Angestellten in öffentlichen Apotheken bereits schmerzhaft gespürt: Die Mehrbelastung der Mitarbeiter sei hier an erster Stelle genannt. Adexa hatte mit dem Arbeitgeberverband ADA schon im Vorfeld eine Tariferhöhung für 2011 sowie auch für 2012 in Form der arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersvorsorge vereinbart.
Das zweite schwergewichtige Ereignis war im Oktober der Referentenentwurf zur Apothekenbetriebsordnung. Die Ablehnung der »Apotheke light« war einhellige Haltung nahezu aller berufspolitischen Interessenvertretungen. Eine Position, die auch Adexa vertreten hat, weil sich die geplanten Änderungen negativ auf die Arbeits- und Ausbildungsplätze auswirken würden. Auf unserer Gewerkschaftssitzung Mitte November 2011 haben wir eine schriftliche Stellungnahme erarbeitet und die Argumente noch einmal bei der mündlichen Anhörung in Bonn im November dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) erläutert. Wir hoffen, die endgültige Fassung wird die Sorgen der Branche und das Wohl der Patienten berücksichtigen. Die Entscheidung ist auch von der Zustimmung des Bundesrates abhängig.
PTA-Forum: Welche Ziele haben Sie sich für das neue Jahr gesetzt?
Pfeiffer: Im neuen Jahr werden wir uns weiter aktiv für den in der Politik schlicht vergessenen Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten einsetzen. Wir kämpfen weiter für mehr Anerkennung und Kompetenzen unseres unabhängigen bundesrechtlich geregelten Berufes. Denn unsere Zukunft liegt nicht nur in der Apotheke! Von den Kollegen, die ihre PTA-Ausbildung beendet haben, arbeiten nach der praktischen Prüfung nur 85 Prozent in der öffentlichen Apotheke. Im Laufe der Jahre suchen sich aus dieser Gruppe noch einmal etwa 20 Prozent eine Stelle in anderen Bereichen, da sie sich dort weiter entwickeln können.
Auf dem Apothekertag in Düsseldorf brachte der Apothekerverband Westfalen-Lippe einen Antrag über das Berufsbild PTA ein. Dieser wurde in einen Ausschuss der ABDA verwiesen, in dem man sich mit unserem Beruf auseinandersetzt. Wir möchten, dass wir zu diesen Diskussionen als Betroffene, aber auch als kompetente Gesprächspartner in Augenhöhe einbezogen werden. Schließlich weiß keiner so gut wie wir selbst, welche Änderungen in unserem Beruf nötig sind, damit der PTA-Beruf weiter attraktiv bleibt.
Neusetzer: Oberste Priorität haben im nächsten Jahr die Tarifverhandlungen, die für alle tarifgebundenen Mitglieder von Adexa zu einem angemessenen Lohnanstieg führen müssen, auch für die Kolleginnen in Nordrhein. Hier hinkt die Tarifvertragspartei TGL-Nordrhein deutlich hinterher, das ist nicht akzeptabel!
Außerdem werden wir den Service für unsere Mitglieder kontinuierlich weiter ausbauen, gerade auch die Rechtsberatung. Besonders für Berufseinsteiger und Pharmaziestudierende werden wir unsere Angebote ausweiten, denn sie sind die Zukunft der Apotheken und auch unsere Zukunft.
Adexa hat in der jüngsten Zeit deutliche Mitgliederzuwächse zu verzeichnen. Wir sehen das als Signal dafür, dass mehr und mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erkannt haben, wie wichtig die Leistungen der Apothekengewerkschaft insgesamt, aber auch die individuelle arbeitsrechtliche Beratung und Vertretung für das eigene Arbeitsverhältnis sind.
PTA-Forum: Was ist Ihr größter Wunsch, den die Politik den PTA im Jahr 2012 erfüllen könnte?
Sabine Pfeiffer ist seit April 2005 Vorsitzende des Bundesverband Pharmazeutisch-technischer Assistentinnen (BVpta) und vertritt die Interessen der PTA gegenüber der Politik.
Pfeiffer: Wir möchten, dass die Politik eindeutige Signale zur Eigenständigkeit des PTA-Berufes setzt. Im Berufsgesetz steht, dass PTA unter Aufsicht des Apothekers arbeiten. Eine Streichung dieses Satzes ist dringend erforderlich. In Zeiten, wo PTA in vielen anderen Sparten wie Industrie oder Verwaltung gesucht werden, entspricht die Formulierung nicht mehr der Realität. Diese Kolleginnen arbeiten nicht mehr unter Aufsicht, sondern führen diese selbst!
Am 16. Juni 2012 veranstalten wir wieder einen Kongress – dieses Mal in Leipzig mit dem Thema: Zukunft PTA-Beruf – wo führen die Wege hin? Ich kann Ihnen versprechen: Der Besuch lohnt sich! Wir werden morgens mit sehr interessanten Gesprächspartnern eine berufspolitische Diskussion über den PTA-Beruf führen. Von dort aus, das wünschen wir uns, soll ein Signal gesetzt werden. Die Politik muss begreifen, dass es neben den Apothekern, Ärzten und den Angehörigen der Pflegeberufe auch noch andere Gesundheitsberufe gibt, die in diesem System eine wichtige Aufgabe übernehmen und dessen Funktionieren garantieren.
Schließlich möchten wir, dass man sich sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene noch einmal mit der Apothekenbetriebsordnung auseinandersetzt. Denn neben der Gleichsetzung des pharmazeutischen Personals, also auch der PTA, mit dem nicht pharmazeutischem Personal in der Defektur sollte man in unseren Augen auch noch einmal dringend über die Herunterstufung der Filialapotheken zu Zweigapotheken nachdenken.
Neusetzer: Für das nächste Jahr wünschen wir uns, dass sich die Politik und auch die ABDA endlich mit der Novellierung der PTA-Ausbildung beschäftigen – und zwar so, dass die Qualität der Ausbildung den Anforderungen an die zukünftigen PTA und insbesondere den Herausforderungen in der Beratung der Patienten in öffentlichen Apotheken entspricht. Und dass die Wertschätzung der PTA sich in der Politik wiederfindet und die Arbeitsplätze attraktiver und zukunftsgerechter werden. Vorschläge dazu haben wir bereits dem Bundesgesundheitsministerium übermittelt.
PTA-Forum: In welche Richtung sollte sich der PTA-Beruf in Zukunft entwickeln?
Pfeiffer: Der PTA-Beruf wird weiterhin ein interessanter und abwechslungsreicher Beruf sein. Die Zukunft wird nicht nur Apotheke heißen! Wir arbeiten an einer Ausbildung, nach der sich der Absolvent spezialisieren kann. Hier müssen die europäischen Vorgaben beachtet werden, die auch eine Durchgängigkeit im Schulsystem beinhalten. So können wir uns auf Dauer einen Bachelor-PTA vorstellen, der dem wissenschaftlich ausgebildeten Apotheker in der Apotheke zur Seite steht, aber auch in anderen Gesundheitssparten große Chancen hat. Der Beruf wird ohne Frage interessanter werden. Vielleicht bleibt dann auch manche PTA eher in der Apotheke. Leider werden uns diesbezüglich viele Steine durch die Apotheker in den Weg gelegt. Aber mit viel Ausdauer und Engagement werden auch wir PTA europakonform in der EU ankommen!
Neusetzer: In erster Linie sollte der PTA-Beruf auf die Anforderungen der Patienten der Zukunft zugeschnitten sein. Das bedeutet: Die Beratungskompetenz muss gestärkt werden. Der Beruf darf nicht in einer Sackgasse ohne Entwicklungsmöglichkeiten enden. Dafür sind Qualifizierungsangebote nötig, die sich später auch finanziell lohnen müssen.
Weiterhin wäre es wünschenswert, wenn europaweit die Möglichkeit von adäquaten Arbeitsplätzen gegeben wäre. Insgesamt sehe ich die Chancen für die PTA überwiegend positiv: Sie werden auch in Zukunft gesucht, umworben und gebraucht werden. /