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Selbstmediaktion

Wachstum schafft Probleme

22.02.2010  12:28 Uhr

Selbstmedikation bei Wachstum schafft Probleme

von Christiane Eickhoff

Mit zunehmendem Alter sehen sich viele Männer mit einer neuen Realität konfrontiert: Jede Nacht wachen sie auf, müssen die Toilette aufsuchen, und dann tröpfelt der Urin nur langsam.

Bei fast allen Männern vergrößert sich mit dem Alter die Prostata. Mediziner bezeichnen dieses gutartige Wachstum als benigne Prostatahyperplasie (BPH). Die Prostatahyperplasie führt nicht immer, aber oft zu Problemen: 40 Prozent aller Männer über 50 und mehr als 75 Prozent aller Männer über 70 Jahre bereitet die vergrößerte Prostata Schwierigkeiten beim Wasserlassen. Verursacht die Prostatavergrößerung merkliche Beschwerden, sprechen Mediziner vom benignen Prostata-Syndrom (BPS). Das BPS ist die häufigste Erkrankung in dieser Altersstufe. Daher wird sie auch »Altherrenkrankheit« genannt. 

Funktion der Prostata

Die Prostata (Vorsteherdrüse) hat ungefähr die Größe einer Kastanie. Sie umschließt die Harnröhre unmittelbar vor der Blase. Das Sekret der Prostata bildet den Großteil der Flüssigkeit, die beim Samenerguss ausgestoßen wird. Dieses Sekret ermöglicht den Spermien, sich zu bewegen. Das Wachstum der Prostata führt dazu, dass die Harnröhre zugeschnürt wird. Zusätzlich drückt die vergrößerte Prostata von unten auf die Blase. Wenn die Muskulatur der Blase beim Wasserlassen versucht, den Urin durch die Verengung hinauszudrücken, leistet sie Arbeit gegen den Widerstand. Daher nimmt ihre Muskelmasse oft mit der Zeit zu. Es bildet sich eine sogenannte Balkenblase. 

Die Ursachen der BPS sind bisher nicht vollständig bekannt. Wissenschaftler vermuten, dass hormonelle Veränderungen dafür verantwortlich sind, denn mit dem Alter ändert sich bei Männern das Verhältnis zwischen Androgenen und Estrogenen. Ist die Prostata stark vergrößert, kann eine Operation erforderlich werden. Dann schält der Chirurg einen Teil des Prostatagewebes weg oder entfernt es mittels Lasertechnik. Manche Männer werden durch die Operation zeugungsunfähig, ihre Erektionsfähigkeit bleibt aber erhalten. Die Betroffenen sollten ebenfalls wissen, dass nach einer Prostataoperation oft kein sichtbarer Samenerguss mehr erfolgt. 

Schmerzhafter Harnverhalt

Nach dem Schweregrad unterscheiden Mediziner drei Stadien des BPS. Zum Harnverhalt kann es in jedem Stadium kommen. Darunter versteht man die plötzliche Unfähigkeit, spontan Wasser zu lassen. Als Folge dehnt sich die Blase schmerzhaft aus. Hier hilft nur der Besuch beim Arzt, der den aufgestauten Urin mittels Katheter ableitet. 

Im Anfangsstadium erschwert die Verengung der Harnröhre das Wasserlassen, der Harnstrahl ist schwach oder unterbrochen, die Blase entleert sich verzögert. Viele Männer klagen über ein Nachtröpfeln. Typisch ist auch das Gefühl, dass die Harnblase nicht völlig entleert wird. Manche verspüren ständig einen starken Harndrang oder verlieren unfreiwillig Urin. Die Betroffenen müssen dann oftmals auch nachts die Toilette aufsuchen. 

Endstadium Nierenversagen

Schreitet die Erkrankung fort, kann der Mann die Blase nicht mehr vollständig entleeren, sodass Restharn in der Blase verbleibt. Oft treten dadurch vermehrt Blasenentzündungen auf. Im Endstadium bildet sich eine Überlaufblase, das heißt: Aus der übervollen Blase geht der Urin tröpfchenweise und ständig ab. Außerdem staut sich der Urin, der nicht mehr abfließen kann, bis in die Nieren zurück (Harnstauungsnieren). Letztendlich kommt es zum Nierenversagen. 

Der plötzliche, kaum zu unterdrückende Harndrang und das häufige Wasserlassen belasten die Betroffenen stark. Viele fühlen sich dadurch erheblich in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Trotzdem wird geschätzt, dass circa 70 Prozent der Männer mit Beschwerden nicht behandelt werden. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass das BPS zu den Tabuthemen gehört. Entsprechend einfühlsam müssen PTA oder Apotheker die Betroffenen beraten. Dabei sollte ein Diskretionsabstand zu anderen Kunden selbstverständlich sein. 

Dass nur knapp ein Drittel der Betroffenen mit Beschwerden behandelt wird, zeigt, wie groß der Beratungsbedarf ist. Dennoch dürfen PTA oder Apotheker einem Mann, der entsprechende Symptome schildert, nicht zur Selbstmedikation raten. Grundsätzlich sollten alle Miktionsbeschwerden (Beschwerden bei der Entleerung) zunächst von einem Arzt untersucht werden. Auch gutartige Veränderungen der Prostata können zu Inkontinenz, Impotenz, Zeugungsunfähigkeit oder Nierenschäden führen und müssen deshalb frühzeitig erkannt und gegebenenfalls behandelt werden. Eventuell verursachen andere Erkrankungen die Beschwerden, beispielsweise Blasensteine oder sogar Prostatakrebs. Im Beratungsgespräch sollten PTA oder Apotheker Männer ab 45 darauf hinweisen, dass die gesetzlichen Krankenkassen ab diesem Alter die Kosten der Vorsorgeuntersuchungen beim Facharzt übernehmen. Daher sollten sie jedes Beratungsgespräch mit der Frage beginnen, ob ein Urologe bereits die Ursache der Beschwerden abgeklärt hat. 

Großer Beratungsbedarf

Die Beschwerden mit Phytopharmaka zu behandeln, ist nur im frühen Stadium der Erkrankung sinnvoll und sollte nur in Absprache mit dem Arzt erfolgen. Phytopharmaka können grundsätzlich nur die Beschwerden durch die vergrößerte Pros-tata lindern, sie hemmen jedoch weder deren weiteres Wachstum noch bewirken sie eine Verkleinerung des Prostatavolumens. Daher lautet die Empfehlung: Während der Phytotherapie sollten die Männer den Verlauf der Erkrankung regelmäßig, das heißt, ein- bis zweimal jährlich, vom Urologen kontrollieren lassen. 

Wenn die Beschwerden stärker sind, stehen verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Verfügung: Zum einen die Alfa-Rezeptorblocker (wie Doxazosin und Tamsulosin), die über eine Entspannung des Gewebes zu einer erleichterten Blasenentleerung führen. Zum anderen die Alfa-Reduktasehemmer (wie Finasterid), die als einzige Wirkstoffgruppe das Wachstum der Prostata aufhalten und eine vergrößerte Prostata sogar wieder verkleinern können. 

Zur Linderung der Prostatabeschwerden werden eine Reihe von Verhaltensmaßnahmen empfohlen. Dazu zählen: sich körperlich bewegen, ohne sich zu überanstrengen, langes Sitzen vermeiden sowie sich vollwertig ernähren. Die Betroffenen sollten möglichst auf Alkohol verzichten, außerdem die Harnblase regelmäßig entleeren und den Harndrang nie unterdrücken. Sie sollten für eine regelmäßige Verdauung sorgen, zum Beispiel durch eine ballaststoffreiche Ernährung und ausreichend Bewegung, um einen zusätzlichen Druck auf Blase und Prostata zu verhindern. Aus Angst vor häufigen Toilettengängen trinken viele Betroffene zu wenig, was wiederum zu Verdauungsproblemen führt.

PTA und Apotheker sollten bei der Beratung daran denken, dass auch einige Arzneimittel das Wasserlassen beeinträchtigen können, beispielsweise Anticholinergika, Antidepressiva und Antiparkinsonmittel. In solchen Fällen muss der Patient mit dem Arzt besprechen, ob er das Präparat wechselt oder nur die Dosis reduziert. 

Empfehlenswerte Phytopharmaka 

Gegen leichte Beschwerden sind in Deutschland für die Selbstmedikation vor allem Extrakte aus den Früchten der Sägepalme (Sabal serrulata), der Wurzel der Brennnessel (Urtica dioica), den Samen des Kürbis (Cucurbita pepo), den Pollen des Roggens (Secale cereale) und dem afrikanischen Sternengras (Hypoxis rooperi) im Handel. 

Die Pflanzenextrakte enthalten als wirksame Bestandteile vor allem Sito- beziehungsweise Phytosterole, deren Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt ist. Wissenschaftler vermuten, dass sie die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron hemmen, das für das Wachstum der Prostata verantwortlich ist. Außerdem sollen sie den Abbau von Dihydrotestosteron fördern.

In ihrer aktuellen Leitlinie empfehlen die Urologischen Fachgesellschaften, die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU) und der Berufsverband der Deutschen Urologen (BDU), BPS mit Extrakten aus Sägepalmenfrucht, auch Sabalfrucht genannt, Brennnesselwurzel, Kürbissamen und Roggenpollen zu behandeln. Für diese Phytopharmaka liegen Wirksamkeitshinweise aus randomisierten, kontrollierten Studien vor. 

So wurde beispielsweise in einer randomisierten Doppelblindstudie an 101 Patienten ein Sabalfruchtextrakt versus Placebo untersucht. Die Studie ergab eine deutliche Besserung der Symptomatik in Bezug auf den maximalen Harnfluss und die Miktionsdauer (Entleerungsdauer). Hervorzuheben ist auch die sehr gute Verträglichkeit des Extraktes: Während der sechs Monate dauernden Studie traten keine unerwünschten Arzneimittelwirkungen auf. 

In einer weiteren randomisierten, Doppelblindstudie an 200 Patienten wurde Beta-Sitosterol gegen Placebo untersucht. In der Verum-Gruppe verbesserten sich die Symptome, allerdings hatte Beta-Sitosterol keinen Einfluss auf das Prostatavolumen. 

Bisher erbrachte allerdings keine Studie den Nachweis eines langfristigen Nutzens der Phytopharmaka. Hier besteht also noch Forschungsbedarf.

Die Patienten sollten wissen, dass sie Präparate von verschiedenen Herstellern nicht ohne weiteres austauschen können, denn zur Herstellung der Pflanzenextrakte setzen diese unterschiedliche Extraktionsverfahren ein. Die Präparate können deshalb in ihrer Zusammensetzung variieren, auch wenn sie aus der gleichen Pflanze gewonnen wurden. Ein Tipp für die Präparatewahl: Bei Präparaten mit dem Zusatz »uno« reicht die einmal tägliche Einnahme, was vielen Patienten die Behandlung erleichtert. In der Beratung sollten PTA oder Apotheker auch darauf hinweisen, dass pflanzliche Präparate nicht sofort, sondern immer erst nach vier bis sechs Wochen wirken. 

Insgesamt sind die genannten Phytopharmaka gut verträglich. Gelegentlich treten leichte Magen-Darm-Beschwerden als unerwünschte Arzneimittelwirkungen auf. Interaktionen sind nicht bekannt. Die Risiken einer Selbstmedikation sind also gering. Voraussetzung für die Selbstbehandlung der Beschwerden ist allerdings immer, dass die betroffenen Männer regelmäßig zur Verlaufskontrolle des BPS den Arzt aufsuchen. 

Phytopharmaka bei BPS richtig dosieren

Als Phytopharmaka zur Linderung der Beschwerden durch eine vergrößerte Prostata haben sich Mono- und auch Kombinationspräparate aus der Sägepalmenfrucht, Brennnesselwurzel, Kürbissamen, Roggenpollen und Beta-Sitosterin-Extrakte bewährt. Die Wirkung aller Extrakte beruht auf ihrem Gehalt an Phyto- beziehungsweise Sitosterolen. 

Sabalextrakte werden aus den Früchten der amerikanischen Sägepalme (Sabal serrulata) durch lipophile Extraktion gewonnen, denn die Phytosterole befinden sich im fetten Öl der Früchte. Patienten mit Prostatahyperplasie wird als Tagesdosis 320 mg lipophiler Drogenauszug empfohlen.

Traditionell sind die Blätter der Brennnessel als wassertreibendes Mittel bekannt. Extrakte aus der Brennesselwurzel (Urticae radix) gegen BPS werden noch nicht so lange eingesetzt. Einen Teeauszug kann sich der Patient aus 1,5 g Droge mit beliebig viel Wasser bereiten. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 4 bis 6 g Droge. In klinischen Studien linderten Präparate mit einem mit Methanol hergestellten Trockenextrakt in Tagesdosen von 300 bis 1200 mg gut die Prostatabeschwerden.

Auch Kürbissamen (Cucurbitae peponis semen) oder Kürbissamenöl lindern nachweislich Probleme beim Wasserlassen durch eine vergrößerte Prostata. Vielfach essen Patienten mit BPS die Samen direkt ganz oder zerkleinert. Als Tagesdosis wird entweder 10 g zerkleinerte Samen oder 300 bis 500 mg eines wässrig-ethanolischen Extrakts empfohlen.

Der Extrakt aus der Wurzelstockknolle des afrikanischen Sternengrases (Hypoxis rooperi) wird als Sitosterin bezeichnet. Dieser Name erweckt den Eindruck, als handle es sich dabei um eine Reinsubstanz. Der Extrakt enthält allerdings nur zu etwa 10 Prozent Sitosterin, daneben noch andere Inhaltsstoffe der Knolle. Allerdings dürfte die Hauptwirkung des Extrakts auf das Sitosterin zurückgehen. In Studien betrug die Dosis zwischen 30 und 120 mg Sitosterin pro Tag. Hypoxis rooperi ist nur als Fertigarzneimittel erhältlich.

Eine weitere Therapieoption bei Miktionsbeschwerden durch benigne Prostatahyperplasie sind Extrakte aus Gräserpollen, die hauptsächlich aus den Pollen des Roggens (Secale cereale) bestehen. Wirksam ist nur der fettlösliche Extrakt. Als Tagesdosis für Gräserpollen-Extrakte empfehlen Pharmakologen 100 mg.  

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