Die besten Techniken |
09.01.2018 09:53 Uhr |
Von Carina Steyer / Achtsamkeitstraining, Focusing oder doch lieber Yoga? Gegen Stress und Belastung gibt es heute eine Vielzahl unterschiedlicher Entspannungsverfahren, die ganz unterschiedliche Techniken nutzen.
Ärger im Beruf, Schwierigkeiten in der Familie, Probleme in der Schule – Stress ist im Alltag allgegenwärtig. Entspannungsphasen hingegen sind wesentlich seltener, denn im Gegensatz zur Stressreaktion, die reflexartig abläuft, muss man sich Entspannung aktiv erarbeiten. Eine effektive Methode dafür sind Entspannungsverfahren. Bei regelmäßigem Training kann (fast) jeder lernen, schnell und bewusst zu entspannen. Nur in wenigen Fällen raten Experten zur Vorsicht. Liegt zum Beispiel eine posttraumatische Belastungsstörung vor, können während der Entspannung starke Gefühle von Unruhe oder Kontrollverlust aufkommen, auch vermehrte Flashbacks sind möglich. Bei Bluthochdruck können Schwindelgefühle auftreten, und während eines akuten Migräneanfalls kann sich der Schmerz verstärken. Patienten mit Tinnitus, Atemwegs- und Herzerkrankungen können Schwierigkeiten haben, die Konzentration zu halten, weil die Selbstaufmerksamkeit zu ausgeprägt ist.
Foto: iStock/jacoblund
Wer den Wunsch hegt, ein Entspannungsverfahren zu erlernen, wird schnell mit einer Vielzahl unterschiedlicher Methoden konfrontiert. In ihrer Wirkung auf Körper und Psyche unterscheiden sich die einzelnen Verfahren kaum (siehe Tabelle), der Weg zur Entspannung kann allerdings sehr unterschiedlich aussehen.
Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung – auf der Suche nach einem geeigneten Entspannungsverfahren kommt man an beiden kaum vorbei. Sie gehören zu den beliebtesten Methoden, verfolgen aber völlig unterschiedliche Ansätze. Das Autogene Training beruht auf Autosuggestion und hat seinen Ursprung in der Hypnose. Es dient dazu, Entspannung durch gelenkte Wahrnehmung zu erreichen. Dafür werden in der Grundstufe die sechs Körperbereiche Arme, Blutgefäße, Atmung, Herz, Bauch und Kopf angesprochen. In der Praxis bedeutet das, der Übende konzentriert sich auf angenehme körperliche Wahrnehmungen, wie zum Beispiel die Schwere seiner Arme. Gleichzeitig wiederholt er im Stillen die Formel »Meine Arme sind schwer«, bis er die Schwere im ganzen Körper wahrnimmt. Das Training endet mit der Rücknahme, durch die ein müdes oder benommenes Gefühl am Ende ausbleibt.
Im Vergleich zum Autogenen Training entspannt man bei der Progressiven Muskelentspannung aktiver. Im Mittelpunkt steht die An- und Entspannung verschiedener Muskelgruppen. Dazu kommt das genaue Beobachten der eigenen Empfindungen während der Übung. Die Lockerung einzelner Muskelgruppen führt in eine kognitiv-emotionale Entspannung.
Während einer Trainingseinheit werden meist sieben verschiedene Muskelgruppen angesprochen, beginnend bei den Fingern und Händen. Anschließend arbeitet man sich über Schultern, Kopf und Gesäß hinab zu den Füßen, wo die Übung endet.
Entspannung durch körperliche Aktivität nutzt auch das Yoga, das An- und Entspannung der Muskeln mit Atem-, Konzentrations- und Visualisierungsübungen kombiniert. Neben dem Entspannungseffekt soll regelmäßiges Yoga auch das körperliche Wahrnehmungsvermögen und die Achtsamkeit schulen.
Alle drei Entspannungsverfahren eignen sich auch bereits für Kinder. Die Trainingseinheiten werden im Schwierigkeitsgrad und in der Länge an die jeweilige Altersgruppe angepasst. Beim Autogenen Training und der Progressiven Muskelentspannung kommen auch Geschichten zum Einsatz, in denen die Übungsanweisungen kindgerecht verpackt werden.
Banales genau wahrnehmen
Mehr im Hier und Jetzt zu leben, Dinge gelassener zu nehmen, entspannter mit sich selbst umzugehen und die Realität so anzunehmen, wie sie ist, das sind die Ziele eines Achtsamkeitstrainings. Dafür wird die Fähigkeit trainiert, bewusst wahrzunehmen, ohne zu bewerten. Achtsamkeitstraining braucht keinen besonderen Raum, es lässt sich problemlos in den Alltag integrieren und sofort starten.
Wie fühlt sich das Händewaschen an, wie schmeckt der Kaffee, wie klingt der Regen? Wer es schafft, mit den Gedanken bei dieser Wahrnehmung zu bleiben, trainiert bereits. Schweifen die Gedanken doch mal ab, nimmt man dies ebenfalls wahr und versucht, ohne zu bewerten, gedanklich wieder zur ursprünglichen Handlung zurückzukehren.
Auch in der Meditation dreht sich alles darum, den ständig aktiven Gedankenstrom zu überwinden. Indem der Meditierende seine Aufmerksamkeit auf einen einzigen Vorgang fokussiert, wie zum Beispiel den Atem, bestimmte Worte oder auch das Gehen, und alle anderen Gedanken ausblendet, erreicht er einen Zustand tiefster Entspannung. Ob im Sitzen, Liegen oder Stehen, wer meditiert braucht Ruhe, denn das Aufrechterhalten der Konzentration stellt eine Herausforderung dar. Es bedarf täglicher Übung, damit sich ein bleibender Erfolg einstellt.
Multimodale Stresskompetenz
In den 1960er Jahren entwickelte der austroamerikanische Psychologe und Philosoph Eugene T. Gendlin das Focusing. Er selbst bezeichnete das Verfahren als eine Methode zur Selbsthilfe, die von jedem erlernt werden kann. Focusing setzt Denken und Fühlen in Beziehung zueinander, um zur Ruhe zu kommen und Probleme leichter zu lösen. Ziel ist es, Unbewusstes in eine Entscheidungsfindung einfließen zu lassen. Dafür nähert man sich einzelnen Problemen gedanklich in entspanntem Zustand, nimmt aufkommende Bilder und Gefühle wahr, bis schließlich die Lösung offensichtlich wird. Heute wird die Methode häufig im Rahmen von Coachings eingesetzt.
Ein weiteres Entspannungsverfahren, das im professionellen Setting angeboten wird, ist die Hypnose. Dabei versetzt der Therapeut den Patienten in einen auf Empfindungen beschränkten Bewusstseinszustand, der mit tiefer Entspannung einhergeht und die Problemlösefähigkeit verbessern soll.
Eine Kombination von Übungen aus dem Autogenen Training, der Progressiven Muskelentspannung und dem Yoga findet man in der Multimodalen Stresskompetenz. Zusätzlich bietet das moderne Entspannungstraining Methoden zur gezielten Problemlösung und vermittelt Wissen über die psychischen und körperlichen Folgen von Stress. Der Übende lernt, auf die eigene Stressreaktion richtig zu reagieren, Stress zu bewältigen und mit unvermeidbarem Stress besser umzugehen. Multimodale Stresskompetenz kann vorbeugend ebenso wie bei bereits bestehenden Stressbeschwerden eingesetzt werden.
Interessierte lernen ein Entspannungsverfahren am besten in einem Kurs mit entsprechend ausgebildetem Trainer oder im Rahmen eines Coachings beziehungsweise einer Psychotherapie.
Wer einen Kurs für Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung, Meditation oder Yoga sucht, findet Angebote oft an Volkshochschulen, aber auch in Yogainstituten und bei vielen privaten Trainern. Eine Liste mit Trainern für Entspannungsverfahren findet sich zum Beispiel auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Entspannungsverfahren (www.dg-e.domainfactory-kunde.de).
Eine Übersicht über Trainer und Therapeuten, die Focusing anbieten, gibt die Website des Deutschen Ausbildungsinstituts für Focusing und Focusing-Therapie (www.daf-focusing.de). Therapeuten, die Hypnose anbieten, finden sich zum Beispiel über den Psychotherapie-Informationsdienst (www.psychotherapiesuche.de).
Kostenübernahme
Krankenkassen erstatten Kurse für Entspannungsverfahren häufig. Apothekenkunden können PTAS also raten, zunächst bei der jeweiligen Krankenkasse nach der Erstattungsfähigkeit eines Kurses zu fragen. /
Psychologische Wirkung | Physiologische Wirkung |
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Gelassenheit | Nachlassen der Muskelanspannung und verminderte Reflexfähigkeit |
Wohlbefinden | Senkung der Herzfrequenz |
Distanzierung und Abschirmung von Außenreizen | Senkung des arteriellen Blutdrucks |
Lenkung der Aufmerksamkeit | Abnahme der Atemfrequenz |
Erhöhung der Wahrnehmungsschwelle | Veränderung im Immunsystem |
Verbesserte Stressabwehr | Veränderung in der hirnelektrischen Aktivität |