Hoch ansteckend und gar nicht harmlos |
18.02.2011 15:18 Uhr |
Von Christiane Berg, Travemünde / Selbstverständlich gehört die Behandlung der klassischen Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln, Scharlach & Co. in die Hand eines Arztes. Doch in manchen Fällen suchen Eltern zusätzlichen Rat in der Apotheke. Dann können PTA oder Apotheker ihnen den Krankheitsverlauf und die ärztliche Therapie erläutern.
»Wir haben Masern!« Entsprechende Warnungen der Kitas sollten Eltern ernst nehmen. Die Virusinfektion sei extrem ansteckend, betonte Dr. Christiane Petters, Kinderärztin am Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg, auf dem 5. PTA-Praxisworkshop der Apothekerkammer Schleswig-Holstein in Travemünde. Die in Deutschland seit dem Jahr 2001 meldepflichtigen Masern beginnen zunächst nur mit allgemeinen Krankheitszeichen wie Fieber, Schnupfen, Hüsteln und geröteten Augen. Die Kinder wirken verheult und verschwollen.
Was ist was (von oben nach unten)? Masern äußern sich als bräunlich bis violettrote Flecken und Erhebungen, die oft zusammenfließen. Bei Röteln entstehen rosarote Flecken, die jucken können. Windpocken bilden reiskorngroße Bläschen, die mit klarer Flüssigkeit gefüllt sind und heftig jucken.
Fotos: Gerd Plewig
Der einzige sichere Hinweis auf die Infektion sind die sogenannten Koplikflecken, kleine weißliche Stippchen auf der Wangenschleimhaut mit leicht gerötetem Hof in Höhe der oberen und unteren Backenzähne. Der großfleckige ineinander fließende rote Hautausschlag bildet sich erst später. Er beginnt hinter den Ohren und breitet sich über Brust, Bauch und Rücken bis zu den Extremitäten aus. Die nach ihrem Entdecker benannten Koplikflecken verschwinden einen Tag, nachdem das Exanthem aufgeblüht ist. Jetzt ist Schonung und Bettruhe gegebenenfalls in verdunkelten Räumen angesagt. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch.
Schwere Komplikationen der Masern
Tückisch: Bevor die Erkrankung erkannt wird, hat das betroffene Kind meist bereits andere angesteckt. Die Übertragung beginnt circa eine Woche vor Auftreten des Exanthems und endet erst, wenn dieses verblasst. Die positive Nachricht: Wer einmal Masern hatte, bekommt sie nie wieder im Leben.
Masern können zu schweren Komplikationen wie Ohren- oder Lungenentzündung, vor allem aber zur Gehirnentzündung führen, die geistige oder körperliche Behinderung oder sogar den Tod zur Folge hat. Petters rät daher dringend zur rechtzeitigen Schutzimpfung. Zwar gehe diese manchmal kurzfristig mit Nebenwirkungen wie »Impf-Masern« einher, die jedoch im Vergleich zu echten Masern relativ harmlos sind. Ihr sei völlig unverständlich, dass manche Eltern ihre Kinder zu sogenannten Masernpartys schicken. Die Medizinerin hält das Risiko einer schweren Behinderung als Folge der Erkrankung für nicht tolerierbar.
Ausschlag und Schnupfen durch Röteln
Auch Röteln beginnen zunächst relativ harmlos, mit Zeichen eines grippalen Infektes. Erst danach schwellen die Halslymphknoten an, und die Temperatur der Kinder steigt. Anschließend erscheinen blass-rosa, etwa linsengroße und nicht zusammenfließende Exantheme, beginnend am Kopf über Brust, Bauch und Rücken bis hin zu den Extremitäten. Meist sind diese drei Tage lang sichtbar. In etwa der Hälfte der Fälle verlaufe die Virus-Infektion symptomlos, was Experten als »stille Feiung« bezeichnen, so Petters.
Die Ansteckungsgefahr besteht schon eine Woche vor dem typischen Hautausschlag und endet bis zu acht Tage danach. Auch bei an Röteln erkrankten Kindern können die Ärzte nur die Symptome behandeln, zum Beispiel fiebersenkende und schmerzlindernde Mittel verordnen.
Gefahr für werdende Mütter
Besonders gefährdet sind Schwangere, die weder geimpft noch vor der Schwangerschaft erkrankt waren. Die Viren bedrohen dann das Kind im Mutterleib. Infiziert sich die werdende Mutter zwischen der sechsten und zehnten Schwangerschaftswoche, erkrankt über 50 Prozent der Ungeborenen an einer Embryopathie. Diese führt zu Fehlbildungen unter anderem des Gehirns, Innenohrschwerhörigkeit, Herzfehlern sowie meist erheblichen psychomotorischen Entwicklungsstörungen. Um diese Komplikationen zu verhindern und Schwangere besser zu schützen, empfehlen Experten, alle Kinder flächendeckend gegen Röteln zu impfen. Die erste Impfung ist ab neun Monaten möglich (üblich zwischen dem 11. und 14. Monat), die zweite Impfung sollte bis zum Alter von 23 Monaten folgen.
Die Impfung gegen Röteln kombinierten Kinderärzte meist mit der Mumps-Masern- und gegebenenfalls der Varizellen-Impfung, ergänzte Apothekerin Anja Ratje, Eckernförde. Wollen Frauen mit Kinderwunsch die Röteln-Impfung nachholen, ist dies mit einem Einzelimpfstoff möglich. Doch müssen sie nach der Impfung drei Monate verhüten. Ratje empfahl, bei Kindern am Ende des zweiten Lebensjahres nicht nur den Impfschutz gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen, sondern auch gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Hib, Poliomyelitis, Hepatitis B, Pneumo- und Menigokokken zu überprüfen.
Ansteckung über Spielzeug
Die Erreger der Windpocken, die Varicella-Zoster-Viren, wandern durch die Luft von Kind zu Kind oder werden durch Spielzeug übertragen. Zunächst verursachen sie auf der Haut von Bauch und Rücken rote Flecken, die sich nach und nach mit klarer Flüssigkeit füllen, sodass kleine Bläschen entstehen. Im weiteren Krankheitsverlauf trocknen diese ein und bilden schwarze Krusten, die nach einigen Tagen abfallen. Je nach Schweregrad und Erkrankungsstadium erinnert der Ausschlag an eine »Sternenkarte«.
Scharlach kündigt sich mit Halsschmerzen und einer belegten Zunge an. Später wird sie feuerrot. Der Hautausschlag ist rotfleckig und erinnert an einen Sonnenbrand.
Der ganze Körper einschließlich Kopfhaut, Mund- und Genitalschleimhaut ist betroffen. Die Kinder leiden besonders unter dem starken Juckreiz. Hier hilft der lokale Einsatz von Antihistaminika und Zinkoxidschüttelmixtur. Die Eltern sollten die Nägel des Kindes ganz kurz scheiden, damit sie beim Kratzen möglichst keine Bakterien in die nässenden Stellen einschleppen. Bakterielle Superinfektionen können zu großflächigen Entzündungen mit Abszessen führen, die hässliche Narben hinterlassen.
Die Bläschen gehen, die Viren bleiben; sie persistieren ein Leben lang an Nervenganglien. Unter für sie günstigen Bedingungen, wenn ein Betroffener zum Beispiel in Stress gerät oder sein Immunsystem geschwächt ist, verursachen die Varicella-Zoster-Viren eine schmerzhafte Gürtelrose. Also gilt auch für die Windpocken: Die rechtzeitige Impfung schützt nicht nur vor quälendem Juckreiz durch Windpocken, sondern möglicherweise auch vor starken Schmerzen durch eine Gürtelrose.
Charakteristische Himbeerzunge
Im Unterschied zu früher stirbt heute nur noch selten ein Kind an Scharlach. Dank Penicillin beziehungsweise den Alternativen Erythromycin und Cefaclor ist die Infektion mit A-Streptokokken schnell überstanden. Die Erkrankung bricht quasi von jetzt auf gleich aus, und äußert sich mit schnell ansteigendem Fieber, Halsschmerzen, allgemeinem erheblichen Krankheitsgefühl, Kopf- und Gliederschmerzen. Am dritten Tag erkennen Ärzte und erfahrene Eltern die Erkrankung an der typischen roten Himbeerzunge.
Das feinfleckige Haut-Exanthem breitet sich, beginnend in Achsel- und Leistenbeugen, mit stecknadelgroßen Papeln nach und nach über den gesamten Körper aus. Bis auf das Munddreieck ist auch das Gesicht der Kinder gerötet. Verblasst das Exanthem, schuppt die Haut. Als Folge des Scharlachs erkranken manche Kinder an rheumatischem Fieber, einer Entzündung der Herzinnenhaut (Endokarditis) oder der Nieren (Glomerulonephritis).
Penicillin & Co. helfen zwar rasch, dürfen aber nicht zu früh abgesetzt werden, da es sonst zu Rückfällen oder zu den genannten Spätfolgen kommen kann. Mit anderen Worten: Hier müssen die Eltern die Therapie besonders konsequent durchhalten. Die kleinen Patienten sollten im Bett bleiben und viel trinken. Kamillen- oder Salbeitee zum Gurgeln lindern die Halsschmerzen. Ein Impfstoff existiert nicht.
Kuss-Krankheit
Am Pfeiferschen Drüsenfieber erkrankten Jugendliche sehr häufig nach Klassenfahrten oder Zeltlagern, informierte Petters. Das Eppstein-Barr-Virus wird meist durch Schleimhautkontakte übertragen. Daher heißt das Pfeiffersche Drüsenfieber auch »kissing disease«. Die Durchseuchungsrate ist hoch: Zwischen 60 bis 80 Prozent der Jugendlichen hätten mit dem Virus Kontakt gehabt, führte die Kinderärztin aus und ergänzte: »Pfeiffer macht alles«.
Häufig geht die Erkrankung mit hohem Fieber, auch intermittierend, über mehrere Wochen einher und »man weiß nicht so recht, warum«. Gleichermaßen entzünden sich alle Lymphknoten, außerdem schwellen Milz sowie Rachenmandeln (Angina) an. Bei 5 Prozent der Betroffenen bildet sich ein feinfleckiges Exanthem.
In den ersten Wochen nach der Infektion sollten Erkrankte keinen Leistungssport treiben, noch nicht einmal Fahrrad fahren. Auf Grund der geschwollenen Milz könnten Stürze zur Milzruptur führen. Auch das Pfeiffersche Drüsenfieber behandeln Ärzte symptomatisch, gegebenenfalls mit Antipyretika.
An Pseudokrupp erkranken circa 15 Prozent der Kinder im Alter von neun Monaten bis vier Jahren, am häufigsten in der kalten Jahreszeit. Atemnot, Schnupfen, ein typischer trockener Husten mit akuter Einengung der Atemwege vorrangig abends oder nachts zählen zu den charakteristischen Symptomen.
Die Häufigkeit sei in Gegenden mit starker Luftverschmutzung höher, sagte Matthias Bastigkeit, Fachdozent für Pharmakologie und Medizinjournalist aus Geschendorf. Das Wort »Krupp« leite sich von »croups« ab, wie die Neuseeländer die Seehunde nennen. Denn diese geben ähnlich bellende Laute von sich, erklärte der Pharmakologe.
Maßnahmen bei Pseudokrupp
In 50 Prozent der Fälle verursachen Parainfluenza-Viren, selten Grippe- oder Rhino-Viren die Erkrankung. Die betroffenen Kinder können nur wenige Stunden, nachdem sie sich selbst angesteckt haben, die Viren auf andere übertragen. Eine Ansteckung durch Kleidung oder Spielzeug ist auszuschließen. Bastigkeit empfahl, in den Räumen für kühle und feuchte Luft zu sorgen. Auch hier seien ausreichend Flüssigkeitszufuhr, Beruhigung der betroffenen Kinder und gegebenenfalls fiebersenkende Maßnahmen angesagt.
Lebensbedrohliche Meningitis
Die Hirnhautentzündung (Meningitis) ist ein absoluter Notfall, denn etwa ein Viertel der Erkrankten sterben an der Infektion. Hervorgerufen wird die Meningitis durch Bakterien der Gattung Neisseria meningitidis Typ a-C, W 135 und Y. Betroffene Kinder bedürfen der sofortigen Behandlung auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Dort erhalten sie Antibiotika, und ihr Kreislauf wird stabilisiert. Jede Minute zählt, da sich innerhalb weniger Stunden ein Multiorganversagen mit multiplen Nekrosen entwickeln kann.
Als typisches Symptom nannte Bastigkeit eine gespannte Fontanelle. Außerdem seien die Kinder übererregt und schreien meist sehr schrill. Oftmals, nicht immer, kommt es zu kleinen roten oder lilafarbenen Hauteinblutungen, sogenannten Petechien, an verschiedenen Stellen des Körpers, unter anderem an den unteren Extremitäten, auf Schleimhäuten oder auch auf Handinnenflächen und Fußsohlen. Im Gegensatz zu den Hauterscheinungen bei anderen Kinderkrankheiten lassen sich diese »Blutflecken« mit einem Spatel nicht wegdrücken. Gegen Meningokokken der Serogruppe C empfehlen Mediziner eine Impfung für Kinder ab dem 2. Lebensjahr. /