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Wundauflagen

Gut verbunden ist halb geheilt

05.02.2018  10:35 Uhr

Von Edith Schettler / Um eine Wunde gut zu versorgen, kommt es darauf an, die richtige Wundauflage zu wählen. Dafür ist es wichtig, die Phasen der Wundheilung und die Eigenschaften der unterschiedlichen Verbände zu kennen. Nur im optimalen Zusammenspiel von Wundauflage und körpereigener Reparatur heilt eine Wunde ohne Verzögerung.

Kleine, banale Alltagsverletzungen heilen meist in kurzer Zeit spontan und ohne große Unterstützung aus. Eine sterile Abdeckung schützt sie vor äußeren Einflüssen, damit die Abwehr- und Reparaturmechanismen in den zerstörten Gewebeschichten in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können. Nach ein bis zwei Wochen ist der Defekt dann schon wieder verschlossen. Anders sieht es bei chronischen Wunden aus, die meist über Monate oder sogar Jahre bestehen. Damit sie heilen, brauchen die Patien­ten ein individuell auf die Wunde zugeschnittenes Wundmanagement, das sich an den einzelnen Phasen der Wundheilung orientiert.

Bei jeder Hautverletzung gehen Zellen unter, je nach Tiefe der Wunde in der Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut und mitunter auch im tieferen Gewebe. Damit verliert die Haut an dieser Stelle ihre Schutzfunktion, körperfremde Stoffe und Mikroorganismen gelangen ungehindert in das Körperinnere. Um das Leck möglichst schnell zu reparieren, setzt als erstes die Blutgerinnung ein. Unter dem Einfluss von Luftsauerstoff gehen inaktive Vorstufen von Enzymen in ihre Wirkform über. So entsteht zunächst aus Prothrombin das Enzym Thrombin, welches die Umwandlung von inaktivem Fibrinogen in Fibrin katalysiert. Dieses bildet lange Fasern, die sich zu einem Netz zusammenlagern und Reste der Zellwand der Thrombozyten und Blutzellen einschließen. So prägt sich binnen Minuten ein Koagulum als erster primärer Wundverschluss aus.

Bereits während der Blutgerinnung wird das Immunsystem aktiviert, und die in der Oberhaut befindlichen ­Immunzellen beginnen, körperfremde Stoffe abzuwehren. Leukozyten bekämpfen fremde Mikroorganismen, Phagozyten und Makrophagen verflüssigen deren Überreste und auch die zerstörten körpereigenen Zellen. Damit beginnt die erste Phase der Wundheilung, die Sekretions- oder Exsudationsphase, als Phase der Wundreinigung. Eine Wunde kann sich erst dann verschließen, wenn diese Phase beendet ist.

 

Parallel zur Wundreinigung beginnt die Produktion neuer Zellen für die Hautschichten, Blutgefäße und Gewebestrukturen. Diese zweite Phase der Wundheilung, die Aufbauphase, heißt auch Granulationsphase. Jetzt kommt es darauf an, dass Zellteilung und Zellwachstum ungestört verlaufen. Können die neu gebildeten Zellen auf Grund von Durchblutungs- oder Stoffwechselstörungen nicht ausreifen, oder werden sie durch äußere Einflüsse beschädigt, muss sie die Abwehr aus der Wunde entfernen, und die Sekretbildung setzt von neuem ein.

Die dritte Phase der Wundheilung beginnt, wenn die Wunde durch neue Zellen verschlossen ist. Diese Phase der Wundruhe heißt Epithelbildungsphase. Hier reift die neu entstandene Oberhaut aus und bildet abschließend eine schützende Hornschicht. Bis dahin muss das empfindliche Epithel vor Schmutz und vor allem vor Wasser geschützt werden, damit es nicht erneut aufreißt und keine neue Wunde entsteht.

 

Verbandswechsel mit Feingefühl

Nicht immer verlaufen alle drei Phasen der Wundheilung ungestört neben- und nacheinander. Infektionen oder Ent­zündungen, Nährstoffmangel oder neue Verletzungen können den Ablauf stören. Beim Verbandswechsel ist deshalb äußerste­ Sorgfalt geboten, um bei der Entfernung der verbrauchten Wundauflage das Granulationsgewebe nicht zu beschädigen oder gar Keime in die Wunde­ einzutragen. Doch auch innere Faktoren wie ein guter Ernährungs­zustand und die Immunkompetenz des Patienten spielen eine wichtige Rolle für die Wundheilung. Besonders kritisch sind Wunden bei Diabetikern, denn ein hoher Blut­zuckerspiegel begünstigt Infektionen. Zudem spüren Diabetiker mit Neuropathie Wunden erst sehr spät. Auch Patienten mit Durchblutungs­störungen leiden häufig an chronischen Wunden, weil das Wundgebiet nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen ­versorgt wird. Die klassische, durch Sauer­stoff- und Nährstoffmangel hervorgerufene chronische Wunde ist der Dekubitus.

 

Zu Beginn der Wundheilung sollen saugfähige Auflagen Blut und Sekret aufnehmen. Hierfür eignen sich die traditionellen textilen Kompressen auf der Basis von Mull und Vliesstoff als Wundkontaktschicht und Watte und Zellstoff als Saugschicht. Eine wichtige Rolle spielt dabei der häufige Verbandswechsel, am besten bevor das Wund­sekret die Kompresse durchdringt und von außen sichtbar ist. Denn dann trocknet es ein, die Wundauflage verklebt unter Umständen mit der Wunde, und beim Verbandswechsel entstehen neue Verletzungen. Dieses Risiko minimieren Vliesstoffkompressen mit einem hohen Anteil an synthetischen Fasern oder mit Aluminium oder Silber beschichtet (zum Beispiel Aluderm®, Gothaplast®Silver). Auch zwischen Wunde und Kompresse gelegte Salbenkompressen, wie in Hydrotüll®, oder perforierte Folien, etwa Melolin®, verhindern das Ankleben der Wund­auf­lage an der Wunde. Für infizierte Wunden finden silberhaltige Salbenkompressen, zum Beispiel Atrauman®Ag, oder Kompressen mit Aktivkohle wie CarboFlex® Verwendung.

Moderne interaktive Wundauflagen verkleben grundsätzlich nicht mit der Wunde, denn sie bilden mit dem Wundsekret ein Gel, das die Wunde ständig feucht hält. Unter dem Gel bleiben die Wundtemperatur und der pH-Wert auf dem Niveau der Körperzellen. Wachstumsfaktoren und Enzyme aus dem Wundsekret stehen der Wunde damit länger zur Verfügung, weil die Verbände im Vergleich zu den textilen Kompressen sehr viel seltener gewechselt werden müssen. Für den Einsatz in der Exsudationsphase eignen sich wegen ihres hohen Bindungsvermögens für Flüssigkeiten vor allem Alginatkompressen wie Suprasorb®A. Aber auch Wundauflagen aus Hydrofasern wie Carboxymethylcellulose, zum Beispiel Aquacel®, oder Schaumstoffkompressen mit einer hohen Porenzahl, etwa in Suprasorb®P, finden Verwendung. Schaumstoffe haben zudem den Vorteil, die Wunden vor Druck und Stoß zu schützen.

 

Die Granulation unterstützen

In der zweiten Wundheilungsphase ­sollen die Wundauflagen die Zellneubildung optimal unterstützen und vor allem nicht mit der Wunde verkleben. Außerdem müssen sie noch eine gewisse Saugfähigkeit besitzen, da besonders zu Beginn der Granulationsphase noch Wundsekret entsteht. Im Verlauf der weiteren Wundheilung nimmt die Sekretbildung dann immer weiter ab. Dann hilft es, wenn die Wundauflage selbst Feuchtigkeit enthält, um ein optimales Wundheilungsklima zu erzeugen. Vor allem für chronische Wunden kommen die traditionellen textilen Kompressen jetzt nicht mehr zum Einsatz, da sie die Wunde austrocknen und damit die Granulation stören.

 

Für den Beginn der Granulationsphase sind Gelbildner wie Gelatine, Pektin, Karaya (zum Beispiel Varihe­sive®) und vor allem Carboxymethylcellulose-Natrium (wie in Comfeel®plus) als Materialien für Wundauflagen geeignet. Diese Hydrokolloidkompressen haften dank einer Beschichtung mit Polyisobuten oder Silikon auf der trockenen Wundumgebung, nicht aber auf der feuchten Wunde.

 

Bildet die Wunde selbst kein Sekret mehr, kommen Hydrogelkompressen zum Einsatz, die in einer Matrix aus hydro­philen Polymeren eingebettetes Wasser enthalten, das die Wunde gut feucht hält (zum Beispiel Suprasorb®G).

 

Guter Schutz zum Schluss

In der Epithelbildungsphase soll die Wundauflage die neu gebildete Oberhaut vor Schmutz und Keimen schützen, vor allem aber vor dem Austrocknen und vor Wasser.

 

Dünne Polyurethan-Schaumstoffkompressen schützen die frisch verschlossene Wunde zusätzlich vor Druck von außen (zum Beispiel bei Hydro­Tac®). Eine Beschichtung mit Hydrogel liefert Feuchtigkeit für ein optimales Wundklima. Außerdem haften sie nur auf der trockenen Haut und nicht auf dem frischen Epithel, so dass beim Verbandswechsel keine neuen Verletzungen entstehen.

 

Transparente Polyurethan-Folienverbände lassen eine Beurteilung der Wunde auch ohne Entfernung der Wundauflage zu. So kann das medizinische Personal die Wunde ständig kon­trollieren, ohne die Wundruhe stören zu müssen (zum Beispiel Askina®Derm). Sie lassen Wasserdampf und Sauerstoff hindurch, aber nicht Wasser und Bakterien. Die Patienten können mit diesen Verbänden duschen und sogar baden.

 

Der Einsatz von hydroaktiven Wundverbänden lässt Wunden deutlich schneller heilen als mit textilen Materialien. Schmerzen treten unter feuchten Verbänden seltener auf. Außerdem ist der pflegerische Aufwand wesentlich geringer, da die Verbände mit Ausnahme infizierter oder infek­tionsgefährdeter Wunden erst nach mehreren Tagen gewechselt werden müssen. Damit relativieren sich auch die höheren Kosten für die interaktiven Verbandsmaterialien.

 

Neben diesen Vorteilen haften die meisten interaktiven Wundauflagen selbst, beispielsweise Schaumstoff-, Folien- und Hydrokolloidverbände. Die lockere Vliesstruktur von Kompressen aus Hydrofasern bildet bei Kontakt mit Wundsekret Gelklümpchen. Sie werden deshalb zusätzlich mit einer textilen Kompresse bedeckt. Aus tiefen Wunden spülen die die Wunde betreuenden Mitarbeiter das Gel beim Verbandswechsel mit steriler Kochsalzlösung her­aus. Bei flachen Wunden haftet es an der Kompresse beim Abnehmen meist mit an.

 

Textile Kompressen müssen grundsätzlich fixiert werden. Fixierpflaster eignen sich für Patienten mit normaler, unempfindlicher Haut. Sie bestehen aus atmungsaktivem Vliesstoff oder Mull als Trägermaterial und Polyacrylat oder Silikon als Klebemasse (zum Beispiel Fixomull®). Auch mit mikro­per­forierten Folien können Kompressen ­fixiert werden, diese Verbände eignen sich auch zum Duschen, etwa Gotha-Flex® transparent. Für geriatrische Patienten mit sehr dünner und trockener Haut kommen Fixierpflaster und ­-folien in Frage, weil die Verletzungsgefahr beim Entfernen geringer ist.

 

Hohe Elastizität bei Schlauchverbänden

Fixierbinden gibt es in starrer (zum Beispiel Peha®-Mullbinden) oder elastischer Qualität. Sie stellen eine gute ­Alternative bei empfindlicher oder Alters­haut dar. Längselastische Binden, wie etwa Mollelast®, ergeben besser sitzende Verbände, vor allem an bewegten Extremitäten. Sie können zusätz­lich mit einem Latexauftrag versehen sein, der verhindert, dass der Verband verrutscht. Für Allergiker gibt es diese kohäsiven Binden auch latexfrei (zum Beispiel Haftelast®latexfrei).

 

Schlauchverbände eignen sich beson­ders, um Wundauflagen an den Extremi­täten und am Kopf zu fixieren. Sie sind Gestricke aus Baumwolle (zum Beispiel Cottonelast® Trikotschlauchbinde), Baumwoll-Viskose-Misch­ungen, wie Askina® Finger Bob®, oder enthalten elastische Fäden, zum Beispiel­ Tricodur® Tubular. Eine Sonder­stellung in dieser Produktgruppe nehmen­ die Netzverbände ein, zu denen zum Beispiel Stülpa-fix® gehört. Sie sind aus hochelastischen, mit Baumwolle umsponnenen Fäden gewirkt und besitzen die höchste Elasti­zität von allen Schlauchverbänden. Mit ihnen lassen sich Wundauflagen an den Fingern, ­Extremitäten, am Kopf und am Torso fixieren. /

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