Essstörung häufig |
09.01.2018 09:54 Uhr |
Von Isabel Weinert / Diabetiker leiden häufiger unter einer Essstörung als gesunde Menschen. Das ist nachvollziehbar, denn tagein, tagaus müssen sie sich damit beschäftigen, wie viel sie wann von was essen. Das fördert alles andere als ein natürliches Essverhalten. Die häufigsten Störungen im Folgenden.
Für Lena ist Abnehmen ganz easy. Die junge Typ-1-Diabetikerin spritzt dazu einfach weniger Insulin. So verliert sie sogar Pfunde, wenn sie ganz normal weiter isst. Denn was passiert? Durch den Insulinmangel steigen die Blutzuckerwerte an, ab der Nierenschwelle, die bei etwa 160 mg/dl liegt, gehen reichlich Wasser und Energie in Form von Glukose über mit dem Urin verloren, und das senkt das Gewicht. Insulin-Purging heißt dieses Prozedere, das gerade jüngere Typ-1-Diabetikerinnen nutzen, um schlank zu bleiben oder zu werden und dabei so viel essen zu dürfen, wie sie wollen. Eine gute Diabetestherapie sieht anders aus. Sie bedeutet Selbstkontrolle des Blutzuckers und des Essverhaltens. Das fällt besonders Typ-1-Diabetikern in der Pubertät schwer. Ein weiterer Punkt, warum laut Studien etwa jeder fünfte Jugendliche mit Typ-1-Diabetes gewollt zu wenig Insulin spritzt.
Völlerei mit Folgen
Ohne Folgen bleibt das nicht. Akute Lebensgefahr droht durch eine Ketoazidose als Folge des Notstoffwechsels, den der Körper bei Energiemangel einschaltet, die Lipolyse. Dabei häufen sich organische Säuren im Blut an und übersäuern es. Gerade Typ-1-Diabetiker mit ihrem absoluten Insulinmangel sind gefährdet, in eine Ketoazidose zu geraten. Sie äußert sich in Übelkeit, Erbrechen, häufigem Wasserlassen, Durst, Schwäche und Benommenheit. Eine Ketoazidose kann sich schnell entwickeln und ist immer ein medizinischer Notfall.
Doch das Insulin-Purging beeinflusst auch die Zukunft der Diabetiker negativ. Wer es betreibt, entwickelt deutlich häufiger Nierenschäden und Fußprobleme, verglichen mit gut therapierten Typ-1-Diabetikern. Das Risiko zu sterben, liegt sogar dreifach höher. Diese Zusammenhänge sind nicht allen Typ-1-Diabetikern bekannt beziehungsweise bewusst. Betreut die Apotheke solche Patienten, lohnt es, darauf hinzuweisen und eventuell bei Verdacht den behandelnden Arzt anzusprechen.
Essstörungen sind jedoch kein Feld allein des Typ-1-Diabetes, auch Typ-2-Diabetiker haben damit zu kämpfen. Hier handelt es sich vor allem um das Phänomen des Binge-Eatings. Übersetzt heißt das »Essgelage«. Wer darunter leidet, bekommt immer wieder Fressattacken. Anders als bei einer Bulimie wird das Essen jedoch nicht erbrochen. Das steigert das bei den meisten Typ-2-Diabetikern ohnehin zu hohe Körpergewicht weiter.
Eine weitere Auffälligkeit des Essverhaltens nennt sich »Night eating disorder«. Hier verspeisen die Betroffenen 25 bis 50 Prozent ihres täglichen Energiebedarfs nach 19 Uhr beziehungsweise in der Nacht. Morgens wachen sie dann meist mit stark erhöhten Blutzuckerwerten auf, zudem nehmen Insulinresistenz und Gewicht zu.
Allen Essstörungen gemeinsam ist die schlechte Blutzuckereinstellung. Das gilt auch für die Anorexie, bei der man denken sollte, der Blutzucker müsse wegen der geringen zugeführten Nahrungsmenge hervorragend sein. Das Gegenteil ist der Fall, weil Diabetiker mit Anorexie häufig zusätzlich ein Insulin-Purging durchführen, um von den Mininahrungsmengen auch wirklich kein Gramm zuzunehmen.
Von Profis helfen lassen
Bei vielen Diabetikern schleicht sich die Essstörung im Laufe der Zeit ins Leben, verstärkt sich, wenn rundherum vieles schief läuft, in persönlichen Krisenzeiten, und bessert sich unter Umständen, wenn es dem Betroffenen gerade eigentlich gut geht. Damit die Essstörung nicht dauerhaft bleibt, ist es wichtig, mit dem Arztdarüber zu reden und eben nicht so zu tun, als sei alles bestens. Experten, an die sich betroffene Diabetiker wenden können, findet man unter http://www.diabetes-psychologie.de der Arbeitsgemeinschaft Diabetes und Psychologie der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Diese Psychotherapeuten haben sich auf die Therapie mit Diabetikern spezialisiert. Mit Hilfe von Experten lässt sich dem selbstschädigenden Verhalten zu Leibe rücken. /