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Cluster-Kopfschmerz

Kein Fall für die Selbstmedikation

16.01.2017  10:38 Uhr

Von Maria Pues / Cluster-Kopfschmerz lässt sich in Eigenregie nicht behandeln, denn auf die verfügbaren Arzneimittel spricht er nicht an. Dennoch sollte das Apothekenteam diese Kopfschmerzart kennen.

Beim Cluster-Kopfschmerz ist vieles anders als bei anderen Kopfschmerzarten. Das gilt für das Beschwerdebild ebenso wie für die Behandlung, denn die gängigen Kopfschmerzmittel wirken hier nicht. Damit PTA und Apotheker Betroffenen dennoch hilfreiche Hinweise geben können, ist Hintergrundwissen erforderlich. Denn zwar lässt sich der Cluster-Kopfschmerz anhand der charakteristischen Symptome meist einfach und eindeutig identifizieren, dennoch erfolgt die Diagnose häufig erst spät. Umso wichtiger ist es, dass Patienten von einer Selbstmedikation abgeraten und ein Arztbesuch empfohlen wird.

Zwar gehört Cluster-Kopfschmerz anders als Migräne (lesen Sie dazu auch Migräne: Trigger, Therapie und Trends, PTA-Forum 22/2016) oder Spannungskopfschmerz (Spannungskopfschmerz: Beratung zur Selbstmedikation, PTA-Forum 24/2016) zu den seltenen Kopfschmerzarten, doch erleiden die Betroffenen umso heftigere Schmerzattacken. Die International Headache Association (IHS) hat Kriterien definiert, die bei der Diagnose Clusterkopfschmerz zutreffen müssen (siehe Kasten).

Beim Cluster-Kopfschmerz unterscheidet man eine episodische und eine chronische Form, wobei die episodische Variante den weitaus größten Anteil ausmacht. Dabei wechseln sich Perioden, in denen es zu Attacken kommt, mit attackenfreien Phasen ab. Perioden mit Attacken können von sieben Tagen bis zu einem Jahr dauern, am häufigsten sind Perioden von vier bis zwölf Wochen. Dazwischen können Attacken-freie Zeiten von mindestens vier Wochen, aber auch von mehreren Monaten liegen.

Man unterscheidet demnach aktive und nicht aktive Phasen. In den aktiven Phasen kann es ohne äußeren Anlass, aber auch durch Triggerfaktoren ausgelöst, zu Attacken kommen, während dies in inaktiven Phasen nicht der Fall ist. Betroffene stehen dann nicht selten vor dem Rätsel, bestimmte Dinge zu manchen Zeiten »nicht zu vertragen«, zu anderen hingegen schon. Zu den möglichen Triggerfaktoren gehört die Anwendung von Nitraten in Arzneimitteln (wie Nitroglycerin), aber auch ein Aufenthalt in großer Höhe oder Histamin in Nahrungsmitteln. Besonders histaminreich sind beispielsweise gereifte Käsearten wie Camembert oder Parmesan, geräucherter oder gepökelter Fisch wie Makrele oder Hering sowie geräuchertes Fleisch, Wurst und Salami. Manche Gemüsearten enthalten an sich nur wenig Histamin, können aber die Ausschüttung im Körper fördern. Zu diesen gehören beispielsweise Zitrusfrüchte, Tomaten und Spinat. Manche Weine enthalten ebenfalls Histamin. Zudem fördert der darin enthaltene Alkohol die Ausschüttung von Histamin und hemmt gleichzeitig dessen Abbau.

Häufig in der Nacht

Cluster-Kopfschmerz tritt nur an einer Kopfhälfte und meistens nachts auf, am häufigsten ein bis zwei Stunden nach dem Einschlafen oder in den frühen Morgenstunden. Betroffene werden daher nicht selten von einem heftigen, einseitigen Kopfschmerz geweckt. Sie beschreiben den Schmerz häufig wie ein »glühend heißes Messer im Auge« oder einen »brennenden Dorn in der Schläfe« von heftigster Intensität – ganz anders also als ein Spannungskopfschmerz, der üblicherweise tagsüber auftritt und den ganzen Kopf betrifft.

Auch von der ebenfalls häufig einseitig auftretenden Migräne lässt er sich zumeist gut unterscheiden. Denn während Migräne-Patienten in einer Attacke die Ruhe suchen und der Schmerz bereits bei kleinsten körperlichen Anstrengungen stärker wird, werden Clusterkopfschmerz-Patienten zusätzlich von Unruhe und Bewegungsdrang geplagt. Sie möchten umhergehen oder schaukeln mit dem Oberkörper. Allerdings berichten auch manche Cluster-Patienten von einer Aura mit Übelkeit sowie Lärm- und Lichtscheue, wie sie bei Migräne auftritt. Die bei einer Cluster-Attacke häufigen Begleiterscheinungen unterscheiden sich dennoch eher von denen bei einer Migräne. So kommt es häufig auf der Seite des Kopfschmerzes zu einer einseitig verstopften Nase und/oder Naselaufen, einem tränenden Auge sowie einer Lidschwellung.

Anders als Migräne- und Spannungskopfschmerz spricht Clusterkopfschmerz zudem auf die gebräuchlichen und rezeptfrei erhältlichen Schmerzmittel nicht an. Berichten einzelne Patienten doch von einem gelegentlichen Ansprechen, besteht der Verdacht, dass es sich um eine Attacke von kurzer Dauer gehandelt haben könnte, die auch ohne Anwendung des Arzneimittels von selbst geendet hätte. Darüber hinaus kommt es vor, dass ein Patient nicht nur an einer Kopfschmerzart leidet, sondern es bei ihm neben Cluster-Attacken auch zu Mi­gräne-Anfällen kommt, bei denen die ­Arzneimittel üblicherweise gut wirken.

Berichtet ein Apothekenkunde über Kopfschmerzen mit den geschilderten Eigenschaften, sollte ein Arztbesuch dringend angeraten werden. So kann nach der Diagnose eine geeignete Therapie eingeleitet werden. Da die Angaben des Patienten über seine Beschwerden eine große Rolle spielen, kann das Apothekenteam ihm das Führen eines Kopfschmerztagebuches empfehlen. So muss sich der Arzt nicht allein auf die Erinnerung des Patienten verlassen, die sich mit der Zeit verändern kann.

Um eine akute Cluster-Attacke zu behandeln, kommt häufig reiner Sauerstoff zum Einsatz. Dieser wird 15 bis 20 Minuten lang über eine Gesichtsmaske inhaliert. Je früher der Patient bei einer Attacke mit der Inhalation beginnt, umso besser wirkt sie. Eine vorbeugende Wirkung besitzt die Inhalation jedoch nicht.

Unter den Arzneimitteln gegen akuten Cluster-Kopfschmerz ist Sumatriptan Mittel der ersten Wahl. Der Patient muss sich dieses jedoch mittels Autoinjektor subkutan verabreichen, da oral einzunehmende Zubereitungen mit zu starker Verzögerung wirken würden. Besteht eine Angst vor Spritzen, kann ersatzweise ein Nasenspray mit Suma- oder Zolmitriptan verwendet werden.

Bei Patienten, die keine Triptane anwenden dürfen, kann möglicherweise Lidocain-Nasenspray Cluster-Attacken beenden. Allerdings hat dieses in Studien weniger ­Patienten geholfen als die zuvor ­genannten Behandlungs­möglichkeiten.

Mittel zur Prophylaxe

Wer unter häufigen Attacken leidet, kann zudem von einer Attacken-Prophylaxe profitieren. Als Mittel der ersten Wahl wird hierbei Verapamil verwendet, wobei für den jeweiligen Patienten die individuell wirksame Dosis ermittelt werden muss. Dieser muss außerdem wissen, dass die vorbeugende Wirkung meist erst nach zwei bis drei Wochen eintritt. Zur Überbrückung erhalten manche Patienten daher Corticosteroide. Ebenfalls verwendet werden Lithium- oder Ergotamin-haltige Arzneimittel. Da bei ihnen das Risiko für Nebenwirkungen höher ist, kommen sie in der Regel erst zum Einsatz, wenn mit Verapamil nicht der gewünschte ­Effekt erreicht werden konnte. /

IHS-Kriterien des Cluster-Kopfschmerzes

A. Mindestens fünf Attacken mit den Kriterien B bis D

B. Schwere einseitige orbitale oder supraorbitale (im Bereich der Augenhöhle oder oberhalb davon) und/oder temporale (im Bereich der Schläfe) Schmerzen von 15 bis 180 Minuten Dauer

C. Entweder eines oder beide der Folgenden:

1) Mindestens ein Symptom ipsilateral (auf der gleichen Seite) zum Schmerz

  • konjunktivale Injektion (vermehrte Füllung der Bindehautgefäße) und/oder Lakrimation (verstärkte Produktion und Sekretion von Tränenflüssigkeit)
  • verstopfte und laufende Nase
  • Ödem des Augenlids
  • Stirn- oder Gesichtsschwitzen
  • Rötung von Stirn oder Gesicht
  • Völlegefühl des Ohres
  • Miose (Engstellung der Pupille) oder Ptose (hängendes Augenlid)

2) Das Gefühl von Ruhelosigkeit oder Agitation

D. Die Attacken haben (in der aktiven Phase) eine Frequenz von einer Attacke alle zwei Tage bis acht Attacken pro Tag

E. Nicht besser durch andere Erkrankungen erklärbar


Quelle: A. May et al., Therapie­empfehlungen der DMGK, Nerven­heilkunde 3/2016 (Schattauer)