Streit um Wunscharzneimittel |
21.01.2011 14:08 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Seit Jahresbeginn können Patienten gegen Aufpreis ein anderes als das rabattierte Arzneimittel wählen. Die Regelung führt in den Apotheken jedoch zu Problemen. Auch die neue Packungsgrößenverordnung sorgt für Aufruhr.
Die sogenannte Mehrkostenregelung ist Teil des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG), das zum 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist. Sie soll den Patienten eigentlich mehr Wahlfreiheit gewähren. Auf Wunsch können sie ein anderes als das Rabattarzneimittel bekommen, wenn sie die entsprechende Differenz selbst tragen. Dazu zahlen sie in der Apotheke zunächst den vollen Preis und rechnen anschließend mit ihrer Krankenkasse ab. Die Kosten dieses sogenannten Vorkassen-Arzneimittels erhalten die Patienten dann von ihrer Krankenkasse aber nicht vollständig zurück. Diese erstattet ihnen nur jenen Betrag, den sie für das Rabattarzneimittel mit dem Hersteller vereinbart und damit konkret bezahlt hätte, abzüglich einer Pauschale für den Verwaltungsaufwand.
PTA und Apotheker befinden sich mal wieder im Erklärungsnotstand: Der Kunde darf ein Arzneimittel frei wählen, weiß aber nicht, was ihn das kostet. Den Apothekern werden die nötigen Informationen zur Berechnung vorenthalten.
Foto: ABDA
Bei der Umsetzung dieser neuen Regelung gibt es noch ein Problem. Da die Abschläge geheim sind, die Pharmahersteller den Kassen in den Rabattverträgen gewähren, können PTA oder Apotheker die Preisdifferenz zwischen gewünschtem und Rabattarzneimittel gar nicht ausrechnen. Der Patient weiß beim Kauf seines Wunschpräparats also nicht, wie hoch die Kosten sind, die er letztendlich selbst tragen muss. Die Kassen hätten zudem ihre Versicherten nicht ausreichend über die Mehrkostenregelung aufgeklärt, beklagt der Deutsche Apothekerverband (DAV). »Patienten kommen schlecht oder falsch informiert in die Apotheken und müssen von uns über die Fakten aufgeklärt werden«, sagte der DAV-Vorsitzende Fritz Becker.
Rabatte den Apotheken aufbürden
Auch Hersteller- und Apothekenabschlag sorgen bei der Kostenerstattung durch die Krankenkassen für Schwierigkeiten. Die Kassen wollen die Mehrkosten für die entgangenen Rabatte dem Endverbraucher nicht auszahlen. Damit bleiben die Abschläge bislang komplett bei den Patienten hängen. Einige Kassenvertreter haben den Schwarzen Peter schnell den Apothekern zugeschoben. Sie würden zu Unrecht den vollen Preis für ein Wunscharzneimittel in Rechnung stellen und damit einen »aufwandslosen Mehrgewinn« erzielen, sagte Christopher Hermann, Chefunterhändler bei den AOK-Rabattverträgen. Der Vorstandsvorsitzende des Ersatzkassenverbandes (VDEK), Thomas Ballast, schlug in dasselbe Horn. »Der eigentliche Profiteur des Mehrkostenverfahrens ist die abgebende Apotheke, da die Wunschmedikation wie ein Privatrezept behandelt wird und somit bei der Berechnung weder der Apothekenrabatt noch Herstellerrabatte abgezogen werden.«
Inzwischen hat sich auch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in die Diskussion eingeschaltet. Es stellte klar, dass weder Apotheker noch die Hersteller von der Mehrkostenregelung profitieren dürften. Vielmehr müssten sie den Kassen die Rabatte auch bei Vorkasse-Arzneimitteln gewähren. Dabei verweist das Ministerium auf das Gesetz: In der Begründung zum AMNOG heißt es, dass im Fall der Kostenerstattung weder der Versicherte noch die Kasse mit den gesetzlichen Abschlägen belastet werden dürfen. Die Umsetzung der Mehrkostenregelung sei nun Aufgabe der Vertragspartner. GKV-Spitzenverband und DAV müssten schnellstmöglich eine rechtskonforme Lösung in ihren Verträgen vereinbaren, sagte ein Sprecher des BMG. Bereits im Dezember hatten die beiden Verbände über die Mehrkostenregelung beraten, eine Einigung wurde dabei jedoch nicht erzielt.
Falsche N-Bezeichnungen im Umlauf
Seit Jahresbeginn gelten auch neue Normgrößen für Arzneimittelpackungen. Anders als bislang wurden dabei feste Stückzahlen festgelegt (zum Beispiel N1 = 10, N2 = 50 und N3 = 100 Stück). Abweichungen sind zulässig, aber nur innerhalb bestimmter Spannen. So dürfen N1-Packungen bis zu 20 Prozent größer oder kleiner sein, für N2 beträgt der Korridor 10 Prozent. Bei N3 darf der Inhalt nur nach unten um bis zu 5 Prozent abweichen. Alle Packungen außerhalb dieser Spannbreiten verlieren ihre N-Bezeichnung. Sie blieben aber trotzdem erstattungsfähig.
Die neue Packungsgrößenverordnung führt besonders im Rahmen der Rabattverträge zu Problemen. Hinzu kommt, dass einige Hersteller ihre Arzneimittel fälschlicherweise als N-Packungen gemeldet haben und diese Daten in die Apothekensoftware eingespielt wurden. DAV und GKV-Spitzenverband haben nun das Recht, die fehlerhaften Angaben auf Kosten der entsprechenden Unternehmen selbstständig zu korrigieren. /