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Testosteron-Pflaster für Frauen

Gegen den Frust mit der Lust

25.04.2007  20:43 Uhr

Testosteron-Pflaster für Frauen

Gegen den Frust mit der Lust

von Christiane Berg, Hamburg

Seit Kurzem ist das erste Testosteron-Pflaster für Frauen auch in Deutschland unter dem Handelsnamen Intrinsa® auf dem Markt. Das Pflaster ist zugelassen für Patientinnen, die nach der Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken unter sexueller Lustlosigkeit leiden und eine begleitende Östrogentherapie erhalten.

Bei Frauen vor der Menopause bilden die Eierstöcke und die Nebennieren etwa je zur Hälfte circa 100 bis 400 Mikrogramm Testosteron pro Tag. Das transdermale Testosteronpflaster enthält 8,4 mg Testosteron und setzt über die Haut im Verlauf von 24 Stunden 300 Mikrogramm des Hormons in die Blutbahn frei. So ließen sich normale physiologische Testosteron-Spiegel erreichen, sagte Dr. Sonja Schmitt, Weiterstadt, auf einer Pressekonferenz von Procter & Gamble in Hamburg. Die Wirkung setze etwa einen Monat nach Therapiebeginn ein. Maximale Effekte spürten die Frauen nach drei Monaten. Das Pflaster wird auf den Unterbauch geklebt und zweimal pro Woche gewechselt.

Die Wirkung und Verträglichkeit des Pflasters ist im Vergleich zu Placebo jeweils sechs Monate lang in zwei randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Zulassungsstudien an über 1000 Frauen geprüft worden. Alle Studienteilnehmerinnen litten nach einer Totaloperation unter einem verminderten sexuellen Verlangen und erhielten eine begleitende Östrogentherapie. An der ersten Studie (Intimate SM 1) nahmen 562, an der zweiten (Intimate SM 2) 533 Frauen teil. Die Abkürzung Intimate steht für »Investigation of Natural Testosterone In Menopausal Women Also Taken Estrogen«.

Schon die Thematisierung der sexuellen Problematik bei Aufnahme in die Studien habe das sexuelle Erleben der Frauen verbessert. Aufgrund dieser Tatsache wären die Placeboeffekte besonders ausgeprägt, berichtete Schmitt. Dennoch habe das Testosteronpflaster das sexuelle Verlangen und damit das Sexualleben der Studienteilnehmerinnen im Vergleich zu Placebo signifikant verbessert und so deren seelische Belastung gesenkt. So erhöhte sich bei den Frauen der Verum-Gruppe die Zahl der befriedigenden sexuellen Aktivitäten in der SM1-Studie um 74 und in der SM2-Studie um 51 Prozent (Placebo: 23 und 33 Prozent). 

Nur in Ausnahmefällen habe das Hormonpflaster androgene Nebenwirkungen wie Akne, Alopezie oder Gesichtsbehaarung beziehungsweise Hautreaktionen verursacht, die nur sehr selten zum Studienabbruch geführt hätten. Erweiterungsstudien bis zu einer Dauer von drei Jahren hätten keine klinisch relevante Zunahme unerwünschter Ereignisse und Effekte auf Gewicht, Blutdruck, Leber- und Nierenfunktion, Blutfette, Kohlenhydratstoffwechsel beziehungsweise Östrogenwerte ergeben. In Langzeitstudien über fünf bis sieben Jahre an 10 000 Frauen solle nunmehr geprüft werden, ob das Testosteronpflaster das Risiko für Mammakarzinome oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.

Oftmals großer Leidensdruck

Nach der Entfernung beider Eierstöcke sinkt der Testosteronspiegel innerhalb weniger Tage um circa 50 Prozent. Anders als in der natürlichen Menopause vermindere der plötzliche Abfall des Testosteronspiegels nach beidseitiger Ovarektomie oftmals »im Zeitraffer« abrupt die sexuelle Motivation, sagte Frauenärztin Dr. Anneliese Schwenkhagen, Hamburg.

In Deutschland entfernen Chirurgen pro Jahr bei circa 20 000 Patientinnen Gebärmutter und Eierstöcke, zum Beispiel aufgrund einer Zyste oder eines Tumors. Die Gynäkologin kritisierte, dass ihre Kollegen bislang die Auswirkungen der chirurgisch bedingten Menopause auf die Sexualität viel zu wenig berücksichtigt hätten. Nur 10 Prozent der Patientinnen wagen es von sich aus, ihren Frust mit der Lust nach einer Totaloperation beim Arzt anzusprechen. Nach Schätzungen sind in der Bundesrepublik, Italien, Spanien und Großbritannien insgesamt mehr als sechs Millionen Frauen davon betroffen, etwa jede dritte Patientin leidet unter sexueller Lustlosigkeit.

Besonders jüngere Frauen, so Schwenkhagen, sorgten sich um ihre Partnerschaft. Wenn sich der Libidoverlust unter Östrogentherapie nach drei Monaten nicht bessert, solle der Gynäkologe über einen Therapieversuch mit Testosteron nachdenken. Für seine Entscheidung sei der Leidensdruck der Frau entscheidend, denn der variiere stark. So habe die sogenannte Wishes-Studie, eine Befragung von 2500 französischen, deutschen, italienischen und englischen Frauen, unter anderem gezeigt, dass Französinnen stärker unter einer verringerten Libido leiden als deutsche Frauen.

Zur Diagnose »Verminderte Lust gekoppelt mit seelischer Belastung«, international »Hypoactive Sexual Desire Disorder« oder HSDD genannt, erstellt der Arzt zunächst ein vollständiges Blutbild einschließlich der Bestimmung des Testosteronspiegels. Zum Ausschluss von Grunderkrankungen kann er neben der gründlichen Untersuchung der Patientin verschiedene Fragebögen einsetzen. Schließlich könnten chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Rheuma, Schilddrüsen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu HSDD führen. Nicht zu vergessen: Auch Medikamente, beispielsweise Antihypertonika, Antiallergika oder Antidepressiva wie Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), kommen als Auslöser in Frage.

Bei der Therapie der HSDD, so Schwenkhagen, hätten Ärzte in der Vergangenheit nur auf die für Männer entwickelten und somit zu hoch dosierten Testosteron-Präparate zurückgreifen können. So sei zum Beispiel der bislang praktizierte »Off-Label«-Einsatz von Testosteron-Gel mit großen Schwierigkeiten hinsichtlich der Dosierung und der Nebenwirkungen behaftet gewesen. Unter anderem hätte das Gel zu Akne, Haarausfall oder Gesichtsbehaarung geführt.

Kein Lifestyle-Medikament

Schwenkhagen begrüßte die Tatsache, dass durch die Einführung des Testosteronpflasters das »Herumdoktern« für Frauen nunmehr ein Ende hat. Die Gynäkologin ist davon überzeugt, dass Intrinsa® nicht zum »Lifestyle-Medikament« mutieren werde. Das Testosteronpflaster eigne sich nicht als »Viagra für Frauen«, da es nicht gegen Beziehungskonflikte oder »Lustkiller« wie Stress und Depressionen als häufige Ursachen sexueller Lustlosigkeit wirke.

Das sexuelle Erleben von Frauen ist vielschichtig und nicht nur von den Sexualhormonen bestimmt, sondern auch von weiteren körperlichen sowie emotionalem, psychischen und sozio-kulturellen Faktoren. »Funkstille« im Bett sei oftmals auf Missverständnisse, Hemmungen, Aggressionen, Kränkungen, Traumen wie sexueller Missbrauch oder fehlende Kommunikation zwischen den Partnern zurückzuführen, erläuterte Professor Dr. Johannes Bitzer, Basel. Oftmals störten auch Erektile Dysfunktion, vorzeitiger Samenerguss oder fehlende Libido des Partners die Lust der Frauen. Unterschätzt werde außerdem die Rolle gesellschaftlicher Normen, Ideale und Mythen sowie verinnerlichter Gebote, zum Beispiel durch eine strenge Erziehung.

Nur zu häufig beeinflussten Versagens- und Erwartungsängste sowie Zweifel an der eigenen Attraktivität das intime Wechselspiel zweier Körper und Seelen. Daher sei Einzel- oder Paartherapie in vielen Fällen unumgänglich.

 

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