Meinem Kind ist übel |
03.04.2009 11:42 Uhr |
Meinem Kind ist übel
Von Christiane Eickhoff
Mit den richtigen Maßnahmen und Arzneimitteln können Eltern oft vorausschauend verhindern, dass ihrem Kind während einer Reise übel wird. Erfahrene Eltern kennen außerdem eine Menge kleiner Tricks, die ihren Kleinen gegen Bauchschmerzen helfen. Immer vorausgesetzt sie beachten die Grenzen, ab wann sie einen Arzt aufsuchen müssen.
Unter Reisekrankheit, auch Kinetose genannt, leiden viele Kinder zwischen zwei und zwölf Jahren. Mädchen scheinen dabei empfindlicher zu sein als Jungen. Oft ruft schon eine kurze, aber kurvenreiche Fahrt mit dem Auto die Beschwerden hervor. Säuglinge dagegen sind unproblematische Reisegefährten, da ihr Gleichgewichtssinn noch nicht voll entwickelt ist.
Normalerweise erzeugt jede Bewegung durch die verschiedenen Sinneswahrnehmungen, Sehen, Hören und Tasten sowie das Gleichgewichtsorgan und durch Muskelkontraktionen ein stimmiges Gesamtbild im Gehirn. Brechreiz und Übelkeit entstehen dann, wenn für das Gehirn verschiedene Sinnesreize nicht zusammen passen. Sitzt ein Kind beispielsweise im Auto und liest gleichzeitig ein Buch, richten sich seine Auge auf die ruhigen Buchseiten im Fahrzeug und signalisieren dem Gehirn Stillstand, doch zur selben Zeit vermitteln andere Sinnesorgane, unter anderem die Gleichgewichtsorgane in den Ohren, Bewegung. Dieser Widerspruch ruft die typischen Symptome der Reisekrankheit hervor.
Eine Kinetose kann plötzlich auftreten oder Vorboten kündigen das Unheil an: Müdigkeit, zwanghaftes Gähnen, Kopfschmerzen, Speichelfluss oder kalter Schweiß. Die Betroffenen konzentrieren sich dann meist zunehmend auf die Beschwerden. Kurz danach wird ihnen schwindlig, übel, und sie müssen sich erbrechen. Bei schweren Formen führt die Kinetose bis zum Kreislaufkollaps.
Auf große Mahlzeiten verzichten
Für die Eltern wichtig zu wissen: Lärm sowie ein zu voller oder leerer Magen begünstigen die Reisekrankheit. Daher sollten Kinder bereits am Abend vor der Reise nur noch eine leichte Mahlzeit zu sich nehmen, wie Brot oder Obst. Außerdem sollten sie die Reise möglichst ausgeschlafen und ohne Hektik antreten. Manche Eltern haben die Erfahrung gemacht, dass ihre Kinder längere Autofahrten gut überstehen, wenn es draußen dunkel ist und sie unterwegs schlafen können.
Während einer Autofahrt tagsüber sollten die Kinder aus dem Fenster sehen und idealerweise in der Mitte der Rückbank sitzen. Im Bus empfiehlt sich ein Platz vor der Vorderachse. Die aktive Teilnahme an der Fahrt und dem Straßenverkehr, zum Beispiel durch gemeinsames Spielen wie Autos zählen, kann helfen, die Sinneseindrücke in Einklang zu bringen. Hilfreich kann auch sein, die Kinder während der Fahrt über Kopfhörer Musik oder ein Hörspiel hören zu lassen. Die akustischen Signale überdecken dann die auslösenden Reize einer Kinetose. Ablenkung ist immer sinnvoll.
Die Eltern sollten auch zum Wohl der Kinder immer wieder den Innenraum des Wagens gut lüften, in jedem Fall intensive Gerüche wie Zigarettenrauch oder Essen vermeiden, beim Tanken darauf achten, dass kein Benzingeruch ins Auto dringt. Ausreichend Pausen, in denen sich die ganze Familie bewegt, helfen ebenfalls. Noch ein Tipp: Ab und zu ein Zwieback oder eine Salzstange beschäftigen den Magen und beugen Übelkeit vor.
Bei Seefahrten leiden Kinder noch mehr als bei einer Fahrt mit dem Auto. Die lauten Maschinengeräusche bei größeren Schiffen tragen ihren Teil dazu bei. Oft hilft schon ein Standortwechsel in die Mitte des Schiffes, wo die Auf- und Ab-Bewegungen am geringsten sind. Der Blick auf den Horizont erleichtert es dem Gehirn, die Bewegungen zu verarbeiten. Ein Trost bei längeren Seefahrten: Bei denmeisten Menschen gewöhnt sich der Körper nach zwei bis drei Tagen an den neuen Zustand.
Mit Medikamenten vorbeugen
Wer sich auf die genannten Tricks nicht verlassen will, sollte seinem Kind vorbeugend ein Arzneimittel gegen Reisekrankheit geben. Erst bei Bedarf eingesetzt, ist der Erfolg meist gering. Mittel der Wahl sind Antihistaminika, vor allem der Wirkstoff Dimenhydrinat. In der Beratung sollten PTA oder Apotheker klären, ob das betroffene Kind andere zentralwirkende Arzneimittel einnehmen muss, zum Beispiel Antiepileptika oder Psychopharmaka. In diesem Fall verbietet sich die Selbstmedikation.
Entscheidend ist die Wahl der Darreichungsform. Die Wirkung von Kaugummis, zum Beispiel Superpep®, setzt bereits nach wenigen Minuten ein. Damit sind Kaugummis allen anderen Darreichungsformen deutlich überlegen. Aufgrund des schnellen Wirkeintrittes helfen Kaugummis auch noch bei den ersten Anzeichen einer Übelkeit.
Außerdem bewährt haben sich Tabletten (wie Reisegold®) und Zäpfchen (wie Vomex A® Kindersuppositorien mit 40 mg und 70 mg). Die Hersteller empfehlen, diese eine halbe Stunde vor Fahrtantritt einzunehmen beziehungsweise einzuführen. Da die Präparate etwa vier Stunden wirken, ist bei einer längeren Reise eine weitere Einnahme oder Gabe notwendig. Dass die Arzneimittel müde machen, sehen die Eltern meist als Vorteil an. Falls sie selbst Antihistaminika einnehmen, sollten sie unbedingt beachten, dass diese ihr Reaktionsvermögen und damit auch ihre Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.
Als pflanzliche Alternative steht Ingwer zur Verfügung. Schon vor Jahrhunderten kauten die Seefahrer Ingwerwurzeln gegen Übelkeit. In der Apotheke sind zum Beispiel Zintona® Kapseln erhältlich, die allerdings erst für Kinder ab sechs Jahren zugelassen sind. Als homöopathische Mittel gegen Reisekrankheit helfen Cocculus oder Tabacum (D3 bis D6). Weitere Möglichkeiten der Homöopathie finden Sie hier. Ist dem Kind bereits übel, nützt meist keines dieser Arzneimittel mehr. Bei einer Autofahrt müssen die Eltern dann eine längere Pause einlegen, bis sich das Kind an der frischen Luft wieder ausreichend erholt hat.
Bauchweh nicht unterschätzen
Viele Kinder klagen regelmäßig über Bauchschmerzen. Meist sind die Beschwerden harmlos und das Unwohlsein schnell wieder vorbei. Die Probleme können beispielsweise durch zu viel, zu fettes oder süßes Essen verursacht sein. Oft machen den Kleinen Blähungen, Verstopfung oder ein unkomplizierter Darminfekt zu schaffen.
Bauchschmerzen können aber auch ein Alarmsignal sein und auf eine Vielzahl, zum Teil schwerwiegender Krankheiten hinweisen, unter anderem auf eine Blinddarmentzündung, einen Harnwegsinfekt, eine beginnende Lungenentzündung, Darmeinstülpungen (Invagination) oder Wurmerkrankungen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern verursachen meist körperliche Erkrankungen die Bauchbeschwerden. Leiden Kinder jedoch häufig ohne erkennbaren Grund an Bauchschmerzen, können auch seelische Gründe verantwortlich sein. Dies spielt oft bei älteren Kindern eine Rolle, die Schwierigkeiten in der Schule, mit der Familie oder Freunden, Ängste oder Stress haben. Die meisten Kinder müssen noch lernen, ihre Gefühle zu äußern.
Bauchschmerzen ernst nehmen
Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie leiden 10 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter Beschwerden, für die es keinen erkennbaren organischen Grund gibt. Bauchschmerzen stehen dabei ganz oben auf der Liste. Eltern müssen diese Beschwerden unbedingt ernst nehmen, denn je eher sie mit dem Kind einen Arzt aufsuchen, desto schneller wird diesem professionell geholfen.
Insbesondere kleine Kinder können Schmerzen nicht richtig lokalisieren. So fühlen sie oft Schmerzen an ganz anderen Stellen des Körpers, zum Beispiel Kopfschmerzen als »Bauchweh«. Weint das Kind ununterbrochen, ist blass, zieht seine Beine an und ist sein Bauch stark angespannt, gewölbt oder auch ganz flach, leidet es wahrscheinlich unter starken Schmerzen. Halten diese länger als eine Stunde an oder kehren sie in kurzen Abständen kolikartig immer wieder, müssen die Eltern sofort einen Arzt aufsuchen.
Der Arztbesuch ist ebenfalls dringend nötig, wenn das Kind still oder teilnahmslos ist oder sich nicht beruhigen lässt. Zusätzliche Symptome wie Durchfall, Blut im Stuhl, Fieber, Erbrechen, Schüttelfrost machen ebenfalls den Arztbesuch erforderlich. Der Kasten enthält eine Reihe von Symptomen, mit denen Klein- und Schulkinder sofort einem Arzt vorgestellt werden müssen.
Nähe und Zuwendung helfen
Gegen leichte Bauchschmerzen helfen Klein- und Schulkindern oft die bewährten Hausmittel. Fenchel- oder Kümmeltee trinken viele Kinder gerne und empfinden ihn als wohltuend. Die Eltern sollten den Tee möglichst aus frisch angestoßenen Früchten bereiten und abgedeckt 10 Minuten ziehen lassen. Außerdem hilft meist eine Wärmflasche oder eine leichte Bauchmassage. Nicht zu unterschätzen ist die Nähe und die Zuwendung der Eltern. Sie sollten sich deshalb in solchen Situationen ausreichend Zeit für ihre Kinder nehmen.
Nicht nur akute, auch chronische Bauchschmerzen muss der Arzt abklären. Bei Säuglingen verursachen in den ersten Lebensmonaten meist Blähungen die chronischen Beschwerden. Der Besuch beim Kinderarzt wird dann nötig, wenn die Koliken anhalten und die üblichen Maßnahmen, zum Beispiel Präparate mit entschäumenden Wirkstoffen wie Dimeticon, Bauchmassagen oder Tees, nicht helfen.
Verstopfung sofort behandeln
Auch Verstopfung kann chronische Bauchschmerzen verursachen. Es existieren keine allgemeinen Regeln, wie häufig ein Kind Stuhlgang haben sollte. Einige müssen nach jeder Mahlzeit die Toilette aufsuchen, andere nur alle drei bis vier Tage. Auch bei Säuglingen, die noch gestillt werden, gibt es keine Norm. Dort gilt dieselbe Faustregel wie für Erwachsene: Alles ist möglich zwischen siebenmal am Tag und alle sieben Tage.
Ist der Stuhl hart und trocken, wird die Entleerung meist schmerzhaft. Dann müssen die Eltern schnell handeln. Aus Angst vor Schmerzen unterdrücken Kinder sonst den nächsten Stuhlgang, sodass sich die Verstopfung verschlimmert.
Selten hat die Obstipation bei Kindern organische Ursachen, häufig ist sie durch die Ernährung bedingt. Ein typischer Zeitpunkt für Verstopfungssymptome ist das Alter sechs Monate, wenn die Mütter üblicherweise die Ernährung des Kleinkinds von Muttermilch auf Beikost umstellen. Auch zu wenig Bewegung, Reisen oder ein vorheriger Durchfall kommen als Auslöser in Frage, ebenso wie psychische Faktoren. So reagieren manche Kleinkinder auf die Trennung der Eltern, den Wiedereintritt eines Elternteils ins Berufs-leben oder die Geburt eines Geschwisterkindes mit Verstopfung.
Gegen akute Beschwerden helfen Zäpfchen, Mikroklysmen oder Rektiolen (zum Beispiel Microklist® oder Babylax®). Die Wirkung setzt fast unmittelbar ein und, da bei diesen Arzneiformen der Magen-Darm-Trakt umgangen wird, ist das Risiko möglicher Nebenwirkungen sehr gering. Klysmen lassen sich leichter einführen, wenn Mutter oder Vater die Spitze großzügig mit Vaseline bestreichen. Den ganz Kleinen kann auch ein warmes Bad helfen, da die Entleerung in warmes Wasser weniger schmerzhaft ist.
Die oberste Priorität ist, den Stuhl weich zu halten, damit es nicht zu einer erneuten Stuhlansammlung kommt. Hierfür eignen sich zum Beispiel die gut verträglichen Präparate mit Macrogol (wie Movicol Junior® oder Macrogol Stada®).
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