Arzneistoff mit vielen Gesichtern |
05.02.2018 10:35 Uhr |
Von Ingrid Ewering / Salicylsäure wird gerne mit Wirkstoffen wie Glucocorticoiden oder Antimykotika kombiniert. Doch vertragen sie sich hinsichtlich des pH-Wertes? Als Phenol kann Salicylsäure darüber hinaus in Wechselwirkung mit anderen Bestandteilen der Rezeptur treten. Eine Übersicht
Mediziner schätzen Salicylsäure aufgrund ihrer vielfältigen pharmakologischen Eigenschaften: In niedriger Konzentration weicht sie die Haut auf (keratoplastisch), ab 5 bis 10 Prozent wirkt sie hautschälend, also keratolytisch, und als 40-prozentige Paste dient sie der Nagelauflösung. Als Kopföl oder Spiritus befreit sie von Schuppen. Auch bei Verhornungsstörungen hat sich der bedarfsgerechte Einsatz von Acidum Salicylicum als Hautöl, Hautspiritus oder in halbfester Form bewährt.
Beim Einsatz halbfester Rezepturkonzentrate entfallen Atemschutz und Schutzbrille.
Salicylsäure schützt außerdem vor Lichenifikationen. Diese gefürchtete Hautverdickung tritt bei vielen chronischen Dermatitiden auf. Die Haut vergröbert sich, verliert an Elastizität, und die Hautfurchen sind vertieft. Atopiker oder Patienten mit chronischen Kontaktekzemen können diese Entwicklung durch konsequente Anwendung von Salicylsäure stoppen.
Ist die Haut aufgekratzt oder anderweitig nicht mehr intakt, brennt Salicylsäure jedoch. Das gilt es bei juckender Haut, die durch Kratzen beschädigt ist, zu berücksichtigen. Salicylsäure ist dann kontraindiziert. Therapeutisch ist die Kombination Salicylsäure mit einem Corticoid sinnvoll. Sie erhöht nicht nur die Eindringtiefe des antientzündlichen Arzneistoffes, sondern wirkt als Phenol zusätzlich hautantiseptisch. Die gefürchtete Superinfektion durch immunsupprimierende Eigenschaften der Glucocorticoide ist damit vermindert.
Selbst Akne-geplagte Jugendliche profitieren von der antiseptischen Wirksamkeit der Salicylsäure. Denn das Multitalent wirkt nicht nur gegen Papeln und Pusteln, sondern beseitigt Propionibakterien, die bei Acne vulgaris eine wichtige Rolle spielen.
In der Literatur sind echte Salicylatvergiftungen aufgrund einer perkutanen Resorption bei Säuglingen beschrieben. Absolut kontraindiziert ist Acidum salicylicum, um Milchschorf und Kopfgneis bei Säuglingen zu behandeln. Beide Kopferkrankungen sind leicht mit fetten Ölen wie Mandelöl therapierbar, da sich die Schuppen darin lösen. Milchschorf, dessen juckende, gelblich-fettige Verkrustung der Kopfhaut wie angebrannte Milch aussieht, entwickelt sich ab dem dritten Lebensmonat. Laut Literatur ist das juckreizstillende Avocadoöl eventuell vorzuziehen.
Dagegen ist der direkt nach der Geburt auftretende Kopfgneis zwar kosmetisch unschön, aber absolut harmlos. Er entsteht durch die Hormone der Mutter. Auch ohne Behandlung endet dieser Spuk nach drei Monaten. Lediglich an Psoriasis erkrankte Säuglinge und Kleinkinder dürfen mit Salicylsäure-haltigen Dermatika behandelt werden. Es gelten sehr strenge Konzentrations- und Anwendungsbeschränkungen. Ein Dermatikum mit maximal 1 bis 1,5 Prozent Salicylsäure darf bei Säuglingen lediglich kleinflächig aufgetragen werden. Damit ist die Behandlung einer Hautfläche gemeint, die 1 bis 2 Prozent der körpereigenen Oberfläche entspricht. Da die Hand proportional mit dem Restkörper mitwächst, gilt als Faustregel: Die eigene Hand deckt circa 1 Prozent der Körperoberfläche ab. Die Behandlungsfläche eines Säuglings darf maximal zweimal dessen Handfläche entsprechen.
Vorteil für mikronisierte Pulver
Vorsicht ist auch bei Senioren und allen Menschen mit Niereninsuffizienz geboten. Salicylsäure schädigt die Niere ebenso wie die sauren Analgetika Diclofenac oder Ibuprofen. Im Gegensatz zu Glucocorticoiden und Antimykotika ist Salicylsäure cutan auch als gepulverter Feststoff wirksam. Doch Augen auf beim Kauf! Ware mit Korngrößen von 100 bis zu 180 µm sind auf der Haut deutlich spürbar. Ein Dreiwalzenstuhl ist bei solchen Korngrößen zwingend notwendig, um die Teilchen weiter zu zerkleinern. Das ist aufwändig und raubt Zeit. Selbst gepulverte Salicylsäure (siehe Kasten) darf nicht gleichzeitig mit mikronisierten Wirkstoffen angerieben werden. Denn die beiden Feststoffe unterschiedlicher Korngrößen verhalten sich wie große und kleine Murmeln: Eine gleichmäßige Mischung ist unerreichbar. Es empfiehlt sich, immer mikronisiertes Pulver einzusetzen. Selbst für die Herstellung von Salicylsäureöl oder -spiritus ist dies von Vorteil, denn die Lösungszeit verkürzt sich extrem. Bei diesen flüssigen Zubereitungen darf der Wirkstoff während des Lager- und Anwendungszeitraumes nicht rekristallisieren. Als Faustregel gilt, die Sättigungskonzentration maximal zu Zweidrittel auszuschöpfen und die Lösung wegen Rekristallisation nicht zu kühl zu lagern. Falls nichts anderes vorgeschrieben ist, gilt die Aufbewahrung bei Raumtemperatur. Das Europäische Arzneibuch gibt an, Temperaturen von 15 bis 23 °C einzuhalten. Diese Werte gelten in der Regel auch für halbfeste Rezepturarzneimittel. Machen Sie dem Anwender klar, dass er das Medikament nicht kühl lagern darf.
Salicylsäure, feines Pulver
≥ 95 % < 180 µm / ≥ 80 % < 125 µm
Salicylsäure, mikronisiertes Pulver
≥ 99 % < 74 µm / ≥ 95 % < 39 µm
Betamethasonvalerat mikronisiert
99 % ≤ 25 µm / 90 % ≤ 10 µm
Die mikronisierte Salicylsäure mit einer überwiegenden Korngröße kleiner 39 µm ist doch noch fast um den Faktor 4 größer als der überwiegende Anteil des Betamethasonvalerats. Inhomogenität droht selbst bei Verarbeitung von mikronisierter Ware.
Durch Einsatz eines halbfesten Rezepturkonzentrates mit Salicylsäure lässt sich dieses Problem beseitigen.
Bei Suspensionsubereitungen heißt es: Je kleiner die Korngröße, desto höher die Agglomeratneigung. Die Teilchen »kuscheln« miteinander, denn so erniedrigt sich die Oberflächenenergie. Es muss sorgfältig mit einer geeigneten Flüssigkeit angerieben werden. Ricinusöl, Glycerol und selbst der Klassiker mittelkettige Triglyceride verbieten sich aufgrund der guten Lösungseigenschaften. Es eignet sich lediglich dickflüssiges Paraffin.
Aus folgenden Gründen spricht jedoch alles für den Einsatz eines halbfesten Rezepturkonzentrates:
»ZL-Untersuchungen haben gezeigt, dass die Verarbeitung industriell vorgefertigter Konzentrate im Hinblick auf eine optimale Wirkstoffverteilung am zuverlässigsten zu zufriedenstellenden Ergebnissen führt«, so ist es der Homepage des Zentrallabors zu entnehmen.
Recht lang haltbare Vaselinverreibungen sind in Konzentrationen von 2 Prozent, 5 Prozent und 10 Prozent auf dem Rohstoffmarkt verfügbar. Die Fima apomix bietet sogar zwei Salicylsäure-Verreibungen mit 50 Prozent an: eine fettige auf Basis von Vaseline und eine wässrige auf Basis der nichtionischen hydrophilen Creme SR/DAC. Letztere mischt sich problemlos mit vielen hydrophilen Cremes. Für die NRF Vorschrift 11.106. bietet sich der Einsatz eines hydrophilen Konzentrates an; bei der NRF Vorschrift 11.43. ist der Einsatz einer 50-prozentigen Vaselinverreibung explizit vorgeschrieben.
Sublimieren verhindern
Erstaunlich ist zunächst, dass trotz sehr guter Löslichkeit (Octyldodecanol 8 % / Ricinusöl 12 % / Macrogol-4-laurylether 20 %) Wärme bei den Rezepturen 11.44. und 11.85. angewendet wird. Dies dient lediglich der zügigen Herstellung, denn die Lösungsgeschwindigkeit erhöht sich extrem. Da Salicysläure ab 76°C sublimiert, also direkt vom Festzustand in die Gasform übertritt, muss die Temperatur zwischen 65 und maximal 75°C liegen. Dies lässt sich leicht mit einem Infrarotthermometer prüfen, das kontaktlos Werte ermittelt (DAC Probe 20).
NRF Nr. | Bezeichnung | Grundlage | Formulierungstyp | Aufbrauchfristen |
---|---|---|---|---|
11.106. | Hydrophile Salicylsäure- Creme 5 % »Unguentum Acidi salicylici 5 % SR« | Nichtionische hydrophile CremeSR DAC | Suspension pH circa 2,4 | Tube: 1 Jahr Spenderdose: 6 Monate |
11.43. | Salicylsäure- Vaselin 1 % / 2 % / 3 % / 5 % / 10 %/ 20 % | Weißes oder gelbes Vaselin | Suspension wasserfrei | Tube und Spenderdose: 1 Jahr |
11.44. | Salicylsäure-Öl 2 % / 5 % / 10 % | Octyldodecanol, bei der 10%igen Konzentration ist Ricinusöl enthalten | Lösung Die Temperatur beim Rühren soll zwischen 65 und 75 °C liegen | Glasflasche mit Kolbendosier-Pipette / Öl-feste Pipetten (rotes Hütchen) oder Kunststoffflasche mit Spritz- oder Tropfeinsatz: 6 Monate |
11.85. | Abwaschbares Salicylsäure-Öl 2 % / 5 % / 10 % | Octyldodecanol Macrogol-4- laurylether | s.o. | s.o. |
Die Bezeichnung 2-Hydroxybenzoesäure macht deutlich, dass dieser Arzneistoff chemisch betrachtet sowohl eine Säure als auch ein Phenol darstellt. Dies ist wichtig für die Plausibilitätsprüfung. Denn Salicylsäure macht seinem Name alle Ehre und senkt den pH-Wert jeder wässrigen Phase beträchtlich. Die therapeutisch sinnvolle Kombination mit einer der beiden Basen Erythromycin und Clotrimazol verbietet sich aufgrund deren Zersetzung im sauren Milieu.
Suspension in Basiscreme
Untersuchungen des Zentrallabors aus dem Jahr 2015 zeigten, dass 1-prozentiges Clotrimazol und 5-prozentige Salicylsäure in 70-prozentigem 2-Propranolol nicht haltbar sind. Aber in Basiscreme liegen beide Wirkstoffe zum Teil suspendiert vor, also weniger reaktionsfähig. Laut ZL kann diese eine Woche lang angewendet werden. Die Hydroxyl-Gruppe [R-OH] der Salicylsäure kann in Wechselwirkungen mit den freien Elektronenpaaren eines ungeladenen Emulgators treten. Diese sogenannte Phenol-Macrogol-Instabilität tritt sofort auf, wenn Acidum salicylicum in hydrophile Basisemulsion DAC oder verdünnte Basiscreme DAC eingearbeitet wird.
Eine Stabilität für sechs Monate wurde für 5-prozentige Salicylsäure in unverdünnter Basiscreme DAC, nichtionischem hydrophilem Liniment sowie nichtionischer hydrophiler Creme DAB und auch der SR DAC Variante nachgewiesen. Der Wirkstoff wurde mit elektrischen Rührsystemen eingearbeitet. Da diese eine höhere Scherung erzeugen und eine Creme früher bricht, ist die Verwendbarkeitsfrist auch bei manueller Herstellung gültig. /
Rezeptur | pH-Wert | Aufbrauchfrist |
---|---|---|
Clotrimazol 1 % Salicylsäure 5 % In Basiscreme DAC | 2,5 | 1 Woche |
Clotrimazol 1 % Salicylsäure 5 % In 2-Propranol 70 % (V/V) DAC | nicht stabil | |
Clotrimazol 1 % Salicylsäure 5 % Propylenglycol 20 % In 2-Propranolol | 1 Woche, evtl. länger |
Quelle: PZ 38/2015