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Alte Sitten und Gebräuche

Den Ehe-Teufel vertreiben

24.01.2014  11:06 Uhr

Von Ernst-Albert Meyer / Bis zum Lebensende eine gute Ehe zu führen, verstanden die Menschen aller Zeiten als große Heraus­forderung. Deshalb versuchten sie, mit zahlreichen Tricks bereits bei der Eheschließung die Weichen für eine erfolgreiche Ehe zu stellen. Sie waren fest davon überzeugt: Der »Ehe-Teufel« lauerte überall.

Schon vor der Heirat sollten verlobte Paare in vergangenen Zeiten eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen beachten. So durften sie sich gegenseitig weder Schuhe, noch Schere, Messer oder eine Nadel schenken. Missachteten sie diese gut gemeinten Ratschläge, drohten schwerwiegende Folgen für ihre Beziehung: Schuhe, Schere oder Messer würden ihre Liebe zertreten beziehungsweise zerschneiden. Bei Tisch sollte das Paar auf keinen Fall die Butter oder das Brot anschneiden, sonst verschiebe sich die Hochzeit oder es komme zum Streit, so die damalige Überzeugung. Die Verlobten dürften auch nicht als Pate fungieren, weil sich dann das Verlöbnis löse. Unglück brachte, wenn sie in der Verlobungszeit zusammen verreisten. Und eine ganz wichtige Vorsichtsmaßnahme: Die Braut darf sich vor der Hochzeit auf keinen Fall in ihrem Brautkleid sehen lassen. Damit beschwört sie das Unglück herbei. Dieser Brauch ist auch heute noch sehr bekannt und wird von vielen Bräuten eingehalten.

Tag und Wetter bedeutsam

Die Menschen glaubten damals fest daran, dass der Tag der Trauung über das Eheglück entscheidet. Bestimmte Tage waren von vornherein als Hochzeitstage verpönt: Dazu gehörten die Tage der Adventszeit und des Fastens, der Mittwoch und vor allem der Freitag. Die Bewohner Badens glaubten, eine Braut, die am Mittwoch heiratet, kehre bald wieder zu ihren Eltern zurück. Dienstag und Donnerstag dagegen galten als beliebte Hochzeitstage. Diese Überzeugung stammt noch aus heidnischer Zeit, denn die zwei Tage waren Tiu und Donar geweiht. Beide germanischen Götter standen der Ehe wohlwollend gegenüber. In Deutschland legten die Menschen Wert darauf, dass die Eheschließung bei zunehmendem Mond stattfand. Dann würden das Glück und der Reichtum der Neuvermählten in ähnlicher Weise zunehmen wie die Mondsichel.

Doch nicht nur der Wochentag, sondern auch das Wetter am Tag der Trauung sollte die junge Ehe beeinflussen. Schlechtes Wetter wie Regen, Gewitter und Sturm sollten Unglück über die Eheleute bringen. Schönes Wetter und Sonnenschein dagegen verhießen glückliche Ehejahre. In manchen Gegenden interpretierten die Menschen den Regen jedoch als Glücksboten. Regnete es der Braut auf den Brautkranz oder den Schleier, »wird es ihr auch Glück und Kinder regnen«. Auch Tränen bei der Heirat wurden als gutes Zeichen gedeutet: Weinte die Braut bei der Hochzeit, nahm sie gleichsam alle Tränen vorweg und damit konnte sie eine tränenlose Ehe erwarten.

Niemals ohne Rosmarin

Ein kluges Mädchen nähte heimlich einen Rosmarinzweig in die Kleidung ihres Zukünftigen. Dann konnte dieser nicht mehr von ihr lassen und musste sie heiraten. Beim Blick auf beliebte Pflanzen anlässlich der Eheschließung erweist sich der Rosmarin (Rosmarinus officinalis) in Deutschland als die Hochzeitspflanze schlechthin. Denn der aromatische Rosmarin sollte den »Ehe-Teufel« fernhalten, der für Untreue, Missverständnisse, Streit und Zerwürfnis in der Ehe sorgte, also für deren Scheitern verantwortlich war. Das junge Paar galt gegenüber dem »Antun« (Wirken) der bösen Geister und Hexen als besonders anfällig. Daher schmückten sich das Brautpaar, der Brautführer, die Hochzeitsgäste und oft auch der Geistliche mit Rosmarinzweigen. Wer die Zweige bei der Trauung tragen durfte, war in einzelnen Regionen fest geregelt: In manchen Orten Badens trugen die Brautleute und alle Gäste Rosmarin. Woanders konnte sich nur die Braut mit der Hochzeitspflanze schmücken, musste sie allerdings den Hochzeitstag über sorgfältig hüten und durfte sie nur beim Essen aus den Händen legen. Als schlimmes Zeichen galt, wenn die am Hochzeitstag angesteckten Rosmarinzweige welkten. Wie beliebt die Pflanze aufgrund ihrer antidämonischen Eigenschaften bei Trauungen war, belegt folgender alter Spruch:

»Rosmarin und Thymian wächst in unserm Garten, Jungfer Ännchen ist die Braut, soll nicht länger warten.«

Außer Rosmarin waren beim Heiraten ebenfalls Gartenraute (Ruta officinalis) und Wermut (Artemisia absinthium) beliebt. Sie sollten besonders die Braut vor den bösen Mächten schützen und waren angeblich »den Hexen ein Gräuel«.

Myrte nur für Jungfrauen

Die immergrüne Myrte (Myrtus communis) hatten die Griechen in der Antike der Liebesgöttin Aphrodite geweiht. Deshalb schmückten sich die Bräute schon in dieser Zeit mit Kränzen aus Myrte und Rosen. Die Myrte als Brautkranz symbolisierte früher – für alle sichtbar – die Jungfräulichkeit der Braut.

Um dem Brautkranz rankte sich ebenfalls viel Aberglauben: Kein anderes Mädchen durfte ihn vor der Trauung aufsetzen. Sonst würde sie eine alte Jungfer bleiben. Auf gar keinen Fall durfte die Braut den Brautkranz am Hochzeitstag vor Mitternacht ablegen, denn das bedeutete Unglück in der Ehe. In manchen Dörfern wachten sogar die Burschen und Mädchen darüber, dass keine »Unwürdige« zur Hochzeit den Myrtenkranz trug. Stand ein Mädchen im Verdacht, nicht mehr unschuldig in die Ehe zu gehen, bestreuten die Menschen in Niedersachsen in der Nacht vor der Hochzeit den Weg vom Elternhaus bis zur Kirche mit Häcksel.

Nicht nach hinten schauen

Insbesondere am Tag der Hochzeit musste vieles berücksichtigt werden. So steckte die Brautmutter am Hochzeitsmorgen ihrer Tochter heimlich einige Brotkrumen in die Tasche und ins Brautbett, denn Brot galt als Zeichen der Versöhnung. Für die Gesundheit und das Glück der Braut sollten Blätter von Rosmarin, Wermut und Raute in den Brautschuhen sorgen, für finanzielle Sicherheit in der Ehe ein Geldstück im Schuh oder im Brautkranz. Und um schlechtes Gerede abzuwehren und das Böse zu täuschen, musste die Braut am Hochzeitstag ein Kleidungsstück verkehrt herum anziehen. Die Mutter vergaß aber auch den zukünftigen Schwiegersohn nicht. Diesem steckte sie ein Säckchen mit Kräutern zu, damit er in den nächsten Jahren reiche Ernten einfahren konnte.

Eine ganz wichtige Vorsichtsmaßnahme lautete: Braut und Bräutigam durften sich auf dem Weg zur Kirche nicht umsehen. Dies würde Gefahr für das Eheglück herauf beschwören, so der damalige Glaube. Doch nicht nur das! Sah sich einer der Brautleute während des Kirchgangs um, würde er oder sie später auch nach anderen schauen und untreu werden. Geriet der Braut während des Gangs zur Kirche ein Stein in die Schuhe, dann warteten harte Ehejahre auf sie.

Keine Lücke für den Teufel

Außerdem musste sich das Brautpaar bei der Trauung eng neben­einander stellen, sodass der »Ehe-Teufel« keine Lücke fand. Gelang es ihm, sich zwischen Braut und Bräutigam zu drängen, hatte die Ehe keinen Bestand. Zerriss am Hochzeitstag das Brautkleid, sollte dies im siebten, vierzehnten oder einundzwanzigsten Ehejahr Unglück über die Familie bringen.

In vielen Ländern Europas bewarfen die Hochzeitsgäste die Braut oder das Brautpaar nach der Trauung mit bestimmten Samen. Diese sollten dem jungen Paar Glück und reichen Kindersegen bescheren. So wurden in Siebenbürgen die Jungvermählten mit Getreidekörnern, in Mecklenburg mit Lein­samen, in Schlesien mit Erbsen und in England und Dänemark mit Reis überschüttet. »Soviel Körner auf dem Kleid der Braut davon haften bleiben, soviel Kinder hat sie zu erwarten.«

Streit und Schläge

Doch auch das Verhalten der Jungvermählten am Hochzeitsabend sollte sich auf das spätere Eheleben auswirken. Nahm die Braut im »Hochzeitsgemach« selbst das Brautbett ab und strich es glatt, dann würde ihr Mann immer zärtlich zu ihr sein. Klopfte sie dagegen die Kissen, beschwor sie damit in der Ehe Streit und sogar Schläge herauf. Außerdem galt als sicher, dass derjenige, der in der Hochzeitsnacht zuerst müde wurde und einschlief, auch zuerst starb.

Das Regiment in der Hand

Selbstverständlich führte zukünftig die Frau dann das Regiment in der Ehe, wenn sie daran dachte, vor dem Gang zum Traualtar in Schuhe oder Strümpfe Kümmel und Dill zu legen und dabei leise folgenden Spruch aufzusagen: »Ich habe Kümmel und Dill, mein Mann muß tun, wie ich will.« So einfach war das, vorausgesetzt, die Braut kannte den Brauch.

Die Bewohner Niederösterreichs glaubten, dass die Frau dann in der Ehe das Sagen hätte, wenn sie nach der Hochzeit ihrem Mann den Rosmarinkranz vom Kopf nahm. Machte der Mann das selbst, war er der Herr im Haus. In der englischen Grafschaft Gloucester ist der Aberglaube populär, dass da, wo Rosmarin in einem Garten gut gedeiht, »the mistress is master«, das heißt »die Frau die Hosen anhat«.

Und heute?

Abergläubische Menschen könnten die große Zahl der Ehescheidungen auf die erfolgreiche Arbeit des »Ehe-Teufels« zurückführen. Oder liegt dies möglicherweise daran, dass die Bräuche für eine glückliche und dauerhafte Ehe in Vergessenheit geraten sind? /

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