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Halbmetall Arsen

Im Essen bedenklich

05.02.2018  10:35 Uhr

Von Ulrike Becker / Reis ist häufig mit Arsen belastet. Bedenklich ist das vor allem für Babys und Kleinkinder. Denn viele Babybreie basieren auf Reis, und Reiswaffeln sind zum Knabbern für die Kleinen sehr beliebt. Doch auch weitere gängige Lebensmittel tragen zur Arsenaufnahme bei.

Das Halbmetall Arsen kommt natürlicherweise fast überall in der Umwelt vor: im Boden, im Wasser und in der Luft sowie als Bestandteil von mineralischen Verbindungen in Gesteinen. Auswaschungen spülen Arsen in das Grundwasser und in bestimmten Regionen auch in das Trinkwasser. Hohe Arsenkonzentrationen im Trinkwasser finden sich vor allem in Indien, Bangladesch, Thailand und China. Durch Dünger und Pflanzenschutzmittel gelangt es auf landwirtschaftlich genutzte Felder und wird von Pflanzen aufgenommen. In größeren Mengen fällt Arsen zudem als Nebenprodukt bei der Gewinnung von Kupfer, Blei oder Gold an sowie bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen.

In Südostasien stellt Reis eine Gefahrenquelle dar. Über arsenbelastetes Wasser reichert sich das Halbmetall in der Reispflanze an und führt vielerorts zu bedenklichen Konzentrationen. Die Anbaubedingungen in Asien spielen auch für Europäer eine Rolle, stammen doch rund 95 Prozent der hier verzehrten Reismenge aus China, Thailand und Indien. In Deutschland ist der Konsum von Reis und Reisprodukten zwar deutlich geringer als in asiatischen Ländern, dennoch warnen Experten auch hierzulande vor einer erhöhten Arsen­aufnahme.

Arsen kommt in unterschiedlichen Formen vor. Anorganische Varianten stufen Experten als krebserregend ein. Eine chronische Arsenbelastung erhöht das Risiko vor allem für Haut-, Lungen-, Nieren- sowie Blasenkrebs. Eine bereits im Juli 2013 veröffentlichte Kohortenstudie mit 400 Probanden der Universität Manchester belegt die Gefahr für Blasenkrebs. Die Forscher wiesen genotoxische Effekte in Harnwegszellen nach, die mit dem Konsum von gekochtem Reis korrelierten, der mehr als 200 µg Arsen pro Kilogramm enthielt. Die Autoren bestätigten damit Ergebnisse, die aus Studien mit arsenbelastetem Trinkwasser vorliegen.

Der Mechanismus der Krebs-auslösenden Wirkung von Arsen ist noch nicht ganz geklärt. Arsen schädigt die DNA nicht direkt, führt aber zu Mutationen an den Chromosomen. Zudem hemmt es DNA-Reparaturmechanismen. Im Stoffwechsel entstehen aus Arsen Methylierungsprodukte, die zelltoxisch wirken, das Erbgut schädigen können und im Tierversuch Hauttumore fördern. Darüber hinaus zeigen anorganische Arsenverbindungen eine akute und chronische Toxizität. Bei langfristiger regelmäßiger Aufnahme führen vergleichsweise kleine Mengen zu Hautveränderungen, Gefäß- und Nervenschädigungen, fördern Herz-Kreislauf­erkrankungen und schaden der Entwicklung bei Kindern.

Organische Verbindungen wie Arsenobetain oder Arseno­­cholin, die sich in Fisch oder Meeresfrüchten nachweisen lassen, gelten bislang als unbedenklich. Möglicherweise entstehen aber auch aus organischen Arsenverbindungen Methylierungs­produkte, die die DNA schädigen können. Experten des Umweltbundesamtes schließen daher nicht aus, dass organische Arsenverbindungen ebenfalls zum Krebs­risiko beitragen.

Aufnahme unvermeidlich

Durch das verbreitete Vorkommen lässt sich eine Arsenaufnahme nicht vollständig vermeiden. Dass sich das Halbmetall besonders in der Reispflanze anreichert, liegt sowohl an der überwiegend praktizierten Anbaumethode auf überfluteten Feldern als auch an der besonderen Pflanzenphysiologie, die bis heute noch nicht vollständig verstanden ist. Bekannt ist, dass Reis deutlich mehr Arsen aufnimmt als andere Getreidearten. Der Gehalt im Reis variiert je nach Anbaugebiet und Sorte. Auch die Verarbeitung nach der Ernte beeinflusst die Konzentration. Die Spanne der gemessenen Werte liegt daher zwischen 20 und 900 Mikrogramm Arsen pro Kilogramm Reis.

Das Problem der Arsenbelastung von Reis ist schon länger bekannt, doch hat die Europäische Union erst 2016 Grenzwerte für Arsen in Reis und Reisprodukten festgelegt (siehe Kasten). Allerdings lässt sich keine sichere Aufnahmemenge angeben, die nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung steht, warnen Experten des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

Die Europäische Behörde für Lebens­mittelsicherheit EFSA ermittelte 2014 anhand von 28 Erhebungen aus 17 europäischen Ländern Schätzwerte zur chronischen ernährungsbedingten Aufnahme von anorganischem Arsen. Die mittlere Exposition bei Erwachsenen lag zwischen 0,09 und 0,38 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Für Kleinkinder errechneten die Wissenschaftler eine wesentlich höhere Aufnahme, nämlich bis zu 2,09 Mikrogramm Arsen pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Sie gelten daher als besonders gefährdet.

Eine Übersichtsarbeit von deutschen Wissenschaftlern aus dem Jahr 2016 zeigt, dass nicht allein belasteter Reis für die Arsenzufuhr eine Rolle spielt. In Europa tragen demnach aufgrund ihrer hohen Verzehrsmenge vor allem Brot und Backwaren aus Weizen zur Arsen-Aufnahme bei. An zweiter Stelle folgen aber bereits Reis und Reisprodukte. Als weitere wichtige Quellen zeigten sich Milch und Milchprodukte sowie, außerhalb Deutschlands, auch Trinkwasser. Die Autoren fordern von der Politik weitreichende Maßnahmen, um die Bevölkerung vor einer Arsenbelastung über Lebensmittel zu schützen.

Da sich das Halbmetall besonders in den Randschichten einlagert, weist ungeschälter Vollkornreis eine höhere Konzentration auf als weißer Reis. Die stärkere Arsenbelastung von Vollkornreis bestätigt eine aktuelle Untersuchung des Öko-Test-Magazins. Auch Parboiled Reis war stärker belastet als weißer Reis.

In deutschem Trinkwasser stellt Arsen kein Problem dar. Die Konzentration liegt meist weit unter dem Grenzwert von 10 µg Arsen je Liter Wasser. Regional sind nur einzelne Regionen durch geologische Besonderheiten oder Industriealtlasten stärker belastet. Experten des Umweltbundesamts stufen die Aufnahme über Trinkwasser jedoch als unbedenklich ein.

Kleinkinder besonders gefährdet

Erwachsene, die sehr viel Reis essen, können problematische Arsenmengen aufnehmen. Das betrifft beispielsweise Menschen, die auf Gluten in der Nahrung verzichten müssen, wie Zöliakiepatienten. Eine amerikanische Studie vom Mai 2017 wies bei glutenfreier Ernährung eine um 90 Prozent höhere Arsenbelastung nach als bei üblicher Kost. Vor allem Kinder, die aufgrund einer Milchallergie oder Zöliakie vermehrt Reisdrinks oder andere Reisprodukte konsumieren, erreichen kritische Mengen.

Bereits seit 2015 raten die Risikoexperten des BfR dazu, Säuglingen und Kleinkindern nicht jeden Tag reishaltige Lebensmittel anzubieten. Vor allem Reiswaffeln waren in der Vergangenheit hoch belastet. Oft enthalten sie höhere Gehalte an anorganischem Arsen als die Reiskörner selbst, da es durch Erhitzung und Verarbeitung zu einem Aufkonzentrieren kommt. Ein aktueller Labortest der Verbraucherschutzorganisation foodwatch vom November 2017 kam zu dem Ergebnis, dass alle 18 untersuchten Produkte für die Baby- oder Kleinkindernährung den schädlichen Stoff beinhalten. Etliche Reisflocken und Reiswaffeln lagen knapp über dem Grenzwert. Ganz vermeiden lässt sich Arsen in Reis nicht. Doch einige Produkte waren drei- bis viermal so stark belastet wie andere. Das zeigt, dass sich der Arsengehalt durch die Wahl arsenarmer Reissorten und die Herstellungspraxis reduzieren lässt.

Auch das Öko-Test-Magazin untersuchte 2016 Reiswaffeln von unterschiedlichen Herstellern: 3 von 19 Waffeln überschritten den Grenzwert, nur ein Produkt enthielt lediglich Arsenspuren.

Lebenslang schädlich

Eine aktuelle Arbeit irischer und britischer Wissenschaftler beschreibt, warum die Aufnahme von anorganischem Arsen für die frühkindliche Entwicklung problematisch ist: Kleinkinder können anorganisches Arsen in der Leber besonders gut methylieren, wodurch es für sie noch schädlicher ist als für Erwachsene. Die Forscher sind überzeugt, dass sich die Arsenbelastung während des gesamten Lebens negativ auswirken kann, einschließlich neurologischer, kardiovaskulärer, respiratorischer und metabolischer Komplikationen.

Es ist noch viel Forschungsarbeit nötig, um die Arsenkontamination in der Umwelt in den Griff zu bekommen. Wissenschaftler suchen beispielsweise nach Methoden, um die Arsenaufnahme in die Reispflanze zu verringern und erforschen derzeit die Transportmechanismen. Erst 2016 wurden zwei Transportproteine identifiziert. Doch erst wenn der Vorgang vollständig bekannt ist, lässt sich die Aufnahme blockieren. Eine aktuelle Studie von amerikanischen Wissenschaftlern auf den Reisfeldern von Kambodscha zeigt, dass die Zugabe von Silicium die Aufnahme von Arsen in die Reispflanze hemmt. Dazu haben die Forscher in einem Feldversuch Reisstroh und die siliciumreichen Spelzen der Reiskörner in den Boden eingearbeitet, was den Gehalt von anorganischem Arsen in der Pflanze um 25 bis 50 Prozent reduzierte.

Auch das Anbauverfahren spielt eine Rolle: Reis wird weltweit meist im sogenannten Nassanbau angepflanzt, was die Belastung durch die Aufnahme des Schadstoffs über die Wurzeln erhöht. Möglich ist aber auch der Trockenanbau, der allerdings geringere Erträge liefert.

Das Waschen des Reises vor dem Kochen scheint die Arsenbelastung ebenfalls zu reduzieren. Ratsam ist zudem, Reis in sehr viel Wasser zu kochen und die Überstände dann wegzugießen. Doch das geht zu Lasten des Mineralstoffgehalts.

Verbraucherschützer fordern ein regelmäßiges Monitoring von Reis und Reisprodukten durch die Behörden, um problematische Lebensmittel aus dem Verkehr zu ziehen. Die Hersteller müssten zudem an die verwendete Rohware strengere Anforderungen stellen und die Grenzwerte einhalten. Des Weiteren sollten sie die Empfehlung des BfR auf die Verpackungen aufdrucken, Säuglinge und Kleinkinder nicht ausschließlich mit reisbasierten Produkten zu ernähren. Denn sehr viele Eltern sind nicht über die Gesundheitsgefahr durch Arsen informiert.

Die Risikoexperten des BfR halten einen völligen Verzicht auf Reis für unnötig, empfehlen aber, Reiswaffeln, Reisflocken und Reisbrei nur in Maßen zu konsumieren. Eine abwechslungs­reiche Ernährung lässt sich hierzulande auch ohne Reisprodukte gut umsetzen, die riesige Palette an Lebensmitteln macht einen Austausch problemlos möglich. Eltern ist zudem anzuraten, für ihre Kleinsten nur als Babynahrung gekennzeichnete Produkte zu kaufen, da hier strengere Grenzwerte für anorganisches Arsen gelten. Für Menschen, die an Zöliakie erkrankt sind, bieten sich als Alternative andere glutenfreie Getreidearten an wie zum Beispiel Mais, Hirse, Buchweizen, Amaranth oder Quinoa. /

Grenzen für Arsenaufnahme

Seit dem 1. Januar 2016 gelten in der EU Höchstwerte für anorganisches ­Arsen in Lebensmitteln:

  • Trinkwasser 10 µg/l (bereits seit 2001)
  • geschliffener Reis, nicht parboiled (polierter oder weißer Reis): 0,20 mg/kg Frischgewicht
  • Parboiled Reis und geschälter Reis: 0,25 mg/kg Frischgewicht
  • Reiskekse, Reiswaffeln, Reiskräcker und Reiskuchen: 0,30 mg/kg Frischgewicht
  • Reis für die Herstellung von Lebens­mitteln für Säuglinge und Kleinkinder: 0,10 mg/kg Frisch­gewicht