Krankheit ins Bewusstsein rücken |
26.03.2007 11:47 Uhr |
Krankheit ins Bewusstsein rücken
von Désirée Kietzmann, Berlin
Spannungen, Kribbeln und Schmerzen in den Beinen – über 50 Millionen Bundesbürger leiden an einer Venenerkrankung. Da die schwerwiegenden Folgeschäden häufig unterschätzt werden, klären Experten während des Deutschen Venentags am 21. April 2007 über Ursachen, Komplikationen und Vorsorgemöglichkeiten des Volksleidens auf.
Die Venen sind die Schwerstarbeiter des Gefäßsystems im menschlichen Organismus. Sie transportieren täglich rund 7000 Liter sauerstoffarmes Blut entgegen der Schwerkraft aus allen Bereichen des Körpers zum Herzen zurück. Bei diesem Prozess sind sie auf die Hilfe der Skelettmuskeln angewiesen. Wenn die Muskeln kontrahieren, werden die Gefäße zusammengedrückt und das Blut herzwärts gepresst. Zusätzlich entsteht beim Einatmen ein Unterdruck in den Venen, der das Blut zur Körpermitte zieht. Außerdem verhindern die Venenklappen den Rückfluss des Blutes und wirken somit wie ein Rückschlagventil.
Dieses ausgeklügelte System funktioniert jedoch nur bei intakten Gefäßen. Sind die Venen erweitert, geschlängelt, und schließen die Klappen nicht mehr vollständig, spricht der Mediziner von Krampfadern. Dann fließt das Blut zurück und staut sich in den Beinen. Tritt Flüssigkeit ins Gewebe über, entstehen Ödeme, die sich als Schwellungen, besonders im Knöchelbereich, zeigen. Unbehandelt kann das Krampfaderleiden zu einer chronisch venösen Insuffizienz führen, äußerlich als Braunfärbung, Verdünnung und Schwellung der Haut sichtbar.
Dass sich Venenleiden zur Volkskrankheit entwickelt haben, ist zu einem großen Teil auf die heutigen Lebens- und Arbeitsumstände zurückzuführen. Denn als Risikofaktoren gelten langes Stehen oder Sitzen, Bewegungsmangel und Übergewicht. Neben der erblichen Vorbelastung steigert auch eine Schwangerschaft das Risiko, ein Krampfaderleiden zu entwickeln.
Häufig tun die Betroffenen die Symptome wie schwere und schmerzende Beine, Kribbeln und Spannungsgefühl als Bagatellbeschwerden ab. Jedes Venenleiden ist jedoch behandlungsbedürftig, denn gestautes Blut neigt zum Gerinnen. Als Folge einer Veneninsuffizienz kann sich deshalb eine Thrombose entwickeln. Wandert der Thrombus, droht eine Lungenembolie mit Todesfolge. Ferner manifestiert sich bei etlichen Betroffenen ein offenes Bein als Spätfolge einer untherapierten Venenschwäche. Um das Bewusstsein für Venenleiden in der Bevölkerung zu schärfen, bieten am Deutschen Venentag unter anderem Venenkliniken und Arztpraxen bundesweit Veranstaltungen an.
Venenfunktion in Offizin bestimmen
Auch Apotheken nutzen die Möglichkeit, ihre Kunden mit einem Aktionstag für die Gesundheit ihrer Venen zu sensibilisieren. Als besonderes Serviceangebot bestimmen viele Apotheker und PTAs die Venenfunktion ihrer Kunden mit einem speziellen Messgerät. Dazu wird zehn Zentimeter über dem Knöchel ein Photodetektor aufgesetzt. Der sitzende Patient pumpt durch zehnmaliges Anheben des Vorderfußes die Venen leer. Anschließend erfasst das Gerät, wie lange es dauert bis die Vene wieder mit Blut gefüllt ist. Sind die Venenklappen bereits geschädigt, fließt das Blut schnell von oben nach. Werte unter 25 Sekunden gelten als pathologisch auffällig.
Seit 2006 ist es noch einfacher, die Venenfunktion in der Offizin zu bestimmen. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie hat einen Fragebogen entwickelt, mit dessen Hilfe der Apothekenmitarbeiter zusammen mit dem Patienten die Wahrscheinlichkeit einer Venenerkrankung abschätzen kann (siehe PZ 18/06). Diese sowohl schnelle als auch sichere Methode ebnet den Weg in ein kompetentes Beratungsgespräch. Je schwerer die Erkrankung der Venen, desto höher ist die Punktzahl im Test. Das Ergebnis liefert einen zuverlässigen Hinweis darauf, ob eine Linderung der Beschwerden mit Venentherapeutika möglich ist oder der Patient einen Arzt konsultieren sollte.
Venenpatienten rundum versorgen
PTA und Apotheker sollten jedem Venenpatienten raten, viel Sport zu treiben und eventuelles Übergewicht abzubauen. Gegen leichte Beschwerden und zur Präventionen sind interne und externe Venentherapeutika aus der Apotheke empfehlenswert. Bei akuten Spannungen und Schmerzen in den Beinen kann der Patient ein kühlendes Gel vom Knöchel aufwärts einmassieren. Um ein Fortschreiten des Krankheitsprozesses aufzuhalten, eignen sich Phytopharmaka zur peroralen Applikation. Extrakte aus Rosskastaniensamen, Roten Weinrebenblättern, Steinkleekraut und Mäusedornwurzelstock sind als Kapseln, Dragees, Filmtabletten oder Tropfen im Handel. Die enthaltenen Flavonoide, Saponine oder Cumarine dichten die Gefäßwände von innen ab und verhindern somit die Entstehung neuer Ödeme. Zusätzlich schützen sie die Venen durch ihre entzündungshemmende Wirkung.
Eine manifeste chronisch venöse Insuffizienz bedarf jedoch einer Kompressionstherapie. Der Strumpf unterstützt die Muskelpumpe, indem er ihr einen festen Widerstand entgegensetzt. Der Druck presst das Wasser aus dem Gewebe, beseitigt damit bestehende und verhindert die Ausbildung neuer Ödeme. Da insbesondere älteren Menschen häufig die nötige Kraft zum Anlegen des Strumpfes fehlt, sollten PTA oder Apotheker ihnen stets eine Anziehhilfe anbieten. Wichtig ist es auch, die Patienten im Rahmen der pharmazeutischen Betreuung darüber aufzuklären, dass die Kompressionskraft des Strumpfes nach etwa sechs Monaten nachlässt. Bei medizinischer Indikation erstatten die Krankenkassen deshalb in der Regel den Großteil der Kosten von zwei Paar Strümpfen pro Jahr.
Unter der Adresse www.venenliga.de finden Interessierte zahlreiche Informationen rund um den Deutschen Venentag sowie die venöse Insuffizienz, Besucher können einen 2-Minuten Venentest durchführen und an Experten Fragen richten. Der Fragebogen ist abrufbar unter www.phlebology.de.
E-Mail-Adresse der Verfasserin:
desireekietzmann(at)gmx.de