Dem Virenangriff Paroli bieten |
21.02.2007 10:50 Uhr |
Dem Virenangriff Paroli bieten
von Andrea Gerdemann, München
Auch wenn der Winter in diesem Jahr auf sich warten ließ, mit den lästigen Begleiterscheinungen der kalten Jahreszeit kämpfen die Menschen trotzdem. Es kratzt im Hals, die Stimme ist belegt, die Nase läuft, und viele atmen mit offenem Mund. Das Riechen und Schmecken funktioniert nicht mehr so gut, mit anderen Worten: Man hat sich einen Schnupfen eingefangen.
Auslöser von Schnupfen (Rhinitis) sind Erkältungsviren, meistens Rhinoviren. Es gibt über 200 verschiedene Schnupfenviren, die von Mensch zu Mensch durch kleinste Tröpfchen beim Anhusten, Atmen, Sprechen oder Niesen übertragen werden. Die Erreger nisten sich in der Nasenschleimhaut ein und vermehren sich. Nach etwa zwei Tagen treten erste typische Schnupfen-Symptome auf wie Niesattacken, Laufen und Zuschwellen der Nase, Atemprobleme, Einschränkung oder sogar totaler Verlust des Geruchs- und Geschmackssinns sowie verstärkte Schleimbildung. Nebensymptome sind häufig Kopf- und Halsschmerzen.
Eine laufende Nase ist für den Patienten unangenehm, obwohl er eigentlich davon profitiert. Der sich bildende Nasenschleim ist eine Schutz- und Abwehrreaktion des Körpers, um die Krankheitserreger auszuschwemmen. Die Schnupfen-Symptome dauern in der Regel sieben Tagen an. Bei längeren Beschwerden können sich auf der geschädigten Nasenschleimhaut Bakterien einnisten. Das Nasensekret färbt sich dann gelb-grünlich. Im schlimmsten Fall kommt es zu einer Nebenhöhlenentzündung mit Druck und Schmerzen in den Kieferhöhlen oder zu einer Mittelohrentzündung.
Aus der Berufspraxis
Ein typischer Fall im Apothekenalltag ist folgender: Ein Mann, circa Mitte vierzig, betritt die Apotheke. Er klagt über eine laufende Nase und starken Niesreiz. Seine Nase ist schon ganz wund vom vielen Putzen. Er bittet die PTA um ein »schnell wirkendes« Mittel gegen seine Beschwerden und erzählt ihr, dass er in zwei Tagen einen wichtigen Termin wahrnehmen muss, bei dem er vor einem größeren Publikum einen Vortrag halten soll.
Bevor die PTA dem Mann eine Empfehlung gibt, versucht sie im Gespräch weitere Informationen über die Symptome und Hintergründe zu erfahren. Das können zum Beispiel folgende Fragen sein:
Folgender Kasten gibt einen Überblick über mögliche Ursachen eines Schnupfens.
Im weiteren Gespräch beschreibt der Patient das Gefühl, dass sich seine Nase so langsam zusetzt. Einen leichten Druckschmerz im Kopf verspürt er ebenfalls bereits. Fieber hat er nicht, ebenso keine Hals- oder Gliederschmerzen. Außerdem erfährt die PTA, dass er nicht raucht, kein Allergiker ist und keine weiteren Medikamente einnimmt. Bislang hat er noch kein Arzneimittel angewendet.
Selbstmedikation möglich
Es gibt eine Reihe von Situationen, bei denen die PTA den Patienten unbedingt an einen Arzt weiterleiten muss, damit dieser die Ursache der Erkrankung abklärt. Das gilt zum Beispiel bei
Die PTA kommt anhand der gewonnenen Informationen zu dem Schluss, dass ihr Kunde seine Beschwerden selbst therapieren kann. Nun gilt es in einem nächsten Schritt, das oder die für den Patienten geeigneten Arzneimittel zu finden.
Beschwerden lindern
Jeder Schnupfen wird rein symptomatisch behandelt, denn eine ursächliche Therapie ist derzeit nicht möglich. Eine Ausnahme bildet der arzneimittelbedingte Schnupfen sowie der Missbrauch von Nasentropfen oder -sprays. Für die Selbstmedikation stehen lokale und orale Rhinologika zur Verfügung.
Bei den lokalen Rhinologika werden in der Regel Alpha-2-Sympathomimetika wie Oxymetazolin, Xylometazolin, Tramazolin oder auch Tetryzolin eingesetzt. Die einzelnen Wirkstoffe unterscheiden sich hauptsächlich in der Wirkdauer. Alle Substanzen wirken an der Nasenschleimhaut lokal vasokonstriktorisch, führen also zum Abschwellen der Nasenschleimhäute und reduzieren die Schleimsekretion. Für Oxymetazolin liegen experimentell gewonnene Hinweise vor, dass es nicht nur vasokonstriktorisch, sondern auch antientzündlich, antioxidativ und antiviral wirkt. Diese Hinweise müssen nun durch weitere Studien an Patienten untermauert werden. Den Wirkstoff Xylometazolin in Nasensprays gibt es auch kombiniert mit Dexpanthenol (zur Unterstützung der Wundheilung der Nasenschleimhaut). Wichtig bei der Empfehlung ist die altersgerechte Dosierung; für Säuglinge und Kleinkinder bieten die Hersteller extra Darreichungsformen an. Außerdem muss der Patient darüber informiert werden, dass er Nasensprays oder -tropfen mit Alpha-2-Sympathomimetika nicht über einen längeren Zeitraum anwenden darf. Sonst schädigen die Substanzen wegen der permanenten Gefäßverengung die Nasenschleimhaut oder sie führen zu einer Arzneimittel-Rhinitis. Bei der Arzneimittel-Rhinitis ist der Patient abhängig geworden, da er aufgrund des »Wieder-Anschwellens« der Schleimhäute nicht mehr ohne sein Nasenspray auszukommen meint.
Bei Engwinkelglaukom, bei Rhinits sicca (trockene Schleimhäute) und bei schweren organischen Herz- und Gefäßveränderungen sind die genannten Wirkstoffe kontraindiziert.
Neben den wirkstoffhaltigen Nasentropfen und -sprays sind isotonisierte meerwasserhaltige Nasentropfen und -sprays sowie physiologische Kochsalzlösung zur Befeuchtung der Nasenschleimhaut im Handel. Damit wird der Selbstreinigungsprozess der Nase, das heißt die Schlagfrequenz der Flimmerhaare erhöht, und das Sekret verflüssigt.
Darüber hinaus sind Rhinologika nur mit dem Wirkstoff Dexpanthenol als Nasensalben und -sprays auf dem Markt, die die Wundheilung der Nasenschleimhäute unterstützen. Bei der Abgabe von Nasentropfen oder -sprays sollten PTA oder Apotheker dem Patienten erklären, wie er die Tropfen oder Sprays richtig anwendet (siehe Kasten).
Missbrauch von Sprays oder Tropfen
Den Missbrauch von wirkstoffhaltigen Nasensprays oder -tropfen beobachten PTAs oder Apotheker in der Praxis häufig. Die Daueranwendung der Sprays oder Tropfen mit Alpha-2-Sympathomimetika führt zu einer reaktiven Schleimhautschwellung, der bereits erwähnten Arzneimittel-Rhinitis. Sobald die Nase wieder verstopft ist, behandelt der Patient die Beschwerden wiederum mit den abschwellenden Nasensprays oder -tropfen. Das führt zu einem Teufelskreis, aus dem der Patient nur schwierig heraus kommt. Benutzt er die Nasensprays(-tropfen) über Jahre regelmäßig kann die Schleimhaut atrophieren.
Im Apothekenalltag ist es häufig schwierig, Kunden, bei denen PTA oder Apotheker eine Abhängigkeit vermuten, anzusprechen, ohne sie sofort zu vergraulen. Trotzdem lohnt sich der Versuch. Manchmal reicht es sogar aus, dem Patienten den oben geschilderten Teufelskreis zu erklären, um ihn zum Nachdenken zu bewegen. Auf jeden Fall sollten PTA oder Apotheker Verständnis für seine Situation zeigen und ihm Wege nennen, wie er aus der Abhängigkeit herausfinden kann. Folgende Möglichkeiten könnten sie mit dem Patienten besprechen:
1. Methode: Er entwöhnt zunächst nur ein Nasenloch, da man durch ein Nasenloch auch ausreichend Luft bekommt. Das eine Nasenloch behandelt er weiterhin wie gewohnt. Das andere zu entwöhnende kann er zum Beispiel mit Nasentropfen mit Meersalz und Dexpanthenol pflegen, bis sich die Schleimhaut regeniert hat. Das dauert meist ein bis sechs Wochen. Danach kann er auch das zweite Nasenloch entwöhnen.
2. Methode: Er reduziert langsam die Dosis des Wirkstoffs, zum Beispiel durch Verwendung eines Kindersprays oder durch langsame Verdünnung seines Präparates mit kochsalzhaltigen Nasentropfen (kann in der Apotheke gemacht werden).
Kombinationen gebräuchlich
Orale Rhinologika enthalten häufig neben einem Schmerzmittel auch ein Sympathomimetikum wie Ephedrin oder Phenylephrin und/oder ein H1-Antihistaminikum wie Chlorphenamin oder Diphenylpyralin. Da Antihistaminika zentraldämpfend wirken und oft das Reaktionsvermögen einschränken, sollte der Patient auf diese Nebenwirkung hingewiesen werden. Die gefäßverengenden Sympathomimetika sind bei Patienten mit Herzerkrankungen, Bluthochdruck oder Herzrhythmusstörungen kontraindiziert.
Neben den genannten Arzneistoffen können zahlreiche nicht medikamentöse Maßnahmen dem verschnupften Patienten Linderung verschaffen und die Dauer der Beschwerden verkürzen. Vor allem sollten die Betroffenenen viel trinken, um den Schleim zu verflüssigen, sowie die Raumluft anfeuchten, damit die Schleimhäute nicht austrocknen. Ein Dampfbad mit Kamille, Mineralsalzen oder ätherischen Ölen befeuchtet die Schleimhaut und befreit die Nase. Eine Heilsalbe pflegt den äußeren Nasenbereich, wenn dieser gerötet und entzündet ist.
Wer vorbeugend aktiv werden möchte, sollte sein Immunsysstem stärken, zum Beispiel durch die ausreichende Zufuhr von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen, viel Bewegung an der frischen Luft, eventuell Kneipp-Anwendungen wie Wechselbäder der Beine und Arme oder auch durch Saunabesuche. Herz-Kreislauf-Patienten sollten bei Saunabesuchen allerdings vorsichtig sein und sich vorher mit ihrem Arzt beraten.
Nach ihrem ausführlichen Gespräch entscheiden sich PTA und der verschnupfte Kunde gemeinsam für ein abschwellendes Nasenspray, kombiniert mit Dexpanthenol, da die Nasenschleimhäute des Patienten stark gereizt sind. Der Mann bevorzugt ein Nasenspray, da er die Applikationsart angenehmer findet. Zusätzlich empfiehlt ihm die PTA ein meersalzhaltiges Nasenspray, das er nach Besserung der Symptome zur weiteren Befeuchtung der Nasenschleimhäute anwenden kann. Zur Pflege seiner wunden Nase erhält er eine Dexpanthenol-haltige Nasensalbe.
Gut versorgt entlassen
Abschließend spricht die PTA seinen »leichten Druckschmerz im Kopf« an. Da der Patient das Gefühl hat, dass sich dieses Symptom verschlimmert hat, empfiehlt sie ihm ein Sekretolytikum zur Unterstützung des Sekretabflusses. Sie befragt ihn, ob er in diesem Fall lieber ein pflanzliches Sekretolytikum, zum Beispiel mit Cineol oder Myrtol, oder eher ein Präparat mit einem chemischen Wirkstoff wie ACC oder Ambroxol einnehmen möchte. Beide Gruppen seien bei diesem Symptom etwa gleichwertig.
Der Patient bevorzugt »etwas Pflanzliches« und erhält Myrtol-haltige Tabletten mit folgendem Hinweis: Bitte nehmen Sie zwei- bis dreimal und maximal vier- bis fünfmal täglich zwei Kapseln vor dem Essen mit reichlich kalter Flüssigkeit. Die PTA entlässt den Patienten aus der Apotheke mit der Bitte, das wirkstoffhaltige Nasenspray nur kurzzeitig, also fünf bis sieben Tage, anzuwenden, und sollten sich die Beschwerden innerhalb der nächsten Woche nicht bessern, einen Arzt aufzusuchen.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
andrea(at)gerdemann.info