Hummeln im Hintern |
28.03.2007 09:38 Uhr |
Hummeln im Hintern
von Birgit Masekowitz, Berlin
Bei Brennen und Jucken rund um den After sowie Blutungen und Schmerzen beim Stuhlgang verlangen viele Betroffene in der Apotheke ein Mittel gegen Hämorrhoiden. Dann müssen PTA oder Apotheker, zunächst die Eigendiagnose des Patienten hinterfragen, denn auch andere Erkrankungen können diese Symptome verursachen. Anschließend aus der Vielzahl der angebotenen Produkte das geeignete Präparat auszuwählen, ist keine leichte Aufgabe.
Die meisten Menschen halten Hämorrhoiden für eine Krankheit. Das ist falsch. Es handelt sich um mit arteriellem Blut gefüllte Schwellkörper, die in und über dem ringförmigen Afterschließmuskel angelegt sind. Sie bilden einen Art Polster, das gefüllt und entleert werden kann, und dienen dem Feinverschluss des Afters. Wird der Darm entleert und der Schließmuskel dabei gedehnt, fließt das Blut aus den Schwellkörpern ab. Zieht sich der After anschließend wieder zusammen, strömt erneut das Blut ein und dichtet so den Analkanal ab.
Von Hämorrhoidalleiden (von Laien als Hämorrhoiden bezeichnet) spricht man, wenn sich die Gefäßpolster durch Blutstauungen vergrößert haben und Beschwerden verursachen. Das geschieht, wenn die Blutgefäße längere Zeit nicht entleert werden, zum Beispiel bei einer Verstopfung oder wenn der Stuhlgang unterdrückt wird. Auch eine Schwangerschaft kann die Beschwerden auslösen, denn während dieser Zeit fließt mehr Blut in die Hämorrhoidalgefäße.
Da die Hämorrhoiden direkt unter der Hautoberfläche liegen, entzünden sie sich leicht oder reißen ein, vor allem wenn der Stuhl sehr hart ist. Wird beim Stuhlgang zu stark gepresst, können sie aus dem After hervortreten.
Hämorrhoiden werden entsprechend ihrer Ausdehnung, Größe und der Art der Symptome in vier Stadien eingeteilt (siehe Tabelle). Eine Unterteilung in innere und äußere Hämorrhoiden, wie sie noch immer in vielen Köpfen vorherrscht, ist dagegen medizinisch nicht korrekt.
Grad | Kennzeichen | Symptome | Pharmakotherapie |
---|---|---|---|
1 | Die Hämorrhoiden sind nur leicht vergrößert, sind von außen noch nicht sichtbar. | Jucken, Brennen und Blutungen | Adstringenzien |
2 | Beim Pressen fallen die Hämorrhoiden in den Analkanal vor, ziehen sich aber nach kurzer Zeit von selbst wieder zurück. | Jucken, Brennen und Blutungen, Fremdkörpergefühl und Schmerzen | Adstringenzien, Lokalanästhetika |
3 | Bindegewebsfasern so weit geschwächt, dass die Hämorrhoiden bei Anstrengung spontan in den Analkanal vorfallen (Analprolaps), ziehen sich nach dem Stuhlgang nicht mehr von selbst zurück, können aber manuell wieder hineingeschoben werden. | Jucken, Brennen und Blutungen, Fremdkörpergefühl und Schmerzen beim Stuhlgang, Stuhlinkontinenz, Nässen und Schmieren | postoperativ: Adstringenzien, Lokalanästhetika, Antiphlogistika (Glucocorticoide) |
4 | Hineinschieben der vorgetretenen Bereiche ist nicht mehr möglich. | wie bei Grad 3 | postoperativ wie bei Grad 3 |
Eigendiagnose überprüfen
Hämorrhoiden verwechseln Laien leicht mit anderen Erkrankungen, denn die Symptome sind unspezifisch und können vielfältige Ursachen haben. In einem Vortrag zu diesem Thema in Berlin wies Dr. Eric Martin, Offizinapotheker aus Marktheidenfeld und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der BAK, darauf hin, dass nur bei einem Bruchteil der Patienten, die in der Apotheke Rat zum Thema Hämorrhoiden suchen, eine ärztliche Diagnose vorliegt. Umso wichtiger sei es, dass Apotheker und PTA im Beratungsgespräch gezielt nach den genauen Beschwerden fragen.
Die am häufigsten genannten Symptome Jucken und Brennen könnten zum Beispiel auch bei einer Pilzinfektion oder einem Analekzem auftreten, betonte er. Ebenso könnten Analfisteln, das sind entzündete Verbindungsgänge zwischen Darm und Haut, Feigwarzen oder Marisken (schlaffe Hautfalten am Anus) die Auslöser sein. Manchmal sei schlicht eine unzureichende Analhygiene schuld. Aber auch eine Wurminfektion sei denkbar, schließlich gehöre hier der Juckreiz und das damit verbundene Kratzen zum Vermehrungszyklus dazu, sagte Martin.
Farbe des Blutes ist entscheidend
Hämorrhoiden hinterlassen hellrote Blutspuren an der Stuhloberfläche oder am Toilettenpapier. Da die Blutungsquelle im Analkanal liegt, ist das Blut noch nicht geronnen. Hellrote Blutungen können auch bei schmerzhaften Haut- und Schleimhauteinrissen der Aftergegend, sogenannten Analfissuren auftreten.
Ist das Blut allerdings dunkelrot, also bereits geronnen, entstammt es höheren Darmabschnitten. In diesem Fall sollten die Patienten dringend beim Arzt die Ursache abklären lassen, denn dunkelrotes Blut weist meistens auf ernsthafte Erkrankungen wie chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Dickdarmkarzinome hin.
An Hämorrhoiden Erkrankte leiden häufig unter mehren Symptomen gleichzeitig. Schildert ein Kunde nur ein Symptom, kommen viele andere Ursachen in Frage. Generell gilt: Treten die Beschwerden das erste Mal auf, ist ein Besuch beim Arzt, am besten bei einem Proktologen ratsam. Nur dieser kann andere Erkrankungen ausschließen. Sind die Ursachen abgeklärt, verschaffen relativ einfache Mittel bei Hämorrhoiden 1. und frühen 2. Grades Erleichterung. In den späteren Stadien muss ein Arzt entscheiden, welche Behandlung in dem individuellen Fall die beste ist. Kleinere ambulante Eingriffe können eine Operation ganz vermeiden oder zumindest aufschieben. Hämorrhoiden der höheren Grade müssen operiert werden.
Grundlage jeder Behandlung von Hämorrhoidalbeschwerden ist die richtige Hygiene im Analbereich. Außerdem sollte der Betroffene sich faserreicher, also ballaststoffhaltiger ernähren und ausreichend trinken. Diese einfachen Maßnahmen wirken Stuhlunregelmäßigkeiten sowie hartem Stuhl entgegen. Wenn nötig können auch Quellmittel wie Weizenkleie, Leinsamen oder Indischer Flohsamen zum Einsatz kommen. Außerdem sollten die Patienten den Stuhldrang nicht unterdrücken, denn langes Warten führt zur Eindickung des Stuhls. Beengende Kleidung, vor allem enge Gürtel hemmen die Darmmotorik und sind besser zu meiden. Nach dem Stuhlgang ist die schonende, aber gründliche Reinigung wichtig. Die Analregion kann mit reichlich Wasser abgespült oder auch mit feuchtem Toilettenpapier gereinigt werden. Reizende Seifen, Duftstoffe oder zu starkes Reiben mit Toilettenpapier können das Krankheitsgeschehen dagegen verschlimmern.
Neben den allgemeinen Maßnahmen zur Stuhlhygiene können die Betroffenen Hämorrhoiden des 1. und 2. Grades lokal mit Schmerzmitteln, Antiphlogistika und Adstringenzien behandeln. Die Palette der im Handel befindlichen Präparate ist groß, doch welche Wirkstoffe eignen sich am besten für die Therapie?
Viele Präparate, die für die Selbstmedikation zur Verfügung stehen enthalten eine Kombination aus Lidocain, Bufexamac, Bismutsalzen und Titandioxid (Faktu akut®, Haemo-Exhirud Bufexamac®, Hexamon Bufexamac®, Mastu S®).
Problematische Kombination
Lidocain, Benzocain und Cinchocain sind Lokalanästhetika. Sie hemmen durch Blockade von Natrium-Kanälen die Schmerzweiterleitung und werden unter anderem in Form von Salben und Zäpfchen bei analen Beschwerden eingesetzt. Um die systemische Wirkung der Lokalanästhetika zu minimieren, dürfen die Zäpfchen nicht zu tief eingeführt werden. Darauf sollten PTA oder Apotheker im Beratungsgespräch hinweisen. Das gilt vor allem für das stark wirksame Lidocain. Bei Benzocain ist außerdem das allergene Potential zu beachten.
Zur Linderung der Schmerzen bei Hämorrhoiden, die erst ab dem 2. Grad auftreten, haben Präparate mit Lokalanästhetika durchaus ihre Berechtigung. Vorher ist der Einsatz von Lokalanästhetika deshalb unsinnig. Auch einige rezeptfreie Monopräparate enthalten Lokalanästhetika, zum Beispiel Anaesthesin® S oder LidoPosterine®. Der Vorteil von LidoPosterine ist, dass die Packung einen Applikator für die Anwendung im After enthält.
Kontaktallergien durch Bufexamac
Das antiphlogistisch wirkende Bufexamac ist zugelassen für die topische Therapie bei Neurodermitis und chronischen Ekzemen und unterliegt nicht der Verschreibungspflicht. Der genaue Wirkmechanismus ist nicht bekannt und die Wirksamkeit seit längerem umstritten. Der Grund dafür ist, dass Bufexamac häufig Kontaktallergien auslöst. Um dieser Vermutung nachzugehen, untersuchte der Informationsbund Dermatologischer Kliniken von 1999 bis 2004 circa 40 000 Patienten mit Verdacht auf allergisches Kontaktekzem epikutan mit Bufexamac. Ihre Ergebnisse lassen darauf schließen, dass pro Jahr in Deutschland etwa 6000 Patienten an einer Kontaktallergie durch Bufexamac erkranken.
Angesichts dieser Ergebnisse riet die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) im letzten Jahr von der Anwendung Bufexamac-haltiger Zubereitungen ab. Dieser Empfehlung sollten auch PTA und Apotheker bei der Auswahl eines geeigneten Präparates folgen.
Kombinationspräparate enthalten außerdem Titandioxid und Bismutsalze wie das basische Bismutgallat. Bei beiden handelt es sich um Adstringenzien, die durch Denaturierung von Haut- und Schleimhautproteinen Gewebsläsionen abdichten können. Sie wirken antiexsudativ, abschwellend und wundheilungsfördernd. Leider sind sie nur in Kombination mit Bufexamac erhältlich.
Pflanzliche Alternative
Als besser verträgliche Alternative mit guter Wirksamkeit stehen Salben und Zäpfchen mit dem Extrakt der Hamamelisblätter (Zaubernuss, Hamamelis virginiana L.) zur Verfügung. Hamamelisextrakt enthält ein komplex zusammengesetztes Stoffgemisch aus Gerbstoffen, vor allem Gallotanninen, Ellagtannin und freie Gallussäure. Gerbstoffe verfestigen durch Vernetzung von Proteinen die obersten Kolloidschichten der Haut und dichten so in niedrigen Konzentrationen die Zellmembranen ab. In höheren Konzentrationen bewirken sie eine oberflächliche Proteindenaturierung, und dadurch entsteht eine schützende, reizmildernde Koagulationsmembran.
Auf diese Weise wirken Hamamelisextrakte adstringierend, entzündungshemmend und lokal blutstillend. Sie eignen sich zur Behandlung von Hämorrhoiden des 1. Grades sowie nach Sklerosierung und operativer Entfernung der Hämorrhoidalknoten. Sie können außerdem bei juckenden, schmerzenden Ekzemen und Fissuren, lokalen Entzündungen und oberflächlichen Wunden eingesetzt werden. Spezielle Salben für den Analbereich (wie Posterine®) enthalten einen entsprechenden Applikator, mit dem die Salbe in den After eingebracht werden kann. Die Anwendung erfolgt morgens und abends nach dem Stuhlgang, in akuten Phasen aber auch häufiger.
Salbe oder Zäpfchen?
Grundsätzlich können Menschen mit Hämorrhoidalbeschwerden beide Applikationsformen anwenden. Die Vorstellung, dass Zäpfchen für die innerliche und Salben ausschließlich für die äußere Applikation vorgesehen sind, ist überholt. Die meisten Salben enthalen Applikationshilfen für die Anwendung im After. Bei den meisten Präparaten sind diese gleich mit in der Packung enthalten.
Sinnvoll sind auch Tamponzäpfchen, denn sie enthalten eine Mulleinlage. Diese bewirkt, dass das Zäpfchen im Bereich des Analkanals fixiert wird. Mit Hilfe des Mullstreifens kann der Anwender den korrekten Sitz prüfen und gegebenenfalls korrigieren. Rezeptfrei gibt es Tamponzäpfchen nur in LidoPosterine®.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
birgit.masekowitz(at)gmx.de