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Bakterienresistenz

Händewaschen hilft

28.03.2007  10:59 Uhr

Bakterienresistenz

Händewaschen hilft

von Gudrun Heyn, Berlin

Überall dort, wo ständig Antibiotika verwendet werden, steigt die Zahl resistenter Bakterienstämme. In Krankenhäusern und Altenheimen stellen sie eine große Gefahr dar. Die Folge: Infektionen mit diesen Keimen sind nicht nur schwieriger zu behandeln, für Menschen mit einem schlechten Allgemeinzustand und geschwächtem Immunsystem werden sie sogar lebensbedrohlich.

Antibiotika-resistente Bakterien werden in Deutschland unter dem Begriff MRSA zusammengefasst. Ihr Namensgeber ist der Keim Staphylococcus aureus, der in den 1960er Jahren als Erster durch Resistenzen gegen Methicillin auffiel (Methicillin-Resistenter-Staphylococcus aureus; heute: Multi-Resistenter-Staphylococcus aureus). Inzwischen ist in Deutschland jeder dritte Stamm dieses kleinen kugeligen Bakteriums ein MRSA. Im Gegensatz zu den nicht resistenten Bakterienstämmen produzieren die MRSA ein verändertes Penicillinbindeprotein und schützen sich so weitgehend gegen Beta-Lactam-Antibiotika wie Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme. Doch außer Staphylococcus aureus haben auch andere Keime inzwischen Antibiotika-resistente Stämme ausgebildet. Hierzu gehören beispielsweise Pseudomonas aeruginosa, Enterokokken (Vancomycin-Resistente Enterokokken, VRE) und ESBL-Keime (Extended Spectrum Beta Lactamasen). Hinter dem Begriff ESBL-Keime verstecken sich vor allem Darmbakterien wie Klebsiella-Arten, Citrobacter und Enterobacter, die gegen Beta-Lactam-Antibiotika einschließlich der Breitspektrum-Cephalosporine und auch gegen das Monobactam Aztreonam (Azactam®) resistent sind.

Multiresistente Keime sprechen auf mehr als vier Antibiotikagruppen nicht mehr an, mit denen sich die gleiche Bakterienspezies üblicherweise gut behandeln lässt. Als Ursache für die Resistenzbildung gilt vor allem der unkritische Einsatz von Antibiotika. So wird in den USA 15 Prozent des Arzneimittelbudgets nur für Vancomycin ausgegeben.

Unkritische Verordnung

Unbestritten war die Entwicklung der Antibiotika ein großer Fortschritt in der Therapie bakterieller Infekte. Doch die Substanzen haben sich nicht nur bewährt, weil sie antibakteriell wirken, sie beruhigen auch Patienten und Therapeuten. Beispielsweise haben der behandelnde Arzt und die Eltern eines erkrankten Kindes bei der Antibiotikagabe das Gefühl, das Richtige zur Gesundung des Kindes zu tun.

»Wenn bei jedem Schnupfen Antibiotika verschrieben werden, nehmen die Resistenzen automatisch zu«, sagte Dr. Volkmar Heppert von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen auf dem 15. onkologisch-pharmazeutischen Fachkongress NZW in Hamburg mit circa 670 Apothekern und PTAs. Dies liege auch an der enormen Anpassungsfähigkeit der Mikroorganismen. Innerhalb von 20 Minuten kann sich ein Staphylococcus aureus Volk verdoppeln. Sehr rasch geben daher resistente Bakterien diese Fähigkeit an ihre Nachfolger weiter. Doch dabei bleibt es nicht: In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass die Keime ihr Können auch auf andere Bakterienspezies übertragen.

Zudem entstehen Resistenzen über die Tiermast. So ist das Glycopeptid-Antibiotikum Avoparcin lange Jahre in der Schweinemast eingesetzt worden. Vor allem multiresistente Enterokokken-Stämme wurden dadurch erzeugt. Beim Menschen lösen diese Bakterien Harnwegsinfekte und gelegentlich Infektionen der oberen Atemwege aus.

Gefahren im Krankenhaus

Die Ärzte in Krankenhäusern sind besonders häufig mit MRSA-Infektionen durch Staphylococcus aureus konfrontiert. Das Bakterium gilt daher als Superstar unter den nosokomialen (im Krankenhaus erworbenen) Erregern. So gingen beispielsweise in Großbritannien 61 Prozent aller Wundinfektionen auf das Konto von multiresistenten Keimen. Bei etwa der Hälfte der gefundenen Bakterienarten handelte es sich um Staphylococcus aureus.

Für Gesunde ist der überall in der Natur vorkommende Keim keine Gefahr. Seit Jahrtausenden haben sich Mensch und Bakterium aneinander gewöhnt. So lässt sich Staphylococcus aureus bei vielen Menschen auf der Haut und in der Nase nachweisen ohne Folgen für die Gesundheit der Betroffenen. Während einer Chemotherapie oder einer schweren Erkrankung kann das Bakterium jedoch ernsthafte Komplikationen hervorrufen. »Für morbide Patienten ist der MRSA wirklich gefährlich«, sagte Heppert. Neben Wundinfektionen gehen Lungenentzündungen und Blutvergiftungen (Sepsis) auf das Konto des Erregers.

Keime auf Kunststoffen

Aber auch der bisher als harmlos geltende Hautkeim Staphylococcus epidermidis wird in seiner resistenten Form (MRSE) inzwischen als gefährlich angesehen. Da er Kunststoffe und Metalle liebt, fühlt er sich auf Implantaten besonders wohl. So kann ihn beispielsweise ein Nagel einschleppen, der einen gebrochenen Knochen richten soll. Weiße Blutkörperchen, die zur Abwehr an den Ort des Geschehens gerufen werden, haben dann schlechte Karten. Wie alle anderen Bakterien bilden auch MRSE Biofilme aus. Dabei schließen sich die einzelnen Mikroorganismen zu einem großen Verband zusammen und schotten sich durch eine schützende Schleimschicht nach außen ab. Dies macht sie für die Abwehrzellen des Körpers unangreifbar. In der Folge verdauen die Leukozyten mit ihren Enzymen nicht mehr den Feind, sondern das menschliche Gewebe.

Übertragung verhindern

»Die Verbreitung von MRSA ist eine Messlatte für das Hygiene-Niveau eines Krankenhauses«, so Heppert. Untersuchungen in einer Bochumer Klinik ergaben bei 5,2 Prozent aller Mitarbeiter multiresistente Keime. Auch in Ludwigshafen werde bei jeder Reihenuntersuchung (Screening) kontaminiertes Personal gefunden, berichtete der Hygienebeauftragte aus seiner Klinik. Dabei wären Ärzte genau so betroffen wie Schwestern und Pfleger, bei jedem Patientenkontakt könnten sie potentiell die Erreger weiter verbreiten.
Durch ein Hygieneprogramm lässt sich die Rate an Infektionen innerhalb des Krankenhauses jedoch deutlich reduzieren. Die Desinfektion der Hände ist dabei oberstes Prinzip. Deren Bedeutung erkannte der Wiener Arzt Ignaz Semmelweis bereits vor hundertfünfzig Jahren. Indem er seine Kollegen, die Hebammen und Studenten zum gründlichen Händereinigen anregte, konnte er die Sterblichkeitsrate durch Kindbettfieber um etwa 11 Prozent senken: von fast 14 unter 3 Prozent. Heute ist erwiesen, dass 90 Prozent aller Infektionen in Krankenhäusern und Kliniken über die Hände übertragen werden.

Heppert forderte daher, Ärzte, Schwestern, Pfleger, Hilfskräfte und Gäste über diese Zusammenhänge aufzuklären und in Hygienemaßnahmen zu schulen. Zu einem guten Hygieneprogramm gehöre außerdem die kritische Überwachung betroffener Patienten. In Ludwigshafen werden Patienten mit einer MRSA-Infektion isoliert und nur diejenigen liegen in einem Zimmer zusammen, die von der gleichen Bakterienspezies befallen sind.

Tägliches Wechseln der Bettwäsche, Duschen und Desinfizieren von Flächen stehe ebenso auf dem Programm wie die regelmäßige Bakterienkontrolle. Für Pflegepersonal und Ärzte sind außer dem Kittel bei der Visite noch Mundschutz und Handschuhe vorgeschrieben. Zudem stehen MRSA-Patienten im OP-Plan stets an letzter Stelle.

Während in der Bundesrepublik derzeit die Rate der Infektionen im Krankenhaus durchschnittlich bei 32 Prozent liegt und zudem noch ansteigt, konnte sie in Ludwigshafen mithilfe des Hygieneprogramms auf 17 Prozent gesenkt werden, berichtete Heppert.
Wie erfolgreich eine gute Vorsorge ist, zeige sich auch in den Niederlanden. Dort werden beispielsweise Patienten aus MRSA-Risikogebieten wie Deutschland erst einmal isoliert. Außerdem hält sich das Krankenhauspersonal an die strikten Richtlinien zur Verabreichung von Antibiotika und zur Hygiene. Die Rate an MRSA-Infektionen in Krankenhäusern und Kliniken haben die Niederländer so auf 1 Prozent reduziert.

 

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
gheyn(at)gmx.de