Vorsicht mit Antibiotika |
21.02.2007 21:44 Uhr |
Vorsicht mit Antibiotika
von Ursula König, Isny
Viren, Bakterien und Parasiten verursachen infektiöse Durchfallerkrankungen. In Deutschland gehören die Noroviren zu den wichtigsten viralen Erregern einer Diarrhö, informierte Professor Dr. Thomas Weinke die Zuhörerinnen auf der PTA-Fortbildung in Isny. Beim Verzehr von kontaminiertem Fleisch, Milch und Milchprodukten, aber auch durch Trinkwasser würden die meisten Erreger einer Enteritis infectiosa übertragen.
Mit Enteritis-Salmonellen, den zweithäufigsten Erregern von Durchfall in Mitteleuropa, infizieren sich die Menschen meist durch kontaminierte Nahrungsmittel, insbesondere Geflügel und Eierspeisen. »In der Regel heilen die Durchfallerkrankungen ohne Therapie von alleine aus«, so der Chefarzt der Medizinischen Klinik für Gastoenterologie/ Infektion/ Pneumologie des Klinikums Ernst von Bergmann in Potsdam. Bei Patienten mit einer intakten Immunabwehr verordnen Ärzte in der Regel keine Antibiotika, da diese die Keimausscheidung verlängern. Andere Patienten müssten jedoch antibiotisch behandelt werden, beispielsweise Immunsupprimierte, Kinder unter einem Jahr und über 70-Jährige.
Kleine Kinder infizierten sich häufig mit Yersinia enterocolitica, ebenfalls durch kontaminierte Nahrungsmittel. Neben einer Entzündung des Dünn- und Dickdarms (Enterocolitis) klagten die Kleinen über heftige Bauchschmerzen, so der Mediziner. Oft seien die Beschwerden von einer akuten Bilddarmentzündung nicht zu unterscheiden. Schwere Krankheitsverläufen behandeln Ärzte mit einem Antibiotikum aus der Gruppe der Chinolone oder einem Cephalosporin der dritten Generation.
Wer in einer tropischen Region plötzlich wässrigen Durchfall bekommt, könnte sich mit Shigellen infiziert haben, den Erregern der bakteriellen Ruhr. An Shigellose Erkrankte litten typischerweise unter starken Bauchkrämpfen. Unbehandelt könne die Infektion in eine Kolitis übergehen. Antibiotika verkürzten die Dauer der Symptome und der Erregerausscheidung, informierte der Mediziner.
Durchfall auf Fernreisen
Als weitere Verursacher von Diarrhöen kämen pathogene Escherichia-coli-Stämme in Betracht. In diesem Zusammenhang stellte Weinke die Enterotoxin-bildenden E. coli (ETEC) und entero-hämorrhargischen E. coli (EHEC) heraus. Die ETEC-Stämme seien besonders in den Tropen verbreitet . Sie gelten als häufigste Erreger der Reisediarrhö. Etwa jeder dritte Fernreisende erkrankt daran. Der Durchfall beschränke sich meist auf wenige Tage. Wer die Krankheitsdauer abkürzen möchte, um den Urlaub wieder zu genießen, könne Antibiotika einnehmen. Neben den ETEC-Stämmen kommen auch andere Bakterien und Viren als Auslöser des Durchfalls in Frage. Ein unverzichtbarer Bestandteil der Therapie sei die orale Rehydratation. Als weitere Maßnahme kämen Motilitätshemmer zum Einsatz. Diese seien jedoch bei invasiven Erregern kontraindiziert, weil sie die Verweildauer der Keime im Darm verlängern.
Ein wichtiges Reservoir für EHEC-Stämme sind landwirtschaftliche Nutztiere, so dass Milchprodukte und Fleisch mit den Erregern kontaminiert sein können. Infektionen mit EHEC würden in der Regel symptomatisch therapiert, so Weinke. Eine Behandlung mit Antibiotika verlängere die Ausscheidung der Erreger und steigere die Toxinbildung.
Zu den wichtigsten viralen Durchfallerregern gehören die Noroviren. In Deutschland käme es vor allem in den Wintermonaten immer wieder zu epidemieartigen Ausbrüchen in Altenpflege- und Kinderheimen, aber auch in Krankenhäusern. Die Infektion verbreite sich von Mensch zu Mensch, weil dieser den Viren als einziges Reservoir dient. Mit ein bis drei Tagen sei die Inkubationszeit relativ kurz, die Therapie erfolge ebenfalls rein symptomatisch.
Antibiotika assoziierte Diarrhoe
Die Einnahme von Antibiotika, vorzugsweise von Breitspektrum-Antibiotika wie Ampicillin, Amoxicillin, Cephalosporinen und Clindamycin, führt bei bis zu einem Drittel der Patienten zu einer Diarrhö. Zu 60 bis 70 Prozent tritt der Antibiotika-assoziierte Durchfall bereits während der Behandlung auf, bei den restlichen Patienten jedoch erst verzögert bis zu vier Wochen nach der Therapie. 70 bis 80 Prozent der Fälle verlaufen unkompliziert, 20 bis 30 Prozent dagegen schwer und können beispielsweise zu einer pseudomembranösen Kolitis führen.
ypische Symptome dieser Entzündung seien starke Bauchschmerzen und -krämpfe sowie Fieber. Als extreme Komplikationen könnten Nierenversagen oder das sogenannte toxische Megakolon auftreten.
Kleinkinder unter sechs Jahren sowie Erwachsene über 50 erkranken häufiger an einer Antibiotika-assoziierten Diarrhö (AAD), ebenso Patienten mit mehreren Begleiterkrankungen. »Die einfachste therapeutische Maßnahme ist das Absetzen des Antibiotikums«, so Weinke. Muss die antibiotische Therapie allerdings fortgeführt werden, sollte der Arzt das Antibiotikum wechseln und eine Substanz aus einer Wirkstoffgruppe mit einem geringeren Risiko verordnen, zum Beispiel ein Chinolon, Tetracyclin, Sulfonamid, Cotrimoxazol oder Metronidazol.
Zur Therapie und Prophylaxe der AAD habe sich der Einsatz lebender Mikroorganismen wie Saccharomyces boulardi sowie verschiedener Laktobazillen bewährt. In Studien zeigte sich Saccharomyces boulardi Placebo significant überlegen, berichtete der Mediziner.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
koenig.uschi(at)t-online.de