Am meisten ändert sich bei den Krankenkassen |
20.02.2007 12:04 Uhr |
Am meisten ändert sich bei den Krankenkassen
von Daniel Rücker, Eschborn
Die meisten Patienten werden das neue Gesetz kaum bemerken, denn für sie ändert sich zunächst wenig. Das bedeutet jedoch nicht, dass das Reformwerk mit dem schönen Namen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ohne Konsequenzen bleibt. Vor allem bei den Krankenkassen wird einiges anders.
Im Mittelpunkt der Reform und auch des Streits zwischen den Koalitionsparteien steht der Gesundheitsfonds, der allerdings erst in zwei Jahren eingeführt wird. Er dürfte die Krankenkassenlandschaft dramatisch verändern. Ab 2009 wird es einen einheitlichen Beitragssatz zur Gesetzlichen Krankenversicherung geben. Jeder Versicherte zahlt dann denselben Prozentsatz von seinem Gehalt unabhängig davon, bei welcher Krankenkasse er versichert ist. Der Beitragssatz wird staatlich festgelegt. Zudem werden die heute existierenden Spitzenverbände der verschiedenen Krankenkassenarten wie Betriebskrankenkassen oder Ersatzkassen entmachtet. Sie sind dann nicht mehr Körperschaften öffentlichen Rechts. Die wichtigsten Aufgaben, etwa das Einziehen der Versichertenbeiträge, übernimmt dann der gemeinsame »Spitzenverband Bund«.
Aus dem Fonds erhalten die Krankenkassen für jeden Versicherten einen einheitlichen Betrag. Krankenkassen, die mit dem Geld nicht auskommen, müssen von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag einfordern, der allerdings 1 Prozent des Einkommens nicht übersteigen darf. Das soll den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen verstärken. Experten bezweifeln jedoch, dass dies gelingt.
Wahltarife werden eingeführt
Die Änderung, die die Patienten vermutlich schnell wahrnehmen werden, sind die neuen Wahltarife der Krankenkassen ab dem 1. April. Das Reformgesetz erlaubt den Kassen, ihren Versicherten neue Angebote zu machen. Wer mehr zuzahlen oder bestimmte Behandlungskosten grundsätzlich selbst übernehmen will, dem bieten die Krankenkassen bald einen reduzierten Tarif an. Auf der anderen Seite bezahlen Krankenkassen in Zukunft derzeit nicht erstattungsfähige pflanzliche oder homöopathische Arzneimittel, wenn der Versicherte ein entsprechendes Leistungspaket zusätzlich kauft.
In den vergangenen Tagen haben große Krankenkassen wie die AOK oder die Barmer solche Angebote bereits angekündigt. Wie diese allerdings aussehen werden und was sie kosten sollen, lässt sich heute noch nicht sagen. Damit betreten die Krankenkassen Neuland, und keine Kasse will jetzt schon der Konkurrenz mitteilen, was sie plant.
Für PTAs und Apotheker relevant ist die Regelung zur Abgabe kleinerer Arzneimittelmengen. Um Arzneimittelmüll zu vermeiden, sollen Ärzte jetzt nur noch die Arzneimenge verordnen, die zur Therapie tatsächlich benötigt werden. Wenn diese Menge kleiner ist als die N1-Packung oder genau zwischen den Größen N1 und N2 liegt, dann müssen PTA oder Apotheker auseinzeln und dem Patienten eine Kopie des Beipackzettels mitgeben. Viele Experten halten die aktuell verfügbaren Packungsgrößen für ausreichend und bezweifeln den Sinn dieser neuen Regelung.
Mehr Medikamente zuzahlungsfrei
Eventuell können sich die Patienten in den kommenden Monaten darüber freuen, dass noch mehr Arzneimittel von der Zuzahlung befreit sind. Heute sind bereits rund 9000 Medikamente zuzahlungsfrei, weil sie besonders preisgünstig sind. Sollten Krankenkassen und Pharmaindustrie in größerem Umfang Rabattverträge aushandeln, dann könnte die Zahl der befreiten Arzneimittel weiter steigen. Rabattierte Medikamente kann die entsprechende Krankenkasse von der Zuzahlung befreien. In diesen Fällen ist die aktuelle Aut-idem-Regelung außer Kraft gesetzt: PTA oder Apotheker sind dann dazu verpflichtet, diese Medikamente abzugeben, und dürfen nicht mehr unter einem der drei preisgünstigsten Medikamente eines Wirkstoffs auswählen.
Den Apothekenleitern beschert das Reformgesetz einen Umsatz- und Gewinnrückgang. Bislang mussten sie von ihrem Honorar den Krankenkassen 2 Euro pro Arzneimittelpackung als Rabatt einräumen. Zum 1. April steigt der Betrag auf 2,30 Euro. Das hört sich nicht so dramatisch an, bedeutet aber für die gesamte Apothekenbranche einen Gewinnrückgang um jährlich 150 Millionen Euro. Pro Apotheke sind dies rund 8000 Euro. Manche Apotheken werden dies nicht leicht verkraften. Immerhin hat diese Regelung dazu geführt, dass die Regierung auf die Umwandlung der Arzneimittelpreisverordnung in eine Höchstpreisverordnung verzichtet und die geplante Rabatthaftung von 500 Millionen Euro erheblich entschärft hat.
Folgekosten selbst bezahlen
Teurer wird es in Zukunft für Vorsorgemuffel. Wer Vorsorgeuntersuchungen aus dem Leistungskatalog der Kassen verpasst, der muss sich stärker an späteren Behandlungskosten beteiligen. Und wer sich piercen oder tätowieren lässt, der muss die Kosten komplett selbst tragen, wenn er wegen auftretender Komplikationen vom Arzt behandelt werden muss.
Menschen, die sich um ihre Gesundheit kümmern, werden in Zukunft von ihrer Krankenkasse unterstützt: So werden diese mehr Impfungen bezahlen. Dasselbe gilt für Eltern-Kind-Kuren oder Reha-Behandlungen.
E-Mail des Verfassers:
ruecker(at)govi.de