Fünf Gründe für hohe Werte |
05.02.2018 10:35 Uhr |
Von Isabel Weinert / Klagen Diabetiker über zu hohe Blutzuckerwerte, sind meist zu viel Essen und zu wenig Medikamente die Erklärung. Doch nicht immer sind das die Ursachen.
Trotz großen Engagements für gute Werte – Diabetiker müssen immer wieder mit dem Frust zurechtkommen, dass der Blutzucker zu hoch ist, obwohl sie doch alles in ihrer Macht stehende richtig gemacht haben. Beeinflussen können sie Ernährung, Bewegung und Insulindosis. Auch die Therapie mit oralen Antidiabetika lässt sich mit Hilfe des Arztes etwas justieren. Daneben existiert jedoch eine Reihe von Ursachen für schlechte Glukosewerte, an die nicht jeder Diabetiker sofort denkt. Gut, wenn PTA dann nach den folgenden Ursachen fragen.
Hormonschwankungen
Viele Typ-1-Diabetikerinnen im gebärfähigen Alter machen die Erfahrung, dass der Blutzucker im Verlaufe eines jeden Zyklus in charakteristischer Weise schwankt. Das liegt an den Sexualhormonen, die die Insulinresistenz beeinflussen. In der zweiten Zyklushälfte steigt der Insulinbedarf allmählich an, mit Einsetzen der Periode fällt er stark ab. Während die zweite Zyklushälfte also von Hyperglykämien gekennzeichnet ist, sofern man nicht entsprechend die Insulindosis erhöht, drohen nach Beginn der Periode zunächst Hypoglykämien. Eine App, die diese Schwankungen individuell berücksichtigt, haben die beiden Schwestern Anja-Sophia und Sarah-Luisa Reh (14 und 16 Jahre) entwickelt. Sie berechnet nach entsprechender Daten-Eingabe die erforderlichen Veränderungen der Insulin-Dosis, ist jedoch noch nicht allgemein verfügbar. Bis dahin müssen Frauen mit Typ-1-Diabetes ihre Werte gut dokumentieren und selbst herausfinden, welche Insulindosis jeweils für einen guten Blutzucker sorgt.
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Die zweite hormonelle Hürde, die den Blutzucker beeinträchtigt, ist die Schwangerschaft. Im ersten und der ersten Hälfte des zweiten Trimenons liegen die Blutzuckerwerte eher zu niedrig, weshalb Diabetikerinnen, die Insulin spritzen, die Insulindosis hier entsprechend anpassen müssen, um nicht schwer zu unterzuckern. Dann steigt der Insulinbedarf deutlich an. Diabetikerinnen müssen die weitere Therapie immer wieder mit ihrem Diabetologen absprechen.
Irgendwann zwischen dem 45. und 52. Lebensjahr beginnt die letzte hormonelle Achterbahnfahrt im Leben einer Frau, die Wechseljahre. Sie können die Stoffwechseleinstellung deutlich erschweren. Auch dies ein Grund für schlechte Blutzuckerwerte, den Patientinnen kennen sollten.
Kortison
Ob als Tabletten oder lokal als Spritze in ein Gelenk – Cortisol beziehungsweise dessen Abkömmlinge wirbeln den Blutzucker stark durcheinander. Im Körper ist Cortisol ein Gegenspieler von Insulin. Und so wirkt es auch, wenn es von außen zugeführt wird. Corticoid-haltige Asthma- oder Nasensprays beeinflussen die Stoffwechselsituation in der Regel jedoch nicht messbar, weil nur wenig davon systemisch ankommt.
Wie stark Cortisol den Stoffwechsel beeinflusst, zeigt sich daran, dass Diabetiker, denen bislang Tabletten genügten, plötzlich Insulin brauchen und diejenigen, die Insulin spritzen, erheblich mehr benötigen. Doch einfach nur die Dosis steigern, reicht nicht aus. Denn wer etwa immer morgens eine Tablette mit einem Corticoid einnimmt, dessen Blutzuckerwerte sind morgens noch gut, steigen dann aber im Tagesverlauf deutlich an und fallen nachts wieder auf ein niedriges Niveau. Um individuell das beste Therapieschema während einer Corticoidtherapie zu finden, brauchen Diabetiker hier unbedingt die Hilfe eines Diabetologen. Auf keinen Fall darf die Angst vor schlechten Werten dazu führen, dass das Corticoid erst gar nicht eingenommen wird oder der Patient die Einnahme eigenmächtig abbricht.
Insulinresistenz
Als Diabetiker erfährt man immer wieder, was Insulinresistenz bedeutet und unter welchen Umständen sie sich verstärkt. So genügt es, wenn das sonst übliche Maß an körperlicher Bewegung sinkt. Nach ein, maximal zwei Tagen ohne Bewegung kann der Insulinbedarf dann schon deutlich ansteigen. Das geschieht auch, wenn ein Diabetiker über ein paar Tage viele Kohlenhydrate isst. Am schlimmsten kommt es, wenn wenig Bewegung und viel Essen zusammenkommen. Dann wirkt das gespritzte Insulin oder, bei Diabetikern, deren Bauchspeicheldrüse noch Insulin herstellt das körpereigene, nur noch schlecht. Bei einer schweren Stoffwechselentgleisung kann zunächst nur ein Arzt die Insulinresistenz durchbrechen. Doch Diabetiker selbst können generell eine Menge selbst tun, um ihre Zellen gegenüber Insulin so empfindlich wie möglich zu erhalten. Bewegung gehört zwingend dazu, ebenso eine maßvolle Ernährung mit möglichst wenig Zucker. Der Klage eines Patienten, sein Blutzucker sei so schlecht, kann also eine schwere Insulinresistenz aufgrund eines falschen Verhalten zugrunde liegen.
Infekte im Anmarsch
Schon bevor ein Infekt für den Diabetiker spürbar ausbricht, etwa ein banaler grippaler Infekt, können sich die Blutzuckerwerte verschlechtern. Wer sich genau beobachtet, kann an seinem Blutzuckerverlauf also mitunter ablesen, ob womöglich ein viraler oder bakterieller Infekt ins Haus steht. Im Rahmen einer Infektion steht der Organismus vermehrt unter dem Einfluss der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin. Sie wirken Insulin entgegen. Auch deshalb verschlechtert sich die Blutzuckereinstellung in aller Regel unter einer Infektion. Geübte Diabetiker erhöhen dann ihre Insulindosis. Diabetiker, die Tabletten einnehmen, müssen eventuell vorübergehend zusätzlich Insulin spritzen. Nach der vollständigen Genesung pendelt sich der Blutzucker in aller Regel wieder auf das Niveau vor der Infektion ein. Dann gilt es, entsprechend die Insulindosis zu senken oder wieder auf Tabletten umzustellen.
Depressionen
Depressionen treten bei Diabetikern häufiger auf als bei gesunden Menschen. Das liegt zum einen am Leben mit einer chronischen Krankheit und deren Folgen, zum anderen beeinflussen hohe Blutzuckerwerte Bereiche im Gehirn derart, dass Depressionen durch die schlechte Blutzuckereinstellung entstehen. Klagt ein Diabetiker in der Apotheke häufiger über zu hohe Blutzuckerwerte, ist es ratsam, mit behutsamen Fragen herauszufinden, welchen Anteil die psychische Verfassung haben könnte. Die Depression führt nämlich dazu, dass Betroffene sich nicht mehr gut um ihren Diabetes kümmern, Diätvorgaben nicht einhalten und die Therapie schleifen lassen. Die daraus resultierenden hohen Werte verschlimmern wiederum die Depression.
Mit gezielten Fragen zu den nicht aus den ersten Blick erkennbaren Ursachen für hohe Blutzuckerwerte können PTA wertvolle Impulse geben. Die Schlüsse daraus und die therapeutischen Konsequenzen liegen dann in der Hand des behandelnden Arztes. /