PTA-Forum online
Fette

Qualität statt Quantität

22.01.2018  12:06 Uhr

Von Inka Stonjek / Fett hat einen Imagewechsel hinter sich: Früher stand vor allem der Verzicht im Fokus, mittlerweile ist es gerne auf dem Speiseplan gesehen – solange das Fettsäureprofil günstig ist.

Fett ist der Nährstoff mit der höchsten Energiedichte: Mit knapp 38,5 kJ/g übersteigt sein Brennwert den von Kohlenhydraten und Proteinen um mehr als das Doppelte. Es kann einen hohen Energieverbrauch bei körperlich schwerer Arbeit decken oder bei einem Überschuss als Depotfett gespeichert werden. Unter der Haut minimiert Fett als angemessenes Polster Wärmeverluste, im Inneren ummantelt es die Organe und schützt sie vor Druck und Stößen. Zu früheren Zeiten waren all dies wichtige Eigenschaften, um beispielsweise für längere Hungerperioden gewappnet zu sein.

Im Laufe der Zeit haben sich die Lebensumstände verändert. Die schweißtreibende Arbeit auf dem Feld ist einer bevorzugt sitzenden Tätigkeit gewichen. Der Trend zu Lebensmitteln mit hohem Verarbeitungsgrad hat Produkte mit großen Mengen an versteckten Fetten hervorgebracht. Besonders die Kombination – wenig Bewegung und zu viel Fett – kann die Entstehung von Adipositas fördern und damit assozi­ierte Erkrankungen wie Diabetes, Bluthoch­druck und Herz-Kreislauf- Erkrankungen begünstigen. Dem Ernährungsbericht 2012 zufolge hat Fett bei Männern im Median einen Anteil von 36 Prozent an der Gesamtenergiezufuhr, bei Frauen sind es 34 Prozent. Die deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt einen Fettanteil von 30 bis 35 Prozent.

Lösungsmittel und Baustoff

Neben der Rolle als Energielieferant hat Fett viele weitere physiologische Aufgaben. Es ist ein Lösungsmittel für lipophile Substanzen wie die Vitamine A, D, E und K und erleichtert ihre Resorp­tion aus dem Darm. Auch die meisten Aromen lösen sich gut in Fett, weshalb fettreiche Speisen intensiver schmecken als ihre Light-Varianten. Zudem versorgt es den Körper mit Fettsäuren: Lipasen setzen im Rahmen der Fettverdauung jeweils drei Moleküle aus dem Triglycerid-Verbund mit Glycerin frei. Sie können dann etwa zur Bildung­ von Prostaglandinen, Thromboxanen und Sexualhormonen herangezogen werden oder als Baustoff für Zellmembranen dienen.

Große Vielfalt

Die chemische Vielfalt der Fettsäuren ist groß: Sie variieren in der Ketten­länge (short-chain fatty acids, me­dium-chain fatty acids, long-chain fatty­ acids und very long-chain fatty acids), beim Sättigungsgrad (gesättigt, einfach oder mehrfach ungesättigt), bei der Position der Doppelbindungen (Omega-3, Omega-6), des Aufbaus (verzweigt/unverzweigt) und der Isomerie­ (cis/trans). Die Unterschiede beeinflussen die physikalischen, che­mischen und physiologischen Eigenschaften der Fette. So sind beispielsweise Rindertalg und Kokosfett aufgrund ihres hohen Gehalts an gesättigten Fettsäuren bei Raumtemperatur fest. Van-der-Waals-Wechselwirkungen halten die langen Kohlenstoffketten eng zusammen. Umgekehrt sind Öle flüssig, weil die gekrümmten Moleküle der ungesättigten Fettsäuren eine solch nahe Anordnung verhindern.

Von der Struktur der Fettsäuren hängt auch ihre Löslichkeit ab. Bei einer Länge von sechs bis zehn Kohlenstoff­atomen überwiegt der Einfluss der Carboxyl­gruppe: Sie sind hydrophil. Anders als ihre langkettigen Kollegen werden sie daher rasch aus Triglyceriden freigesetzt und gelangen ohne Beteiligung von Gallensäuren und Pankreaslipasen in die Darmepithelzellen. Auf dem Blutweg zur Pfortader benötigen sie keine Transporthelfer, während hingegen langkettige Fettsäuren den Weg in Chylomikronen gehüllt antreten und einen Umweg über die Lymphe nehmen müssen. Zudem haben sie mit 34,7 kJ/g einen etwas geringeren Brennwert als langkettige Fettsäuren.

Mittlere Kettenlänge

Fette mit mittelkettigen Fettsäuren werden auch als MCT – die Abkürzung steht für die englische Bezeichnung medium chain triglycerides – bezeichnet. Diese haben sich in der diäte­tischen Therapie von Fettverwertungsstörungen bewährt: Sie helfen, Fettstühle sowie die damit verbundenen Beschwerden zu vermindern und Energie­verluste auszugleichen. Den diät­etischen Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. MCTs kommen natürlicherweise in Palmkern- und Kokosöl sowie in Butter vor. Die Aufnahme ungewohnter größerer Mengen kann zu Übelkeit, Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall führen. Daher sollte die Zufuhr zunächst auf 20 g pro Tag beschränkt und langsam um 10 g pro Tag gesteigert werden. MCT-Fette haben einen Rauchpunkt von nur etwa 120 °C und eignen sich daher nicht zum Braten, Dünsten, Schmoren oder Grillen. Bei langem Warmhalten beziehungsweise Aufwärmen von mit MCT zubereiteten Speisen entsteht ein bitterer Geschmack, sodass­ sie umgehend nach der Zubereitung verzehrt werden sollten. Außerdem leisten reine MCT-Fette keinen Beitrag zur Versorgung mit essen­ziellen Fettsäuren und fettlöslichen Vita­minen.

Butter und Margarine

Margarine und Butter haben eigentlich wenig gemeinsam: Butter ist ein weitgehend naturbelassenes Milchprodukt, das aus Rahm hergestellt wird. Sie hat einen relativ hohen Gehalt an Cholesterol und gesättigten Fettsäuren, ein Viertel davon sind MCT-Fette. Margarine ist ein stärker verarbeitetes Produkt: Sie besteht aus Ölen, die raffiniert, gehärtet und mit Fetten vermischt werden. Diese sind meist pflanzlichen Ursprungs, allerdings sind auch tierische Bestandteile wie Magermilch, Joghurt oder Rindertalg erlaubt. Auch Aromen und Vitamine können zugesetzt werden. Margarine enthält im Vergleich zu Butter weniger gesättigte Fettsäuren, mehr ungesättigte Fettsäuren und so gut wie keine Transfettsäuren.

Der Sättigungsgrad von Fettsäuren entscheidet, wie sie sich auf die Lipoproteine im Blut auswirken. Gesättigten Fettsäuren wird ein ungünstiger Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem erwünschten HDL-Cholesterol und dem berüchtigten LDL-/VLDL-Cholest­erol zugeschrieben. Sie werden daher mit einem erhöhten Risiko für Fettstoffwechselstörungen und koronare Herzerkrankung in Verbindung gebracht. Das berücksichtigen auch aktuelle Ernährungsempfehlungen: Die Zufuhr von gesättigten Fettsäuren soll auf 7 bis 10 Prozent der Gesamtenergiezufuhr beschränkt, die von mehrfach ungesättigten Fettsäuren dagegen auf bis zu 10 Prozent gesteigert werden. Neuere Untersuchungen strafen die gesättigten Fettsäuren allerdings nicht mehr pauschal ab. Für die Kohortenstudie PURE haben Wissenschaftler Daten von mehr als 135 000 Menschen aus 18 Ländern ausgewertet. Sie stellten fest, dass Menschen, die viel Fett mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren zu sich nahmen, ein ge­ringeres Sterberisiko hatten als Menschen, die generell wenig Fett ver­zehren. Allerdings kritisieren einige Experten, dass die Studie lediglich den quantitativen Aspekt der Nahrung berück­sichtigt und die Qualität der Nährstoffe außer Acht lässt.

Trans-Fettsäuren meiden

Keinerlei positive Auswirkungen auf den Organismus haben trans-Fett­säuren, im Gegenteil, es sind sogar nega­tive Auswirkungen belegt. Sie erhöhen den LDL-Cholesterolspiegel im Blut und verringern den HDL-Spiegel. Metaanalysen bringen einen erhöhten Konsum mit einem Risikoanstieg für kardiovaskuläre Erkrankungen in Verbindung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt, nicht mehr als 1 Prozent der Nahrungsenergie aus trans-Fettsäuren aufzunehmen. Da diese bei der industriellen Fetthärtung entstehen, sollten insbesondere Backwaren, Fast-Food-Produkte, Snacks, Kekse, frittierte Speisen und Brot­aufstriche sparsam verzehrt werden. Natürliche Lebensmittel, die trans-Fettsäuren enthalten, zum Beispiel Milchprodukte, scheinen nicht die gleiche schlechte Wirkung zu haben.

Einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren gelten als gesund, für sie sind zahlreiche positive Auswirkungen belegt. Reich an ungesättigten Fettsäuren ist etwa Rapsöl. Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung hat festgestellt, dass der tägliche Konsum von 50 g Rapsöl über vier Wochen den Cholesterolspiegel sowie die Leberwerte übergewichtiger Männer senkt. Langfristig soll es zudem chronischen Entzündungs­reaktionen entgegenwirken.

Essenzielle Fettsäuren

Der Mensch kann viele Fettsäuren selbst bilden, scheitert aber an mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit cis-Konfiguration und bestimmten Positionen der Doppelbindungen. Essenziell für den Menschen sind daher die zu den Omega-3-Fettsäuren zählende α-Linolensäure (18:3 n-3) sowie die Omega-6-Fettsäure Linolsäure (18:2 n-6). Sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Leinöl ist mit bis zu 60 Prozent die beste Nahrungsquelle für α-Linolensäure. Auch Walnuss-, Raps-, Leindotter- oder Hanföl sind wertvolle Lieferanten. Linolsäure findet sich vor allem in Distel-, Sonnenblumen-, Maiskeim- und Sojaöl sowie in tierischen Fetten.

Superfood Kokosöl?

Kokosöl gilt als wahres Wundermittel: Es soll vor Krankheiten schützen, beim Abnehmen helfen und auch noch Haut und Haare pflegen. Experten sind sich allerdings uneinig, ob es tatsächlich so gesund ist wie oft behauptet.

Das meist im Glas vermarktete native Bio-Kokosöl ist naturrein und wird oft kaltgepresst. Es behält dadurch seine natürliche Fettsäure-Zusammensetzung, Vitamine, Antioxidanzien und das Kokosaroma. Es ist hochwertiger als das geschmacksneutrale Kokosfett in Plattenform zum Braten und Frittieren, das stark verarbeitet, gehärtet und raffiniert ist.

Das native Kokosöl enthält überwiegend gesättigte Fettsäuren, die den Cholesterolspiegel erhöhen und mit einem gesteigerten Risiko für Herzkrankheiten assoziiert sind. Neuere Studienergebnisse lassen die gesättigten Fettsäuren allerdings nicht mehr in ganz so schlechtem Licht erscheinen. Kokosöl enthält zudem Laurinsäure, die den HDL-Cholesterolspiegel erhöhen soll. Die enthaltenen MCT (siehe Text) sollen außerdem im Körper leichter ver­wertbar sein und sich positiv auf den Energiehaushalt auswirken. Wissenschaftlich sind Vorteile etwa bei der Gewichtsabnahme allerdings nicht bewiesen.

Die DGE empfiehlt, 2,5 Prozent der täglichen Energiemenge als Linolsäure und 0,5 Prozent über α-Linolensäure aufzunehmen – ein Ideal von 5:1, dem in Deutschland eine Realität von etwa 8:1 gegenüber steht. Das Verhältnis zueinander ist jedoch entscheidend, da die Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im Stoffwechsel von den gleichen Enzymen umgebaut werden und somit miteinander in Konkurrenz stehen. Sowohl Linolsäure als auch α-Linolensäure sind Ausgangsstoffe für Eicosanoide, die aber abhängig von ihrem Syntheseweg unterschiedliche Wirkungen zeigen: Eicosanoide aus α-Linolensäure wirken entzündungshemmend und gefäßerweiternd, während die aus Linolsäure Entzündungen eher fördern.

Individuelle Empfehlungen

Allgemeine Empfehlungen wie »5:1 für jedermann« könnten künftig an Bedeutung verlieren. Es zeigt sich mehr und mehr, dass nicht alle Menschen in gleichem Maße auf bestimmte Ernährungsweisen reagieren. Die Nugat-Studie (Nutrigenomics Analysis in Twins) untersuchte die Auswirkung einer fettreichen Ernährung bei Zwillingspaaren. Sechs Wochen lang bekamen die Probanden eine isokalorische Kost mit einem Kalorienanteil aus Fett in Höhe von 30 Prozent, ehe sie für weitere sechs Wochen auf eine isokalorische Kost mit 45 Prozent Fett und einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren wechselten. Erwartungsgemäß stiegen sowohl die Konzentrationen des Gesamtcholesterols als auch die des LDL- und HDL-Cholesterols signifikant an – aber nicht bei allen Probanden. Manche reagierten mit einem Anstieg des erwünschten HDL-Cholesterols und einem Abfall des schlechten LDL-Cholesterols. Bei wieder anderen sanken beide Fraktionen.

Zahlreiche Forschungsvorhaben bemühen sich, mehr über die zugrundeliegenden Mechanismen zu erfahren. »Spannend ist, ob sich Fette und Öle epigenetisch auswirken«, sagt Professor Dr. Andreas F.H. Pfeiffer vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung, der an der Nugat-Studie beteiligt war. Wäre dies der Fall, könnten Fette die Aktivität von Genen beeinflussen, ohne die DNA-Sequenz zu verändern. Dort setzt die Nutrigenomik an. Das noch recht junge Forschungsgebiet versucht, personalisierte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Denn gesunde Ernährung bedeutet offenbar für jeden etwas anderes. »Für bestimmte Zielgruppen darf Fett durchaus einen höheren Anteil an der Gesamtenergiezufuhr haben, als die von der DGE empfohlen 30 bis 35 Prozent. Solange es die richtigen Fette sind, spricht nichts gegen 30 bis 40 Prozent«, sagt Pfeiffer. /