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Nikotinentwöhnung

Abschied von Marlboro & Co.

24.04.2007  10:40 Uhr

Nikotinentwöhnung

Abschied von Marlboro & Co.

von Christiane Berg, Hamburg

Ob Krebs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Alle 10 Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen des Tabakkonsums. Statistisch betrachtet reduziert jede Zigarette die Lebenserwartung eines Rauchers um 5,5 Minuten. Die Lebenserwartung von Rauchern verkürzt sich im Vergleich mit Nichtrauchern um durchschnittlich 7,5 Jahre.

Allein in Deutschland sterben jedes Jahr 110 000 bis 140 000 Menschen an den Folgen des Rauchens, das sind 300 bis 400 Bundesbürger täglich. Immer noch, so die Deutsche Krebsgesellschaft e.V., Frankfurt am Main, erkranken weitaus mehr Männer als Frauen an Lungenkrebs. Aktuell rauchen 25 Prozent aller Erwachsenen. Weitere 4 Prozent bezeichnen sich als Gelegenheitsraucher. 35 Prozent der Männer, 22 Prozent der Frauen greifen regelmäßig zum Glimmstängel. 20,7 Prozent der männlichen und 11,8 Prozent der weiblichen Raucher konsumieren täglich mehr als zwanzig, 1,7 Prozent der Männer und 0,8 Prozent der Frauen sogar über vierzig Zigaretten. Derzeit beobachten die Wissenschaftler folgenden Trend: Bei Männern nimmt die Zahl der Neuerkrankungen ab, bei Frauen zu. Die Steigerungsrate beträgt bei den Frauen jährlich durchschnittlich 3,5 Prozent, in der Gruppe der 45- bis 60-Jährigen sogar 6,3 Prozent. In Deutschland starben 1998 anderthalbmal so viele Frauen an Krebs der Atmungsorgane wie im Jahr 1980.

Diese Entwicklung beurteilen Experten als fatal. Nach aktuellen Forschungen wirkt sich das Rauchen bei Mädchen und Frauen wesentlich schwerwiegender aus als bei Jungen und Männern. So verdoppeln bereits drei Zigaretten pro Tag bei Frauen das Herzinfarktrisiko, bei Männern sind es sechs. Die Innenschichten der Blutgefäße reagieren bei Frauen auf die toxischen Effekte von Nikotin und Teerstoffen deutlich empfindlicher als bei Männern. Zudem vermindert Rauchen die Konzentration des Gefäß schützenden Östrogens im Blut und im Gewebe.

Raucherinnen erhöhen ihr Thromboserisiko durch die Einnahme der Antibabypille. Rauchen lässt die Konzentration des Fibrinogens im Serum ansteigen. Die Kombination mit oralen Kontrazeptiva erhöht die Viskosität des Blutes und vermindert dessen Fließeigenschaften. Zum anderen bilden sich verstärkt atheriosklerotische Plaques, periphere Verschlusskrankheiten, Herzinfarkt und Schlaganfall sind die Folgen.

Spezielle Risiken für Frauen

Außerdem begünstigt Rauchen die Thrombozytenaggregation und erhöht die Konzentration von Thromboxan-Metaboliten und Plasminaktivator-Inhibitoren. Bereits bei 14- bis 18-jährigen Raucherinnen wird dadurch ein Krankheitsprozess initiiert, der schon im jugendlichen Alter die Grundlage für spätere Komplikationen und kardiale Ereignisse legt.

Junge Frauen riskieren zudem Kinderlosigkeit. Denn: Regelmäßiger Nikotinkonsum macht unfruchtbar. Während rauchende Männer weniger Samenzellen als Nichtraucher bilden und die Qualität des Samens schlechter ist, vermindert Rauchen bei Frauen die Durchblutung der Eierstöcke und der Gebärmutter.

Unter dem Strich, so Frauenärzte, verringern junge Raucherinnen ihre Schwangerschaftschancen um ein Drittel. Nikotin lässt die Eierstöcke schneller altern, die Wechseljahre treten eher ein, und das Risiko für Osteoporose ist erhöht.

Auch werden Frauen erwiesenermaßen eher nikotinabhängig als Männer. Dies beruht einerseits auf biologischen und andererseits auf psychosozialen Faktoren. So unterwerfen Frauen sich mehr als Männer dem Modediktat des extremen Schlankheitsideals. Außerdem erzeugt die Doppelbelastung durch Job und Familie bei ihnen oft Ängste, Depressionen und das Burnout-Syndrom.

Daher nutzen zum einen mehr Frauen als Männer Nikotin als Appetithemmer. Studien ergaben, dass 34,3 Prozent der Raucherinnen Zigaretten als Mittel zur Gewichtskontrolle einsetzen, im Vergleich dazu nur 11,8 Prozent der Männer. Epidemiologischen Untersuchungen zufolge ist Rauchen bei jungen Mädchen oftmals Co-Faktor schwerwiegender Ess-Störungen wie Magersucht und Bulimie.

Weibliches Konsumverhalten

Auch »gieren« signifikant mehr Frauen als Männer besonders dann nach einer Zigarette, wenn sie »schlecht drauf« sind. So greifen Frauen nach Aussage der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) auffallend häufig zur Zigarette, um Wut und Aggressionen zu blockieren oder um Trauer und Einsamkeit zu lindern. Negative Gefühle führen auch dazu, dass ehemalige Raucherinnen rückfällig werden. Männer verbinden dagegen die Lust auf eine Zigarette am ehesten mit der Erinnerung an schöne Erlebnisse. Sie werden am häufigsten rückfällig bei Familienfeiern, auf Partys und an Kneipenabenden.

Als wichtigste Faktoren fördern der soziale Kontext von Mann und Frau und das gesellschaftliche Image des Rauchens die Entstehung einer Tabakabhängigkeit, so führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Tabakforschung. Menschen, deren Freunde, Bekannte oder Familienmitglieder rauchen, sind einem höheren Risiko ausgesetzt, sich selbst ständig mit blauem Dunst zu umhüllen. Bei Kindern, in deren Umgebung viel geraucht wird, verfestigt sich der Eindruck, Tabakkonsum gehöre zum Erwachsensein.

Hauptgrund für die Nikotinsucht, so die DHS, sei die öffentliche Darstellung des Rauchens als Mittel zur Förderung der Kommunikation, Lebensfreude und Entspannung, die die Tabakwerbung mit allen nur denkbaren Strategien transportiert.

Mehr selbstbewusste Nichtraucher

Derzeit wandelt sich das Image des Rauchers, denn das Selbstbewusstsein der Nichtraucherinnen und Nichtraucher ist gestiegen. Parallel zur Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gefahren des Rauchens und Passivrauchens treten Zwangsraucher zunehmend für ihr Recht auf rauchfreie Atemluft ein. Der Schutz vor Tabakrauch gilt inzwischen als Teil des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, das notfalls, zum Beispiel am Arbeitsplatz, mit juristischen Mitteln durchgesetzt werden kann.

In der Bundesrepublik sterben circa 3000 Personen jährlich an den Folgen des Passivrauchens, obwohl sie »nur« dem sogenannten »Nebenstromrauch« glimmender Zigaretten ausgesetzt waren. Besonders fatal: Jedes zweite Kind wächst in einem Raucherhaushalt auf und erkrankt daher verstärkt an Asthma oder chronischen Atemwegsinfektionen.

Die Zusammenhänge zwischen chronischer Bronchitis, Lippen-, Mundhöhlen-, Rachen-, Lungen- und Speiseröhrenkrebs, Blasen-, Magen-, Gebärmutterhals-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs, also frühzeitiger Invalidität und Tod, und dem Tabakkonsum sind unbestritten.

Besonders gefährdet sind Kinder im Mutterleib, denn Nikotin verengt die Blutgefäße, die das Ungeborene mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen. Kinder von Raucherinnen wiegen bei der Geburt im Durchschnitt 200 bis 300 Gramm weniger als Kinder von Nichtraucherinnen, wobei diese Werte auch von der Zahl der gerauchten Zigaretten abhängen. Rauchen kann die Durchblutung des Mutterkuchens so gravierend beeinträchtigen, dass er sich vorzeitig ablöst und es zu einer Fehlgeburt kommt.

Inzwischen haben die westlichen Industriestaaten die Trendwende hin zum Schutz der Nichtraucher vollzogen. Einige EU-Länder wie Irland oder Italien haben bereits Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden und der Gastronomie mit spürbaren Strafen bei Zuwiderhandlung eingeführt. Gesetzliche Rauchverbote gibt es unter anderem in Norwegen, Spanien, Schottland und den USA. In England, Frankreich und Dänemark sind Rauchverbote für dieses Jahr geplant.

Auch in Deutschland hat das Bundeskabinett grünes Licht für ein Rauchverbot im öffentlichen Personenverkehr gegeben: in Flugzeugen, Straßenbahnen, Bussen, Bahnen, Taxis und Fähren sowie in Bahnhöfen, Behörden, Ministerien und Gerichten. Das Gesetz zum Nichtraucherschutz soll zum 1. September in Kraft treten. Bundestag und Bundesrat müssen darüber noch entscheiden, die Gesetzespläne gelten aber als unstrittig. Wer künftig raucht, wo es verboten ist, muss bis zu 1000 Euro Bußgeld zahlen.

Ursprünglich wollte der Bund auch das Rauchen in Gaststätten verbieten. Dafür sind jedoch die Länder zuständig. Derzeit werden in den Ländern weitreichende Rauchverbote in Kneipen, Restaurants und Diskotheken diskutiert. Bayern will Sonderregelungen bei Bier- und Festzelten, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wollen die Wirte entscheiden lassen. In einigen Bundesländern werden Gäste daher wohl auch weiterhin in der kleinen Kneipe an der Ecke rauchen dürfen. Zwar einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder im März auf ein generelles Rauchverbot in Schulen, Kindergärten, Theatern und Diskotheken. Doch ein einheitliches Rauchverbot für Gaststätten scheint vom Tisch.

Rauchen verliert sein Image

Dennoch bleibt festzuhalten, dass das Rauchen in den westlichen Industrieländern in den letzten Jahrzehnten stetig an Ansehen verloren hat. Wer sich im Haus eines Nichtrauchers eine Zigarette anzündet, gilt als rücksichtslos, unhöflich, ja unsozial. Aufgrund dieses Imagewandels erzielen die Zigarettenhersteller ihre größten Zuwachsraten daher heute in den Entwicklungsländern. Dort steigt der Anteil der Raucher ständig. In Korea rauchen nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. inzwischen 68 Prozent aller Männer, in Russland und Bangladesh 60 Prozent. Das beim Rauchen einer Zigarette freigesetzte Nikotin wird an winzige Teerteilchen im Rauch gebunden und gelangt durch Inhalation in die Lunge. Von dort wird es sehr rasch in die Blutbahn aufgenommen und erreicht in wenigen Sekunden das Gehirn. Nikotin stimuliert zentrale und periphere nikotinerge Acetylcholinrezeptoren und bewirkt einen Anstieg der Neurotransmitter wie Noradrenalin, Serotonin und Dopamin. Diese lösen Wohlbehagen und Hochstimmung aus und sind für den »Rauchgenuss« verantwortlich.

Erhält der Körper kein Nikotin mehr, nimmt die Menge der frei gesetzten Botenstoffe wieder ab. Dadurch kommt es zu Entzugserscheinungen, die sich in starker Unruhe, Kreislaufbeschwerden, Kopfschmerzen, Schweißausbrüchen, Gereiztheit, Ungeduld, Depressionen, Konzentrationsstörungen und schlechter Laune äußern. Bei den ersten Anzeichen des Entzugs zündet sich der Raucher deshalb schon die nächste Zigarette an. Ein Teufelskreis beginnt.

Entstehung eines Suchtgedächtnisses

Der kontinuierliche Nikotinspiegel bei chronischem Nikotinabusus führt zu einer Vermehrung der Nikotinrezeptoren, es bildet sich ein »Suchtgedächtnis«. Bei Rauchern konnten Wissenschaftler im Vergleich zu Nichtrauchern ein Vielfaches dieser Rezeptoren nachweisen. Das Phänomen ist reversibel: Bei Ex-Rauchern sinkt die Zahl der Nikotinrezeptoren mit der Zeit wieder in den Normbereich.

Zwar nimmt die Zahl der Rezeptoren mit der Gewöhnung zu, dafür werden sie jedoch unempfindlicher. In der Konsequenz braucht das Gehirn größere Dosen der Droge. Raucher, die zu »Light«-Zigaretten wechseln, betrügen sich oftmals selbst, so die Deutsche Krebsgesellschaft. Zwar enthalten diese weniger Nikotin, doch rauchen viele Umsteiger mehr Zigaretten, um ihren gewohnten Nikotinspiegel aufrecht zu erhalten. Im Endeffekt nehmen sie somit mehr giftige Begleitstoffe auf. Besser wären Zigaretten mit einer Extraportion Nikotin, sie würden den Zigarettenkonsum reduzieren. Daran ist die Zigarettenindustrie natürlich nicht interessiert.

Zusatzstoffe verführen Jugendliche

Ganz das Gegenteil berichten die Experten des Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg: Bestimmte von der Industrie entwickelte Zusatzstoffe heben den physiologischen Schutzmechanismus der Bronchialkonstruktion auf beziehungsweise ermöglichen sogar eine Dilatation der Bronchien des Rauchers, so dass der Zigarettenrauch ungehindert in den tiefen Atemtrakt vordringen kann. Das hätten 2004 erste Ergebnisse der Auswertungen ehemals interner Dokumente der Tabakindustrie aus den USA gezeigt, bestätigt auch das WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle.

Beispielsweise verändert der Zusatz von Menthol den Geschmack der Zigarette und führt dazu, dass der Raucher tiefer und mehr Rauch inhaliert. Die damit einhergehende Stimulation der Kälterezeptoren erzeugt eine »Frischeempfindung«, die die Reizung der Bronchialschleimhaut durch den Zigarettenrauch maskiert. Mit anderen Worten: Der Mentholzusatz verleitet auch Kinder zu frühzeitigem Rauchen, ein von der Zigarettenindustrie durchaus erwünschter Effekt.

Der Einsatz sogenannter Mentholverstärker wie Tetramethyltitanat erhöht die physiologische Wirkung des Menthols. Thymian- und Eukalyptusöl, Anethol oder Methylsalicylat verbessern ebenfalls den Geschmack und wirken zusätzlich anästhesierend. Zur Eroberung des Kindermarktes setzen die Hersteller den Zigaretten Schokolade, Vanilin und Lakritze sowie Befeuchtungsmittel zu, um das Trockenheitsgefühl im Mund- und Rachenraum zu verhindern.

Die Experten des DKFZ sind davon überzeugt, dass die Durchsicht der internen amerikanischen Dokumente noch »weitere Überraschungen« ans Licht befördern wird. Doch bestehe bereits jetzt dringender Handlungsbedarf. Das Zentrum fordert mehr Verbraucherschutz. Unter anderem möchte es die Tabakindustrie zukünftig dazu verpflichten, die Konsumenten über Wirkungen und Nebenwirkungen der Inhalts- und Zusatzstoffe in der Gasphase des Zigarettenrauchs zu informieren.

Innere Distanz durch Ersatztherapie

Nicht das Sucht erregende Nikotin, sondern die mehr als 4000 giftigen und zum Teil kanzerogenen Zusatzstoffe und die Verbrennungsprodukte der Zigarette setzen der Gesundheit so stark zu. Dazu zählen die Stickoxide, Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, Benzol, Phenole, Formaldehyd, Nitrosamine, Akrolein sowie Spurenelemente wie Nickel und Cadmium.

Alle diese Schadstoffe meidet derjenige sofort, der sich die Zigaretten versagt. Doch auch eine Entwöhnung durch die Nikotinersatztherapie mit Hilfe von Pflastern, Kaugummis oder Lutschtabletten beendet schlagartig die Gesundheitsbelastung durch die gefährlichen Stoffe. Die vorübergehende Nikotinsubstitution unterdrückt Entzugssymptome, reduziert das Rauchverlangen und schafft so die Voraussetzung für eine mehr oder weniger bewusste innere Distanz zur Droge.

Mehrere Studien und Metaanalysen belegen die Effektivität der Nikotinsubstitution: Sie zeigen eindeutig, dass die Nikotinersatztherapie im Vergleich zu Placebo den Ex-Rauchern die langfristige Abstinenz erheblich erleichtert.

Die verschiedenen Darreichungsformen nutzen dabei unterschiedliche Entwöhnungsstrategien. So dienen Nikotinkaugummis oder Lutschtabletten den Exrauchern als orale Ersatzbefriedigung. Das Nikotinnasenspray (Nicorette®, in der Schweiz erhältlich) ist die schnellste und effektivste Form der Nikotinzufuhr und führt zu einer intensiven sensorischen Stimulation. Die kontinuierliche Nikotinsubstitution durch Nikotinpflaster (beispielsweise Nicorette®, NiQuitin®, Nicotinell®) hingegen entkoppelt die Nikotinzufuhr vom Suchtverhalten.

Die Pflaster liegen in verschiedenen Dosisstärken vor. Mit dem stärksten Pflaster beginnt die Behandlung. Dann wird die Dosis nach einem vorgegebenen Zeitintervall schrittweise durch Übergang auf das nächst schwächere Pflaster reduziert. Bei Symptomen der Überdosierung wie Übelkeit, vermehrter Speichelfluss, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen und Schwindel sowie Blutdruckabfall, Atemschwierigkeiten und Kreislaufkollaps muss der Betroffene umgehend einen Arzt konsultieren.

Dosierungen, die zur Therapie von Erwachsenen konzipiert sind, können bei Kleinkindern schwere Vergiftungserscheinungen mit einem möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf hervorrufen. Besondere Vorsicht ist daher bei der Aufbewahrung beziehungsweise Entsorgung der Pflaster geboten.

Bupropion und Vareniclin

Einen anderen Ansatz verfolgt das verschreibungspflichtige Nikotinentwöhnungsmittel Bupropion (Zyban®), das seit Anfang April in Deutschland unter einem anderen Namen zusätzlich auch als Antidepressivum zugelassen ist. Bupropion hemmt die Wiederaufnahme der Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin im synaptischen Spalt der Nervenzelle. Dadurch hält der Arzneistoff den Neurotransmitter-Umsatz auf einer Konzentration, die dem Niveau während einer Nikotininhalation gleicht.

Bupropion bindet nicht an Nikotinrezeptoren, sondern lässt als Noradrenalin-Dopamin-Wiederaufnahmehemmer diese Botenstoffe im synaptischen Spalt anfluten, imitiert so die stimulierende Folgewirkung von Nikotin und mildert Entzugserscheinungen. Im sogenannten »Belohungszentrum« des Gehirns drosseln die erhöhten Dopaminspiegel das Verlangen nach dem gewohnten »Genussmittel«.

Eine Entwöhnungstherapie mit Bupropion dauert normalerweise sieben bis neun Wochen. Die Initialdosis beträgt für die ersten sechs Tage einmal 150 mg; ab dem siebten Tag wird auf zweimal 150 mg pro Tag erhöht, wobei ein Mindestabstand von 8 Stunden zwischen zwei Dosierungen eingehalten werden soll. Obwohl die Nikotinabhängigkeit seit 1999 als eigenständige Krankheit anerkannt ist, übernehmen die Krankenkassen nicht die Kosten der Behandlung. Die Tagestherapie-Kosten entsprechen in etwa dem Preis einer Schachtel Zigaretten.

Nicht für alle geeignet

In klinischen Studien erzielte Bupropion eine doppelt so hohe Erfolgsrate wie die Nikotinersatztherapie. Zentralnervöse Reaktionen wie Schlafstörungen, Schwindel, Zittern und Angstzustände verringerten jedoch die Compliance. In Abhängigkeit von der Dosis erhöht Bupropion das Risiko für Krampfanfälle. Menschen, bei denen die Krampfschwelle herabgesetzt ist, sollten Bupropion mit Vorsicht anwenden. Dazu zählen Patienten mit Diabetes mellitus sowie alle, die Antipsychotika, Antimalariamittel, Tramadol, Theophyllin, systemische Steroide, Chinolone und sedierende Antihistaminika, Stimulantien oder Appetitzügler einnehmen.

Außerdem sollte bei gleichzeitiger Gabe gegebenenfalls die Dosis von Antidepressiva wie Imipramin oder SSRIs, Antipsychotika wie Risperidon, Betablocker wie Metoprolol oder Antiarrhytmika wie Propafenon reduziert werden, da die Metabolisierung über das selbe Enzymsystem erfolgt. Kontraindiziert ist die gleichzeitige Einnahme von Monoaminoxidasehemmern.

Dritte Therapieoption

Seit dem 1. März ergänzt Vareniclin (Champix®) das pharmakologische Arsenal zur Raucherentwöhnung um eine dritte therapeutische Option. Wie Bupropion hat die angesehene Cochrane Collaboration als internationales Netzwerk von Ärzten und Wissenschaftlern auch diese Neueinführung positiv beurteilt. Während Bupropion die Chance auf eine Abstinenz verdoppelt, soll Vareniclin diese verdreifachen. In den Zulassungsstudien waren 23 Prozent der mit Vareniclin behandelten Raucher 40 Wochen nach Ende der Behandlung immer noch abstinent, bei Placebo waren es 9 Prozent.

Vareniclin ist ein partieller Nikotinrezeptor-Agonist, ruft also durch Bindung am Rezeptor die gleichen Wirkungen wie Nikotin hervor. Gleichzeitig verhindert Vareniclin die Bindung von Nikotin am Rezeptor, weshalb bei einem Rückfall die befriedigende Wirkung der ersten Zigarette entfällt. Last but not least mindert auch Vareniclin die typischen Entzugserscheinungen. Der neue Arzneistoff ist in Form weißer 0,5-mg- und hellblauer 1-mg-Tabletten erhältlich, die unzerkaut mit Wasser eingenommen werden sollen. Zu Beginn der Behandlung nimmt der Patient drei Tage lang täglich eine 0,5-mg-Tablette; es folgen vier weitere Tage, an denen er zweimal täglich eine 0,5-mg-Tablette schluckt. Bis zum Ende der Behandlung (12 Wochen) nimmt er zweimal täglich eine 1-mg-Tablette. Für den Behandlungsbeginn ist eine Spezialpackung mit den jeweiligen Mengen beider Tablettenstärken im Handel.

In einer großen Vergleichsstudie waren nach zwölfwöchiger Therapie 44 Prozent der Raucher in der Vareniclin-Gruppe im Vergleich zu 30 Prozent in der Bupropion-Gruppe abstinent. Als häufigste Nebenwirkungen traten Übelkeit, Kopfschmerzen und Schlafprobleme auf.

Die Krankenkassen übernehmen auch hier die Kosten der Behandlung nicht, da sie das verschreibungspflichtige Champix® zu den Lifestyle-Medikamenten zählen. Die zwölfwöchige Therapie ist genauso teuer wie der ebenfalls zwölfwöchige Konsum einer Schachtel Zigaretten pro Tag.

»Erst der Wille, dann die Pille«. Wie Fachleute betonen, kann »man alles lernen, auch das Nichtrauchen«. Aufhören lohne sich immer, da sich der Körper stets erholt. Nach einem Jahr Nichtrauchen sei das Risiko für Erkrankungen der Herzkranzgefäße wie Herzinfarkt und Angina pectoris nur noch halb so groß wie während des aktiven Rauchens. Nach fünf Jahren habe sich auch das Risiko für Lungen-, Mundhöhlen-, Luftröhren- und Speiseröhrenkrebs halbiert. Nach zehn Jahren sei das Lungenkrebsrisiko kaum noch höher als bei Menschen, die nie geraucht haben, so die Erkenntnisse der Wissenschaftler.

Mehrere Strategien

Zum Erfolg jedweder Nikotinentwöhnung tragen verschiedene Faktoren bei. Eine entscheidende Rolle spiele die Lektüre von Raucherentwöhnungsliteratur sowie die Teilnahme an Raucherentwöhnungsprogrammen beziehungsweise der Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen. Außerdem sollten »Ex-Raucher« sich regelmäßig bewegen, vollwertig ernähren und eine Entspannungsmethode lernen wie Yoga oder Autogenes Training. Begleitende verhaltenstherapeutische Maßnahmen, Stressmanagement und die Schulung der Achtsamkeit tragen ebenfalls zum Erfolg bei. Wer sich seine wahren Beweg- und Hintergründe für das Rauchen deutlich macht, ist eher fähig, sich aus der Abhängigkeit der falschen Freunde »Marlboro & Co.« zu befreien.

Rauchstopp beeinflusst bestehende Arzneitherapien

Wer das Rauchen aufgibt, dessen Stoffwechsel muss sich zunächst an den Nikotinentzug gewöhnen. Das kann zum Beispiel bei insulinpflichtigen Diabetikern die Insulinwirkung verstärken. In solchen Fällen wird der Arzt möglicherweise die Insulindosis verringern. Auch kann es zur Erhöhung der Wirkung von Arzneistoffen wie Theophyllin, Clozapin, Ropinirol, Imipramin, Olanzapin, Clomipramin, Fluvoxamin, Prazosin und Propranolol kommen, deren Dosis möglicherweise vermindert werden muss. Das Gegenteil trifft auf Isoprenalin und Salbutamol zu, hier kann eine Dosiserhöhung notwendig werden. 

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