Praktische Aspekte beimSoftware-Gebrauch |
21.02.2007 10:36 Uhr |
Praktische Aspekte beim Software-Gebrauch
von Andrea Gerdemann, München, Nina Griese, Berlin
Selten legen Patienten in der Apotheke Rezepte über nur ein Arzneimittel vor. In den meisten Fällen hat der Arzt zwei oder mehr Medikamente verordnet, so dass Interaktionen auftreten können. Der Interaktions-Check mit Hilfe der ABDA-Datenbank ist ein wichtiges Instrument zur Prüfung potentieller Wechselwirkungen zwischen Arzneistoffen. In der Praxis ergeben sich konkrete Fragen: Was sollte die Software können? Wie sollte sie eingestellt sein? Welche Relevanz haben die angezeigten Meldungen wirklich?
Untersuchungen in Bayern haben gezeigt, dass in Apotheken mit einem Kundenkartenanteil von ungefähr 20 Prozent die Software täglich etwa neun schwerwiegende und mittelschwere Interaktionen meldet. Viele dieser Meldungen können PTA oder Apotheker direkt klären. In etwa der Hälfte der Fälle wird man schnell feststellen, dass nicht interveniert werden muss, zum Beispiel weil das Problem schon im Vorfeld gelöst wurde oder für den betreffenden Patienten nicht relevant ist. Bei anderen Meldungen ist eine Intervention durch PTA oder Apotheker möglich. Bei Interaktionen, die sich auf den Blutdruck oder Blutzucker beziehen, können PTA oder Apotheker dem Patienten zum Beispiel häufig empfehlen, seine Werte selbst regelmäßig zu kontrollieren oder überprüfen zu lassen. Bei der Anwendungsbeobachtung in Bayern wurde nur in etwa 5 Prozent aller Fälle die Rücksprache mit dem Arzt notwendig. PTA oder Apotheker sind bei jeder Meldung neu gefordert, die Relevanz der Angaben der ABDA-Datenbank für den betroffenen Patienten zu beurteilen und die allgemeine Informationen auf die spezielle Situation des Patienten zu übertragen.
Dokumentation sinnvoll
Um die tägliche Arbeit mit dem Interaktions-Check in der Apotheke schnell und einfach umzusetzen, ist eine geeignete Software von großer Bedeutung. Die einzelnen Softwareanbieter haben den Interaktions-Check der ABDA-Datenbank sehr unterschiedlich umgesetzt. Bei manchen Programmen wird die Interaktionsmeldung durch ein unauffälliges Blinken angezeigt, bei anderen bleibt der Arbeitsvorgang so lange unterbrochen, bis PTA oder Apotheker die Interaktion bearbeitet haben. Auch der Zugriff auf die Texte der Interaktionsmonographie und die Dokumentation der Wechselwirkungen differiert sehr und ist nicht immer optimal gelöst. Da in der Apothekenpraxis ein und derselbe Patient von verschiedenen Mitarbeitern bedient wird, ist die Dokumentation für dessen optimale Betreuung von großer Bedeutung. Diese Dokumentation ist nicht immer anwenderfreundlich von den Softwareanbieter gestaltet. Wem solche Probleme auffallen, sollte dem Hersteller die Schwierigkeiten mitteilen. Dann kann dieser die Software entsprechend optimieren.
Softwareeinstellungen wählen
Immer wieder schildern Nutzer des Interaktions-Checks eine »Warnhinweis-Ermüdung«. Diese kann auftreten, wenn PTA oder Apotheker bei der Arbeit mit Interaktionsmeldungen »überschwemmt« werden, die sie aus unterschiedlichen Gründen als nicht relevant für den Patienten einstufen. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn sich die Meldungen auf Arzneimittel beziehen, die der Patient nicht mehr einnimmt, oder auf eine Arzneimittelkombination, auf die er stabil eingestellt ist. Dasselbe gilt auch für Interaktionsmeldungen ohne klinische oder mit sehr geringer klinischer Relevanz. Wie können PTA oder Apotheker die Anzahl an solchen Interaktionsmeldungen verringern?
Alle Programme der Softwareanbieter beinhalten die Wahlmöglichkeit, welche Schweregrade an potentiellen Wechselwirkungen die Kasse anzeigt. Die ABDA-Datenbank unterscheidet zwischen schwerwiegenden, mittelschweren, geringfügigen, unbedeutenden Interaktionen und Fremdangaben (siehe PTA-Forum 1/2007). Dass PTA oder Apotheker die Interaktionsmeldungen aller Schweregrade auf ihre Relevanz überprüfen, ist nur leider häufig aus Zeitgründen nicht möglich und kann zudem zu der erwähnten »Warnhinweis-Ermüdung« führen. Daher empfiehlt es sich in der Praxis, den Interaktions-Check so einzustellen, dass die Software nur mittelschwere und schwerwiegende Meldungen anzeigt. Erst wenn alle Apothekenmitarbeiter mit diesen Meldungen vertraut sind und diese zügig bearbeiten können, kann man im Team überlegen, sich zusätzlich die geringfügigen Interaktionen anzeigen zu lassen. Wenn einzelne Schweregrade ausgeblendet sind, muss selbstverständlich das ganze Apothekenteam darüber informiert sein. Beschreibt ein Patient unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die die Software nicht unter den schwerwiegenden und mittelschweren Kategorien aufführt, sollten PTA oder Apotheker zur Abklärung der Situation auch die Interaktionen der anderen geringfügigen Schweregrade aufrufen können.
Über die Software lässt sich weiterhin der Zeitraum definieren, über den die abgegebenen Medikamente eines Patienten in den Interaktions-Check mit einbezogen werden.
Grundsätzlich ist ein siebenmonatiger Zugriff auf die Medikationshistorie sinnvoll, denn viele Patienten erhalten in der Dauermedikation Packungen mit 100 Tabletten und nicht selten müssen sie nur eine halbe Tablette pro Tag einnehmen.
Wichtig für die Praxis ist außerdem: Bei der erneuten Abgabe interagierender Arzneistoffe an denselben Patienten sollte die Software anzeigen, ob PTA oder Apotheker mit ihm diese Interaktionen bereits besprochen haben. Einige Softwarehäuser ermöglichen das durch eine einfache Markierung der Meldung, so dass diese bei der nächsten Abgabe des Arzneimittels in einer anderen Farbe erscheint. Für die Kommunikation im Team noch besser geeignet ist ein Dokumentationsbogen des Softwaresystems, auf dem die Lösung des Problems beschrieben werden kann, beispielsweise, ob der Arzt kontaktiert wurde. Diese Art der Dokumentation stellt sicher, dass alle im Team die gleichen Empfehlungen geben und somit »eine Sprache« sprechen.
Informationsquelle Patient nutzen
Nicht zu vergessen: Um die Relevanz einer Interaktion richtig beurteilen zu können, sollten PTA oder Apotheker den Patienten ausführlich befragen. Wichtige Fragen sind zum Beispiel: In welcher Dosierung sollen Sie die Arzneimittel einnehmen? Wie oft? Zu welcher Tageszeit? Wie lange? Hier ist die Unterscheidung zwischen Erst- und Wiederholungsverordnung wichtig. Bei der Erstverordnung steht die Überlegung im Vordergrund, wie relevant die gemeldete Interaktion für den Patienten sein kann. An dieser Einschätzung orientieren sich die möglichen Maßnahmen. Bei der Wiederholungsverordnung sollten PTA oder Apotheker klären, ob notwendige Untersuchungen regelmäßig durchgeführt werden, ob der Patient stabil auf die Kombination eingestellt ist oder ob es therapeutische Schwierigkeiten gibt, die mit der Interaktion zu erklären sind. Bei diesen Einschätzungen sollte man immer in Erinnerung behalten, dass alle angezeigten Interaktionen nur potentielle Interaktionen sind, also auftreten können, aber nicht müssen. Je nach Interaktion ist es sehr unterschiedlich, ob ein größerer oder nur ein kleiner Teil der Patienten die Symptome der Interaktion entwickelt.
Stufen PTA oder Apotheker die angegebene Interaktion als relevant ein, müssen sie nach Lösungen suchen. Bei einer Erstverordnung wird es häufig möglich sein, die interagierenden Arzneimittel dennoch einzunehmen und entsprechende Parameter des Patienten sorgfältig zu beobachten, so zum Beispiel die Werte für den Blutdruck, den Blutzucker, die Blutgerinnung (INR) oder das Kalium. Eine Dosisanpassung oder ein Präparatewechsel sind erst dann notwendig, wenn die Interaktion tatsächlich bei dem Patienten auftritt. Ein relevantes Beispiel aus der Apothekenpraxis ist die Wechselwirkung zwischen Glukokortikoiden und Antidiabetika. Je nach Anstieg des Blutzuckers erhöht der Arzt die Dosis des Antidiabetikums.
Dosis eventuell anpassen
Viele Interaktionen sind dosisabhängig. Eine Dosisanpassung ist daher manchmal möglich. Teilweise geben die Programme auch Höchstdosen für eine gemeinsame Einnahme vor: Dies ist bei der Kombination von Spironolacton und ACE-Hemmern der Fall. Hier lautet die Empfehlung, dass der Patient nicht mehr als 25 mg Spironolacton einnehmen soll.
Eine zeitliche Trennung der Einnahme ist fast nur bei Interaktionen möglich, die auf dem Mechanismus der Komplexbildung oder Adsorption im Magen-Darm-Trakt beruhen. Ein Beispiel für eine solche Interaktion ist die Interaktion zwischen Gyrasehemmern (zum Beispiel Ciprobay®) und Calciumpräparaten. Bei anderen Interaktionsmechanismen muss es explizit in der Datenbank aufgeführt sein, dass sich durch eine zeitliche Trennung der Einnahme die Interaktion vermeiden lässt.
In einigen Fällen wird es jedoch notwendig werden, das Präparat zu wechseln oder Arzneimittel abzusetzen. Diese Maßnahmen können außer bei der Selbstmedikation weder PTA noch Apotheker entscheiden, sondern nur der behandelnde Arzt; in diesem Fall ist daher die Rücksprache mit dem Arzt notwendig.
Details absprechen
Damit das gesamte Apothekenteam den Interaktions-Check umsetzen kann, sollten alle Mitarbeiter gemeinsam folgende Fragen klären:
Grundsätzlich sollten die Medikationsdaten aller Patienten mit chronischen Erkrankungen als Kundendatei gespeichert sein. Das Hausapotheken-Modell erfüllt diese Forderung. So können PTA oder Apotheker bei jeder Abgabe eines Arzneimittels einen automatischen Interaktions-Check zwischen allen gespeicherten Arzneimitteln, der neuen und »alten« Medikation durchführen. Sinnvoll ist es zudem im Team zu besprechen, wann die PTA einen Apotheker zu die Beratung hinzuziehen sollte. Auch die Möglichkeiten der Dokumentation bereits abgeklärter Interaktionen sollten allen bekannt sein.
Vor allem bei Arzneimitteln für die Selbstmedikation sollten alle Mitarbeiter möglichst nur solche Medikamente empfehlen, die nicht mit den gespeicherten Arzneimitteln interagieren.
Wenn alle im Team mit der Handhabung des Interaktions-Check und den Möglichkeiten der ABDA-Datenbank vertraut sind, ist die Interaktionsberatung im Apothekenalltag gut machbar. Zu dieser Einschätzung kamen die bayerischen Apothekenmitarbeiter, die an den Untersuchungen zur Umsetzung des Interaktions-Checks teilgenommen haben.
E-Mail-Adresse der Verfasserinnen:
n.griese(at)abda.aponet.de