Ehrenamtlich nach Argentinien |
22.02.2007 08:49 Uhr |
Ehrenamtlich nach Argentinien
PTA-Forum / Die von Apothekern gegründete Hilfsorganisation Apotheker ohne Grenzen unterstützt seit 2002 das Gesundheitszentrum SanPantaleón in einem der ärmsten Gebiete des Randbezirkes von Buenos Aires. Im Oktober 2006 besuchte PTA Charlotte Engl aus Leutkirch im Allgäu dieses Projekt. PTA-Forum befragte sie, wie sie circa drei Wochen lang an Ort und Stelle helfen konnte.
PTA-Forum: Seit wann sind Sie Mitglied bei der Hilfsorganisation und wie ergab sich diese Chance für Sie?
Engl: Anfang 2003 wurde ich Mitglied bei Apotheker ohne Grenzen Deutschland. Im Herbst lernte ich dann auf der Expopharm in München Dr. Carina Vetye-Maler kennen. Sie hat das Argentinien-Projekt ins Leben gerufen und betreut es seither sehr engagiert und intensiv.
PTA-Forum: Wie war Ihr erster Eindruck von Argentinien?
Engl: Als ich im Oktober abflog, kündigte sich in Deutschland bereits das kalte Wetter an. In Argentinien begrüßte mich der Frühling. Die Temperaturen waren schon ziemlich hoch. Von Anfang an musste ich mich an etliche hygienische Maßnahmen gewöhnen. Zum Beispiel lernte ich: den Zucker für den Mate-Tee im Kühlschrank aufzubewahren – als Vorsichtsmaßnahme wegen der vielen Ameisen.
PTA-Forum: Hatten Sie sich vorab schon über Ihr Reiseziel informiert?
Engl: Ich hatte einiges gelesen. So zum Beispiel, dass Argentinien für viele Deutsche noch als reiches Land gilt, aber innerhalb eines Jahrzehnts in eine starke Krise geraten ist. Im Oktober 2001 wurden noch etwa 37 von 100 Argentiniern als arm eingestuft, 2003 waren es schon 62 und zwischen 35 bis 40 Prozent gelten als extrem arm. Das bedeutet, dass diese Menschen mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen müssen. Ich erfuhr schon bald, dass in Bajo Boulogne, wo das Gesundheitszentrum liegt, 85 Prozent der Menschen unter die Armutsgrenze gerutscht sind, 40 Prozent davon gelten als sehr arm.
PTA-Forum: Bitte beschreiben Sie einmal Lage und Aufbau des Gesundheitszentrums.
Engl: Das Zentrum San Pantaleón liegt auf dem Gelände einer Pfarrei. Zu dieser Pfarrei gehören noch eine Kindertagesstätte mit circa 110 Kindern, eine Behindertentagesstätte, eine Kleiderkammer und eine Lebensmittelabgabestelle.
Seit Juni 2002 beliefert Apotheker ohne Grenzen dieses Gesundheitszentrum mit Arzneimitteln. Nachdem es 2005 mit Hilfe der deutschen Organisation um- und ausgebaut wurde, gibt es hier fünf Behandlungszimmer, ein Büro für die Patientenunterlagen und eine größere Apotheke, die zwischen 500 bis 600 Menschen monatlich mit Arzneimitteln versorgt.
An fünf Tagen in der Woche arbeiten insgesamt 20 argentinische Ärzte kostenlos in San Pantaleón. Sie werden durch Krankenschwestern und Schwesternschülerinnen unterstützt. Die Apotheke ist an drei Vormittagen geöff-net. Dort arbeiten fünf Apothekerinnen ehrenamtlich.
PTA-Forum: Waren Ihnen die Medikamente vertraut? Konnten Sie sofort mithelfen?
Engl: Die Medikamente waren mir schon bekannt, zum Beispiel Atenolol, Enalapril, Glibenclamid, Metformin, Amoxicillin, Cotrimoxazol, um nur einige wenige zu nennen. Am ersten Tag stellte mich Dr. Vetye-Maler den Mitarbeitern vor und wies mich die erste Woche in die Abläufe ein. Danach war ich eine Woche alleine in San Pantaleón. Ich wurde von allen sehr herzlich empfangen. Die Apothekerinnen beantworteten gerne meine Fragen, und ich durfte auch bald selbst die Arzneimittel abgeben. Durch kleine Ereignisse fühlte ich mich schnell angenommen. Nach meinem Besuch in der Kindertagesstätte zum Beispiel traf ich am nächsten Tag einen kleinen Jungen im Wartebereich des Gesundheitszentrums. Er kam strahlend auf mich zu und sagte auf Spanisch: »Dich kenne ich auch«.
PTA-Forum: Müssen die Patienten ihre Arzneimittel selbst bezahlen? Sind die Preise mit Deutschland vergleichbar?
Engl: Die chronisch Kranken besitzen einen Gesundheitspass, der alle drei Monate erneuert werden muss. Darauf steht auch die Dauermedikation und die verordnete Dosierung. Im Gesundheitszentrum müssen die Patienten für jedes Arzneimittel 1 Peso (= 0,25 Euro) bezahlen. Dieser Peso ist mehr als Beitrag gedacht für die laufenden Kosten im Gesundheitszentrum, beispielsweise für Strom und Papier. Ich habe erlebt, dass viele selbst diesen Peso nicht zahlen konnten. Die Apothekerinnen gingen immer sehr verständnisvoll mit den Problemen der Patienten um und verweigerten nie die Abgabe der Medikamente. Die Schulden vermerkten sie jedoch auf einer Karteikarte.
Eine Patientin brachte bei der Abholung ihrer Arzneimittel gleich den Peso vom letzten Mal mit. Die Menschen sind sich dessen bewusst, dass sie besonderes Glück haben, in der Apotheke ihre Medikamente so günstig und zuverlässig zu erhalten.
PTA-Forum: Wie sähe es denn sonst aus?
Engl: Würden die Patienten zur Behandlung ins nächste Krankenhaus fahren, bekämen sie ein Privatrezept. Ist dann ein Originalpräparat verschrieben, kann es sein, dass sie dafür beispielweise 70 Pesos zahlen müssen. Das günstigere Generikum wird ihnen nicht angeboten. In San Pantaleón hingegen bekommt jeder sein Arzneimittel für 1 Peso, und außerdem fallen keine Fahrtkosten an.
PTA-Forum: Welche Arzneimittel haben Sie vor allem abgegeben?
Engl: Die älteren Menschen waren häufig chronisch krank. Bei ihnen handelte es sich vorwiegend um Diabetiker und Hypertoniker. Die Kinder benötigen hauptsächlich Mittel gegen Magen-Darm-Erkrankungen, Eisenmangel, Parasitenbefall und Atemwegsinfektionen. Durch den gezielten Einkauf der Medikamente reichen oft kleine Summen aus, um sehr effektiv zu helfen. Dr. Vetye-Maler arbeitet selbst circa 2 Monate im Jahr in der Apotheke und spricht mit den Ärzten die Wirkstoffe für die chronisch Kranken ab.
So kann sie größere Mengen zu günstigeren Konditionen einkaufen, und die Patienten haben die Gewissheit, dass die Apotheke ihre Medikation dauerhaft vorrätig hält. Zum Beispiel kosten 90 Tabletten Metform im Einkauf 1,50 Euro und 30 Tabletten Enalapril zu 10 mg 0,50 Euro.
PTA-Forum: Unterstützt Apotheker ohne Grenzen vor Ort auch andere Projekte?
Engl: In der Nähe von San Pantaleón befindet sich eine Suppenküche, in der Schulkinder mit einer warmen Mahlzeit versorgt werden. In dieser Küche hat Apotheker ohne Grenzen ein Zahnhygieneprojekt initiiert: Alle drei Monate schenken die Mitarbeiter dort den Kindern eine neue Zahnbürste. So haben sie die Möglichkeit, sich direkt nach dem Essen die Zähne zu putzen, was zu Hause vermutlich meist nicht der Fall ist.
PTA-Forum: Sind Sie auch außerhalb der Apotheke mit den Menschen in Kontakt gekommen?
Engl: Ich konnte mir noch ein besseres Bild von der Situation machen, als ich mit der zuständigen Ordensschwester oder einem Sozialarbeiter durch das Viertel ging. Wir machten auch Hausbesuche. Da ich mich auf Spanisch mit den Menschen unterhalten konnte, wurde mir ihre prekäre Lage sehr deutlich.
PTA-Forum: Wie sieht Ihr Resümee aus, nachdem Sie wieder zu Hause sind?
Engl: Der Aufenthalt war für mich ein besonderes Erlebnis. All diese Kontakte haben mich sehr beeindruckt. Ich hoffe, dass ich mal wieder nach Argentinien fliegen kann. Die Reise war eine große Bereicherung, aber auch Motivation, mich in Deutschland mehr für Apotheker ohne Grenzen einzusetzen. Daher meine Bitte an alle Kolleginnen: Unterstützen Sie uns! Wir liefern Spendendosen an interessierte Apotheken. Jeder Euro kommt garantiert bei den Menschen an, für die er gespendet wurde.
Apotheker ohne Grenzen Deutschland
Deutsche Apotheker und Ärzte Bank Frankfurt
BLZ: 500 906 07
Konto-Nr.: 0 005 077 591