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Pharmacon Davos

Komplett hormongesteuert

18.02.2011  15:27 Uhr

Von Sven Siebenand, Davos / Spielen die Hormone verrückt, ist hoffentlich Verliebtheit der Grund. Leider kann das Auf und Ab der Gefühle aber auch durch eine Erkrankung oder die Wechseljahre bedingt sein. In diesem Jahr hatte die Fortbildungswoche der Bundesapothekerkammer in Davos das Thema Hormone im Fokus.

Als Tablette, Pflaster oder Gel? In seinem Vortrag ging Professor Dr. Rolf Daniels von der Universität Tübingen auf die verschiedenen Darreichungsformen von Hormonen ein. »Den Königsweg gibt es nicht, jede Darreichungsform hat Vor- und Nachteile«, sagte der Apotheker. Zudem müsse der Arzt bei der Wahl berücksichtigen, ob das Hormon lokal oder im ganzen Körper wirken soll. Östrogene gegen Wechsel­jahresbeschwerden seien zum Beispiel in Tabletten, Nasensprays, Wirkstoffpflastern oder Gelen »verpackt«. Bei der Abgabe können PTA und Apotheker darauf hinweisen, dass zum Beispiel die Nasensprays nur relativ kurz wirken und die Frauen sie jeden Tag anwenden müssen. Im Gegensatz dazu hält die Wirkung der Hormonpflaster deutlich länger an. In der Regel müssen die Frauen sie nur ein- bis zweimal pro Woche wechseln. Beim Auftragen von östrogenhaltigen Gelen sollten die Patientinnen das Präparat auf einer Hautstelle der angegebenen Größe verteilen, so Daniels. Ist die Stelle größer oder kleiner, wird das Hormon möglicherweise falsch dosiert. Denn nach Auftragen des Gels baut sich in der obersten Hautschicht ein Wirkstoffreservoir auf, aus dem das Östrogen im Laufe der Zeit ins Blut übergeht.

Heiße Zeiten

Gleich zwei Vorträge in Davos hatten die Wechseljahre zum Thema. Unter anderem erklärten die Referenten, welche therapeutischen Möglichkeiten es gibt, um gegen Hitzewallungen, Stimmungsschwankungen und Co. anzugehen. Die Frage »Hormontherapie – ja oder nein?« beantwortete Professor Dr. Manfred Schubert-Zsila­vecz von der Universität Frankfurt am Main. Die Zurückhaltung der Ärzte bei der Verordnung von Hormonpräparaten im Zuge der Postmenopause sei insgesamt positiv. Der Apotheker riet, eine Hormontherapie nur bei Frauen mit ausgeprägten klimakterischen Beschwerden einzusetzen. Zudem sollte die Dosierung so gering wie möglich sein und die Therapie nur so lange wie nötig erfolgen. Nachgewiesenermaßen positiv wirkten sich die Hormone auf die Knochendichte aus. Zudem reduzierten sie das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, erhöhten aber gleichzeitig das Risiko für Schlaganfälle, Brustkrebs sowie Erkrankungen der Gallenblase und -gänge. Zwar sagten manche Wissenschaftler den Hormonen positive Effekte auf die Hirnleistung älterer postmenopausaler Frauen und auf Demenzsymptome bei Alzheimer-Patientinnen nach, bewiesen sei das aber nicht. Ebenso seien die Hormone kein Jungbrunnen. Falten und andere Alterungsprozesse der Haut könnten Frauen damit nicht »glatt bügeln«. Auch die Wirkung einer oralen Hormontherapie bei Patientinnen mit Harninkontinenz und wiederkehrenden Harnwegsinfekten sei nicht belegt, so Schubert-Zsilavecz.

Wenig Licht, viel Schatten: So könnte man die Einschätzung von Professor Dr. Helga Stopper, Universität Würzburg, zu den hormonartig wirkenden Naturstoffen aus Pflanzen, den sogenannten Phytohormonen, zusammenfassen. »Phytohormone aus Soja verringern Hitzewallungen oder nächtliches Schwitzen in den Wechseljahren nicht. Wenn diese Präparate helfen, dann liegt das meist am Placebo­effekt, also an den positiven Erwartungen der Frau«, sagte die Biologin. Ferner verwies sie darauf, dass Wechseljahresbeschwerden mit der Zeit von allein schwächer werden. Stopper zufolge ist die Einnahme von Sojaextrakten über einen begrenzten Zeitraum vermutlich unbedenklich. Vorsichtshalber sollten PTA und Apotheker daher Frauen mit einer schweren Erkrankung, beispielsweise Krebs, dazu raten, besser keine Konzentrate von Phytohormonen einzunehmen.

Apropos Krebs: Asiatische Frauen erkranken Stopper zufolge wahrscheinlich deshalb seltener an Brustkrebs als europäische Frauen, weil sie bereits in der Pubertät viel Soja essen. Sie betonte, es gäbe keinen Beweis dafür, dass sojahaltige Nahrungsergänzungsmittel das individuelle Brustkrebsrisiko senken, wenn erwachsene Frauen sie einnehmen.

Übelkeit nur zu Beginn

Immer mehr Menschen erkranken an Typ-2-Diabetes. In den vergangenen Jahren kamen gleich zwei neue Arzneistoffklassen auf den deutschen Markt: GLP-1-Analoga wie Exenatid und Liraglutid und DPP-4-Hemmer wie Sita-, Vilda- und Saxagliptin. Gemeinsamer Vorteil beider Substanzgruppen ist, dass sie keine Unterzuckerungen herbeiführen. Die Gliptine sind oral wirksam und haben keinen Einfluss auf das Gewicht der Patienten. Im Unterschied dazu führen die GLP-1-Analoga zur Gewichtsreduktion, müssen aber injiziert werden. In seinem Vortrag wies Dr. Eric Martin, Apotheker aus Marktheidenfeld, darauf hin, dass die GLP-1-Analoga vor allem zu Therapiebeginn zu Übelkeit führen können. Er riet dazu, die Patienten darauf hinzuweisen und ihnen Ernährungstipps mit auf den Weg zu geben. So sollten sie bewusst langsam und in kleinen Portionen essen. Stellt sich ein frühzeitiges Völlegefühl ein, sollten sie auf keinen Fall zwanghaft den Teller leer essen.

Um die Therapietreue der Patienten zu erhöhen, können PTA oder Apotheker sie noch über einen weiteren Sachverhalt informieren: Im Verlauf der Therapie mit GLP-1-Analoga gehen Übelkeit oder Erbrechen in den meisten Fällen spontan zurück. Bei anhaltenden und starken Beschwerden begleitet von heftigen Oberbauchschmerzen sollte der Patient das Präparat jedoch sofort absetzen und einen Arzt aufsuchen, riet Martin. Dieser müsse abklären, ob eine akute Entzündung der Bauchspeicheldrüse vorliegt.

Hormone mit Interaktionspotenzial

In einer Anwendungsbeobachtung zu Interaktionen wären bei etwa jeder achten Meldung Hormone mit von der Partie gewesen, informierte Dr. Nina Griese vom Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis der ABDA in Berlin. Als übliche Verdächtige nannte sie Glucocorticoide, Insuline und Schilddrüsenhormone. Beispielsweise sei eindeutig, dass die gleichzeitige Einnahme von Glucocorticoiden und nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) das Risiko für Magen-Darm-Blutungen und Magengeschwüre erhöht.

Bei insulinpflichtigen Diabetikern verstärken vor allem die nicht-kardioselektiven Betablocker eine durch Insulin ausgelöste Unterzuckerung oder verlängern diese, so Griese. Zudem blieben dabei einige typische Zeichen der Unterzuckerung aus wie Unruhe, Zittern oder Herzklopfen.

Schilddrüsenhormone bilden Komplexe mit polyvalenten Kationen wie Magnesium, Calcium und Eisen. Außerdem interagierten sie mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon und Warfarin, informierte die Apothekerin. Innerhalb einiger Tage erhöhe diese Kombination deren blutgerinnungshemmende Wirkung. Die Folge: Das Blutungsrisiko steigt. Bei jeder Dosisänderung der Schilddrüsenhormone sollte deshalb eine Zeit lang die Blutgerinnung der betreffenden Patienten besonders gut überwacht werden, empfahl die Referentin. /

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