PTA-Forum online
Wundheilung

Verletzt – und jetzt?

03.04.2009  11:17 Uhr

Wundheilung

Verletzt – und jetzt?

Von Iris Priebe

An den ersten wärmeren Tagen gehen viele Gartenbesitzer wieder ihrem Hobby nach. Doch so gesund die Tätigkeiten an der frischen Luft sind, so tückisch kann Gartenarbeit enden. Rutscht beispielsweise die Rosenschere aus, ist die Schnittwunde oft tief, und mit der Verletzung können lebensbedrohliche Infektionen einhergehen.

Freizeitaktivitäten wollen gut vorbereitet sein – das gilt auch fürs Gärtnern. Schon die richtige Kleidung kann helfen, Verletzungen zu verhüten. So empfiehlt der Deutsche Ring Hobbygärtnern, festes Schuhwerk mit griffigem Profil zu tragen, um Stolpern oder Ausrutschen vorzubeugen. Lange, anliegende Hosen schützen vor schmerzhaften Blessuren, beispielsweise durch Hecken und Dornen. Dicke Spezialhandschuhe mildern Schnitte durch Messer, Zangen und Scheren und verhindern Einstiche oder Kratzer durch Dornen. Kommt es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer Verletzung, sollte die Wunde zügig und sorgfältig versorgt werden. 

Erste Hilfe bei Schnittwunden

Der menschliche Körper repariert ununterbrochen Defekte, vernichtet fehlerhafte Zellen und reguliert Entzündungsprozesse. Daher reicht es bei glatten Schnitten häufig zur Wundreinigung aus, stark blutende Verletzungen eine Zeit lang bluten zu lassen. Denn das austretende Blut schwemmt Schmutz und Krankheitserreger aus, sodass die Infektionsgefahr gering ist. Dennoch sollte der Verletzte die Umgebung der Wunde vorsichtig mit klarem Wasser von Schmutz befreien. Wer ganz sicher gehen will, kann sie zusätzlich beispielsweise mit Povidon-Iod-haltigen Salben (wie Braunovidon®) oder Lösungen (wie Betaisodona®) desinfizieren. Sobald die Blutung gestillt ist, sollte die Läsion mit einem Wundschnellverband abgedeckt werden, und zwar quer zur Wundrichtung. Dadurch wird das Zusammenwachsen der Wundränder optimal unterstützt. Größere, sehr stark blutende Wunden müssen mit einem Druckverband versorgt werden.

Vorsicht: Taubheitsgefühle nach Schnittverletzungen können auf beschädigte Nerven oder Sehnen hinweisen. In diesem Fall ist ein umgehender Arztbesuch angezeigt. Das gilt auch für klaffende, tiefe Wunden, denn diese müssen geklammert oder genäht werden.

Um die Heilung zu beschleunigen, kann man Arzneimittel auf die Wunde applizieren. Bei oberflächlichen Schürfwunden nach Abschluss der Epithelisationsphase beschleunigt eine Salbe, beispielsweise mit Dexpanthenol (wie Bepanthen®), den weiteren Heilungsprozess. Ebenfalls bei kleinen, oberflächlichen Wunden, die sich leicht infizieren, kann das Lokalantibiotikum Tyrothricin eine Superinfektion verhindern (zum Beispiel Tyrosur® Gel). Auch Präparate der anthroposophischen oder homöopathisch-spagyrischen Medizin (wie Wecesin® oder Laevul®) eignen sich.

Hydrokolloide auf Schürfwunden

Da Schürfwunden in der Regel nicht besonders stark bluten, sollten sie vor dem Verbinden immer desinfiziert werden. Hierfür bieten sich Octenidinhydrochlorid- oder Povidon-Iod-haltige Lösungen an (wie Octenisept® oder Betaisodona®). 

Leichte Schürfwunden erscheinen zwar harmlos, nässen jedoch häufig und entzünden sich. Klassische Wundauflagen erzeugen ein sehr feuchtes Milieu. Das fördert zwar die Wundheilung, gleichzeitig können sich darunter aber Bakterien kräftig vermehren. Um zu verhindern, dass die Wunde zu feucht wird, nässt und schließlich das Sekret mit dem Pflaster verklebt, eignen sich moderne Hydrokolloid-Pflaster.

Ursprünglich zur Behandlung schwer heilender, chronischer Wunden wie Ulcus cruris (Unterschenkelgeschwür) oder Dekubitus (durchgelegene Hautpartien) entwickelt, haben sich diese Pflaster-Systeme seit einigen Jahren ebenfalls erfolgreich bei Bagatellverletzungen bewährt. Hydrokolloid-Pflaster enthalten quellfähige, hydrophile Substanzen, zum Beispiel Carboxymethylcellulose, Pektin oder Gelatine, die in eine hydrophobe Matrix eingebettet sind. Beim Kontakt mit der feuchten Wunde saugen die Hydrokolloide das Sekret auf. Dadurch quellen sie und bilden ein Gel, welches die Wunde auskleidet und feucht hält. Das Pflaster verweilt mehrere Tage auf der Wunde und muss erst erneuert werden, wenn sich die sogenannte Gel-Blase dem Pflasterrand nähert. Diese zeigt an, dass die Hydrokolloide kein Sekret mehr aufnehmen können. Hydrokolloid-Pflaster haften lediglich auf der gesunden Haut, verkleben nicht mit der Wunde und sorgen Dank des gebundenen Wundsekrets für eine rasche und nahezu narbenfreie Heilung. 

Hausapotheke für Hobbygärtner

  • desinfizierende Lösungen/Salben
  • die Wundheilung unterstützende Lösungen/Salben
  • Wundschnellverbände
  • Hydrokolloid-Pflaster
  • Kompressen
  • Mullbinden
  • Heftpflaster
  • Schere

Der Heilungsprozess

Pflaster und Medikamente unterstützen zwar die Heilung, aber für den Aufbau gesunden Gewebes sorgt allein der Organismus. Bereits während der Erste-Hilfe-Versorgung beginnt der Selbstheilungsprozess, der mehrere Stadien durchläuft: die Entzündungs-, Wucherungs- und Remodulierungsphase gefolgt von der Narbenbildung.

Zunächst ziehen sich die kleineren Blutgefäße zusammen und unterbinden so den Blutstrom. Allmählich entsteht ein Netz aus Fibrinfasern, in das sich die Thrombozyten einlagern; der Thrombus verschließt schließlich die größeren Blutgefäße. Im Verlauf der Wundheilung zieht sich das Fibrinnetz enger zusammen, wodurch sich die Wundränder annähern. Später lagern sich Bindegewebszellen in das Netz ein, sodass die Wunde endgültig zu wächst.

Etwa ab dem dritten Tag nach der Verletzung bilden sich neue Blutgefäße. Prostaglandin und Histamin sorgen durch ihre gefäßerweiternde Wirkung für eine gute Durchblutung. Zum einen gelangen dadurch vermehrt Nährstoffe in das umliegende Gewebe, zum anderen bildet sich leukozytenreiches Exsudat, das die Wunde reinigt, spezifische Erreger neutralisiert und die Heilung fördert. 

Zeitgleich setzt die Wucherungsphase ein: Das Bindegewebe wird weiter ausgebaut, und Fibroblasten lagern sich an das Fibrinnetz an. Aus ihnen entstehen Kollagenfasern, die für die Festigkeit des Bindegewebes sorgen. In dieser Phase bildet sich das sogenannte Granulationsgewebe, das zu diesem Zeitpunkt lediglich die Aufgabe hat, die Wunde von ihrer tiefsten Stelle her auszufüllen.

Erst nach und nach beginnt die Remodulierungsphase: Dabei richten sich die Kollagenfasern entlang der Zugrichtung aus und verkleinern die Wunde allmählich. Abschließend wird das Granulationsgewebe von einem dünnen Epithel (Hautzellverband) überzogen, das die äußere Oberfläche bedeckt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt zeigt sich der Sinn der feuchten Wundheilung: Nur in feuchtem Gewebe können die Epithelzellen wandern, was die Neubildung der Haut erleichtert. Hierauf zielt übrigens auch die Wirkung der Narbenreduktionspflaster ab. Mit ihrer Hilfe wird das feuchte Wundmilieu künstlich aufrechterhalten, und so katalysieren sie den Heilungsprozess.

Narbenbildung

Die Gewebeneubildung schließt mit einer Narbe ab. Zunächst überragt sie die gesunde Haut und ist gerötet. Mit zunehmender Straffung des Bindegewebes verringert sich aber die Durchblutung – die Narbe verblasst und sinkt leicht ein. Der endgültige Gewebeumbau der Narbe kann bis zu 20 Jahre dauern. 

PTA oder Apotheker finden einen leichten Einstieg in ein Beratungsgespräch zum Thema Wundheilung, wenn sie das milde Frühlingswetter ansprechen. Dabei erfahren sie schnell, ob ihr Kunde ein Hobbygärtner ist. Dann sollten sie ihn nach seinen Vorbereitungen für die Gartenarbeit fragen und sich vergewissern, dass er gut ausgerüstet ist. Stellt sich dabei heraus, dass in seiner Erste-Hilfe-Ausrüstung einige wichtige Utensilien fehlen, ist der Kunde für Hinweise und Empfehlungen sicher dankbar.

Impfpass-Kontrolle vor der Saison

Aus einer Mücke soll man keinen Elefanten machen. Aber einer Wunde keine Aufmerksamkeit zu schenken, kann fatale Folgen für die Gesundheit haben – vor allem, wenn die Stelle mit Erde in Berührung gekommen ist.

Im Erdreich befindet sich der Erreger Clostridium tetani, ein anaerobes, bewegliches, grampositives und sporenbildendes Stäbchenbakterium, das Wundstarrkrampf verursacht. Vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt kann Clostridium tetani jahrelang im Boden überleben. Doch nicht der Erreger selbst, sondern das von ihm gebildete Toxin Tetanospasmin ruft im Körper die typischen Symptome wie Schmerzen und Krämpfe hervor. Vor der Gartenarbeit sollte sich daher jeder davon überzeugen, ob er durch eine aktive Immunisierung noch vor Tetanus geschützt ist. Liegt die letzte Impfung länger als 8 bis 10 Jahre zurück oder bestand noch nie ein Impfschutz , sollte er die Immunprophylaxe gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) umgehend nachholen.

E-Mail-Adresse der Verfasserin:
irispriebe(at)gmx.de