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Was ich noch erzählen wollte ...

Dufte Nasen

25.04.2007  21:35 Uhr

Was ich noch erzählen wollte ...

Dufte Nasen

von Annette Behr, Berlin

Viele Menschen sind mit der Form ihrer Nase unzufrieden. Sie sei zu klein, zu groß, zu gebogen, zu dick, beklagen sich etliche. Daher setzt so mancher für eine »schönere« Nase sogar seine Gesundheit aufs Spiel, wenn er sich vom Chirurgen operieren lässt. Kaum Beachtung finden die grandiosen Fähigkeiten des Riechorgans: Die Nase warnt den Menschen vor zahlreichen Gefahren wie verdorbenem Essen und erschnüffelt sicher den Partner fürs Leben.

Mitten im Gesicht fällt die Nase dem Betrachter sofort ins Auge. Nicht immer entspricht sie den gängigen Idealmaßen und steht daher permanent im Fokus der kosmetischen Chirurgie. Zinken, Rüssel, Balkon, Höckernase, Adlernase und Riechkolben sind bekannte Bezeichnungen für als unschön empfundene Riechexemplare. Das Schönheitsideal für Frauen ist die leichte Stupsnase. Das kleine, schmale, ein wenig nach oben gerichtete Stupsnäschen ziert viele amerikanische Filmschauspielerinnen – und Michael Jackson. Ansonsten ist jeder Mann stolz auf die größere, klassisch-markante Variante.

In Deutschland ist derzeit die »Mang-Nase« das meist gefragte Modell. Der prominente Schönheitschirurg Professor Werner Mang fertigt für rund 10000 Euro sozusagen den Rolls Royce unter den genormten Schönheitsnasen. Momentan tüftelt Mang an einem noch kleineren, niedlicheren Näschen mit asiatischer Nuance. Hoffentlich bleibt da überhaupt noch etwas übrig zum Anschauen und vor allem zum Riechen.

Mit Hammer und Meißel gehen Chirurgen zu Werk. Nicht immer führt der Eingriff zum ersehnten Ergebnis. Im Gegenteil, unter großem Leidensdruck stehen Betroffene nach verpfuschten Rhinoplastiken. Schiefe Nasenscheidewände, ständig angeschwollene Schleimhäute beeinträchtigen nicht nur das Geruchsempfinden, sondern auch das ansonsten selbstverständliche Atmen durch die Nase. Nach Krankheiten oder Unfällen ist die Korrektur der Nase selbstverständlich notwendig. Wer sich jedoch für ein »Barbienäschen« aus Eitelkeit aufschneiden lässt, geht meiner Meinung nach leichtfertig mit seiner Gesundheit um. Und es ist doch eine Horrorvorstellung, wenn alle Frauen die gleichen Nasen hätten; für den Betrachter schrecklich langweilig.

Jeder weiß, dass sich Geruch und Geschmack gegenseitig beeinflussen. Stark erkälteten Menschen schmeckt plötzlich nichts mehr richtig gut, weil sie das Essen nicht riechen können. Optisch verborgen beherbergt die Nase im Inneren komplizierte Strukturen zur Riechwahrnehmung. Der Geruchssinn ist hochkomplex. Zwei sensorische Systeme, das sogenannte olfaktorische und das nasaltrigeminale, sind an der Wahrnehmung von Düften beteiligt. Aus einem unermäßlichen Wirrwarr an Gerüchen ist die Nase in der Lage circa 10000 verschiedene Düfte zu unterscheiden. Eine anspruchsvolle Aufgabe. Denn Gerüche sind Gemische aus tausenden von Molekülen. Der Duft einer Rose setzt sich beispielsweise aus 500 Einzelstoffen zusammen.

Geniales Wunderwerk

Die Wahrnehmung erfolgt im Naseninneren über die Riechschleimhaut mit den Riechzellen. Jeder Mensch besitzt drei Millionen Riechsinneszellen. Jede einzelne ist auf einen spezifischen Duft spezialisiert. Auf den Riechzellen sitzen die Rezeptoren für die Duftstoffmoleküle. Bei Kaffeeduft werden gleichzeitig fünfzehn verschiedene Sorten an Riechzellen aktiviert. Die Nase leitet ihre Impulse als einziges Sinnesorgan ohne Beteiligung anderer Nervenzellen direkt ins Gehirn. Der Duftstoff löst mittels Wasser einen elektrischen Impuls aus, der ins Gehirn weitergeleitet wird.

Zur spezifischen Erkennung von Pheromonen, den Sexualbotenstoffen, besitzen Tiere das VON – das Vomeronasalorgan. Auch der Mensch hat dieses noch unerforschte Jacobson-Organ, das nach seinem Entdecker benannt wurde. Es ist ungefähr einen Zentimeter lang, streichholzdick und sitzt in der Nasenschleimhaut. So sollen beispielsweise Säuglinge mit Hilfe des Jacobson-Organs die Mutterbrust finden. Auch an der Partnerwahl ist es wohl beteiligt.

Was riecht denn da?

»Ein wilder Kerl stinkt nicht! Er riecht, er duftet …«, tönt es aus dem CD-Player meiner Tochter. Die Passage aus der Jugendkultfilm- und Hörspielreihe »Die wilden Kerle 4« handelt vom Waschdefizit, einem Phänomen, das gehäuft bei pubertierenden Teenagern auftritt. Scheinbar ist bei den Heranwachsenden in dieser Zeit die Geruchswahrnehmung stark beeinträchtigt. Einige waschen sich erst, wenn sie penetrant auf ihr »Müffeln« hingewiesen werden. Sobald jedoch das Interesse am anderen Geschlecht erwacht ist, schlägt das Verhalten plötzlich ins Gegenteil um. Stundenlanges Duschen, Baden, Haare waschen und Einparfümieren strapaziert dann die Haushaltskassen, Nerven und Nasen der Erziehungsberechtigten. Denn ein Odeurgemisch aus Duschgel, Shampoo, Haargel, Lotion und Parfüm legt sich über die gesamte Wohnung. »Zu viel des Guten«, protestieren dann meist die anderen Familienmitglieder, denn alle Produkte sind unterschiedlich parfümiert.

Wer seinen Eigengeruch durch ein künstliches Duftchaos überdeckt, kann vom potentiellen Partner nicht mehr erschnüffelt werden. Daher genügt ein Hauch von Parfüm, der sich wohlriechend mit dem spezifischen Eigengeruch der Haut verbindet. Der Geruch eines jeden Menschen ist einmalig, ebenso wie sein Fingerabdruck. Jemanden gut riechen zu können, bedeutet, ihn zu mögen.

Vor einigen Jahren »dufteten« Frauen gehäuft nach der Kreation eines französischen Modehauses. »Poison« war ein Verkaufsschlager. Ich habe es gehasst. Überall verschlug mir dieser schwere, alles überlagernde Duft die Luft zum Atmen. Leider konnte meine sensible Nase nicht »wegriechen«. An warmen Tagen wurde mir in der vollbesetzten U-Bahn fast übel. In der Schwangerschaft reagieren viele Frauen besonders empfindlich auf Gerüche. Das war auch meine schlimmste Zeit. Sogar entfernter Zigaretten- oder Essensgeruch erzeugte damals Brechreiz. Eine äußerst unangenehme Situation und vielleicht etwas übertrieben, aber die Duftwahrnehmung wird stark vom Hormonstatus beeinflusst. Ein hoher Östrogenspiegel erhöht beispielsweise die Geruchssensibilität. An den fruchtbaren Tagen erschnüffeln Frauen angeblich instinktiv den »besten« Vater für ihren Nachwuchs.

Sicher hat jeder hat schon einmal erlebt, wie stark Emotionen das individuelle Riechempfinden beeinflussen. Riechstoffe zu bewerten, lernt der Mensch in den ersten fünf bis zehn Lebensjahren. Düfte  sind an viele positive oder negative Erlebnisse gekoppelt.

Gerüche vermitteln Bilder, Botschaften und Nachrichten. »Wenn ich Braten rieche, denke ich immer an meine liebe Oma«, sagt mein Mann. Der Geruch von Gebratenem lag in seiner Kindheit besonders an Weihnachten tagelang im Haus.

Die Supernasen

Während in früheren Zeiten Düfte als etwas besonders Wertvolles galten, weil sie so aufwändig aus zum Teil exotischen Pflanzen gewonnen werden mussten, duftet heute fast alles und jedes. Der moderne Parfümeur schafft mittels einer computergesteuerten Mischanlage aus 2000 natürlichen und synthetischen Stoffen eine neue Kreation. Ein erlesener Kreis von weltweit 600 Parfümeuren tüftelt sowohl an den typischen Noten für Hygiene und Sauberkeit, als auch an den Düften, die für Erotik und Sinnlichkeit stehen.

Werbestrategen verbinden die neue Komposition mit den Namen von teuren Modedesignern, schönen Pop- und erfolgreichen Sport-Ikonen. Durch auffällige Plakat- und Videoinstallationen prägt sich die Werbebotschaft beim Konsumenten ein. Die Verwendung eines einzigen Dufts verspricht ihm Schönheit, Erfolg und Macht, ein gigantisch erfolgreiches Geschäft. Dabei ist jedes Parfüm eine bewusste Manipulation.

Bei manchen Düften frage ich mich allerdings, ob der zuständige Parfümeur unter Geruchsblindheit (Anosomie) leidet. So entsetzlich penetrant und künstlich riechen manche Waschmittel oder Weichspüler. Mit blumigen Namen wie Frühlingserwachen, Rosenblüte oder Sonnenmelone soll der Verbraucher nun auch noch seine häuslichen Räumlichkeiten und Textilien mit sogenannten Raumerfrischern »beduften«. Möbel werden mit Geruchsabsorbern besprüht und im Auto soll das Duftbäumchen Zigarettengestank übertünchen.

In Kinos, Kaufhäusern und Büroräumen benebeln uns unbewusst die Duftsubstanzen aus den »Luftverbesserern«. Dagegen kann man sich kaum wehren. Für sensible Menschen werden diese Düfte zum Problem, denn die enthaltenen Bestandteile können Allergien und Asthma auslösen. Zusätzlich sind einige Duftstoffe, beispielsweise Moschusverbindungen, schwer abbaubar und reichern sich über die Zeit in Mensch, Tier und Umwelt an.

Das Bundesumweltamt warnt daher eindringlich vor der Beduftung öffentlicher und privater Räume. Dabei ist es so einfach: Gute Belüftung und regelmäßiges Putzen mit duftstofffreien Mitteln sorgen für bessere Luft und angenehm natürliche Frische.

Zu meinen Lieblingsdüften gehört seit meiner Kindheit der wunderbare Geruch von im Wind getrockneter Wäsche. Daher hänge ich grundsätzlich alle Textilien zum Lüften und Trocknen nach draußen auf den Balkon. Dieser so erzeugte kühle Frischer-Wind-Wohlgeruch ist unvergleichlich und nicht zu kopieren. Keine der Supernasen der Waschmittelhersteller hat es bisher geschafft, mich diesbezüglich an der Nase herumzuführen.

 

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