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Interaktionen

Schmerz- und Bluthochdruckmittel

Die häufigste Interaktion in der Apotheke betrifft die Wechselwirkung zwischen verschiedenen Antihypertensiva und Analgetika wie Ibuprofen oder Diclofenac. Eine Interaktionsmeldung am PC kann sowohl bei verordneten als auch bei Präparaten der Selbstmedikation auftreten. Welche Fragen müssen PTA oder Apotheker bei einer solchen Meldung klären, um deren Relevanz für den individuellen Patienten richtig beurteilen zu können?
Andrea Gerdemann
Nina Griese
25.04.2007  11:50 Uhr

Schmerzmittel und blutdrucksenkende Arzneistoffe gehören zu den am häufigsten verordneten Medikamenten. Auch in der Selbstmedikation stehen Analgetika bei den Präparatewünschen der Patienten an oberster Stelle. Eine Untersuchung in Brandenburg ergab, dass 44,1 Prozent der Bluthochdruckpatienten über einen Zeitraum von sechs Monaten gleichzeitig Schmerzmittel einnahmen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Wechselwirkung zwischen einem Bluthochdruck- und einem Schmerzmittel etwa ein Drittel aller Interaktionsfälle in der Apotheke ausmacht.

Antihypertensiva, die mit Analgetika interagieren, enthält die Tabelle. Die Medikamente aus der Wirkstoffklasse der Calciumanatgonisten wie Verapamil oder Nifedipin sind dagegen von dieser Interaktion kaum betroffen. Bei den Schmerzmitteln müssen PTA und Apotheker zwischen opioiden und nicht opioiden Analgetika unterscheiden. Opioide, zum Beispiel Tramadol (wie Tramal®), haben keinen Effekt auf den Blutdruck und interagieren deshalb nicht mit Antihypertensiva. Die nichtopioiden Analgetika werden in zwei weitere Gruppen unterteilt: zum einen in die nicht steroidalen Antiphlogistika (NSAID), zum Beispiel Diclofenac, und in die nicht sauren Analgetika, zum Beispiel Paracetamol und Phenazon. Nicht saure Analgetika beeinflussen den Blutdruck nicht, so dass keine Interaktion mit Antihypertensiva zu befürchten ist. 

Antihypertensiva, die mit NSAID interagieren

Wirkstoffklasse Beispiel
ACE-Hemmer Enalapril (wie Corvo®)
Beta-Rezeptorenblocker Atenolol (wie Tenormin®)
Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten Irbesartan (wie Aprovel®)
Diuretika, kaliumretinierend Spironolacton (wie Aldactone®)
Diuretika, kaliuretisch Furosemid (wie Lasix®)

Orale Gabe entscheidend

In der Selbstmedikation spielt die Gruppe der NSAID eine große Rolle, denn viele Patienten fragen nach Präparaten mit Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen (wie Aleve®). Alle NSAID, also auch die Coxibe wie Etoricoxib (wie Arcoxia®), interagieren mit den in der Tabelle genannten Antihypertensiva. Niedrig dosierte Acetylsalicylsäure (100 mg pro Tag), wie sie zur Thrombozytenaggregationshemmung eingesetzt wird, beeinflusst dagegen den Blutdruck kaum. Auch bei topischen Darreichungsformen von NSAID (zum Beispiel Diclo Puren® Gel) ist keine Wechselwirkung mit Antihypertensiva zu erwarten.

Der Mechanismus dieser Interaktion ist nicht vollständig geklärt. Wissenschaftler vermuten, dass nicht steroidale Antiphlogistika den Widerstand der Gefäße erhöhen, indem sie die Synthese von vasodilatatorischen Prostaglandinen hemmen. Dadurch können sie den blutdrucksenkenden Effekt einiger Antihypertensiva abschwächen.

Blutdruckanstieg gefährlich

Der mittlere arterielle Blutdruck kann durchschnittlich um 5 bis 10 mmHg steigen. Dies erhöht dann das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, wenn der Patient das Schmerz- und das Blutdruckmittel über einen längeren Zeitraum gemeinsam einnimmt. Studien ergaben schon bei einem leichten Blutdruckunterschied von 3 mmHg ein erhöhtes Risiko für diese Ereignisse. Außerdem ist bekannt, dass der Effekt auf den Blutdruck bei älteren Patienten stärker ausgeprägt ist. Die gleichzeitige Einnahme von NSAID mit Diuretika und ACE-Hemmern erhöht zudem das Risiko für Nierenfunktionsstörungen.

Die folgenden Fallbeispiele haben Apotheken dem ZAPP (Zentrum für Arzneimittelinformation und Pharmazeutische Praxis) der ABDA während der Aktionswoche »arzneimittelbezogene Probleme« gemeldet. Die Beispiele zeigen die unterschiedliche Relevanz der Interaktionsmeldung bei der Selbstmedikation mit Schmerzmitteln im Vergleich zur Dauerverordnung von NSAID. In den Fallbeispielen wird nur auf die Interaktionsberatung und nicht auf die generelle Beratung bei der Arzneimittelabgabe eingegangen.

Analgetika in der Selbstmedikation

Frau Müller, eine 60 Jahre alte Frau, möchte gegen ihre Kopfschmerzen eine Packung mit 20 Aspirin® Tabletten kaufen. Beim Einscannen des Präparats zeigt die Software eine mittelschwere Interaktion. Frau Müller hat vor zwei Wochen in der Apotheke ein Rezept mit 100 Tabletten Enalapril 20 mg eingelöst. Da sie eine Hausapothekenkundin ist, zeigt die Software die Wechselwirkung zwischen Enalapril und Acetylsalicylsäure an. Die Interaktionsmonographie der ABDA-Datenbank liefert neben dem Mechanismus der Interaktion und ihren Folgen noch weitere Informationen zum Interaktionstyp, Risikofaktoren/-patienten und Maßnahmen. Beim Interaktionstyp findet die PTA die Angabe »wahrscheinlich pharmakodynamisch« und bei den Risikofaktoren/-patienten steht »höheres Lebensalter, Verminderte Nierendurchblutung (zum Beispiel bei renovaskulärem Hochdruck, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose) sowie erhöhte Kochsalzempfindlichkeit«.

Unter Maßnahmen findet die PTA Informationen, wie sie die Interaktion handhaben kann. Die möglichen Maßnahmen sollte jeder als erstes durchlesen. Aus dem Text der ABDA-Datenbank wird deutlich, dass bei einer kurzfristigen Einnahme von Acetylsalicylsäure über 1 bis 2 Wochen oder auch bei einer gelegentlichen Einnahme die Interaktion nicht klinisch relevant ist. Denn nur bei einem über längere Zeit währenden Blutdruckanstieg ist das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko erhöht. Daher fragt die PTA die Kundin: »Wie oft nehmen Sie eine Aspirintablette ein und in welcher Dosierung?« Frau Müller antwortet: »Ich nehme im Monat vielleicht eine bis zwei Tabletten.«

Da ASS im Rahmen der Selbstmedikation immer nur kurzfristig, das heißt höchstens drei Tage lang, in vorgeschriebener Dosierung und nicht häufiger als an zehn Tagen pro Monat eingenommen werden sollte, kann die PTA die Interaktion zwischen NSAID und Antihypertonika in den meisten Fällen als nicht klinisch relevant einstufen. Da Frau Müller angibt, nur ein bis zwei Tabletten im Monat einzunehmen, ist in diesem Fall kein Hinweis notwendig.

Verordnetes Schmerzmittel

Herr Schulz, ein 55-jähriger Patient, kommt mit einem Rezept über 100 Tabletten Diclofenac AL® 50 und 100 Retardtabletten Metoprolol ratiopharm NK 100 mg in die Apotheke. Beim Einscannen der Präparate zeigt die Software eine mittelschwere Interaktion.

Herr Schulz besitzt eine Kundenkarte der Apotheke. Der Blick in die Medikationshistorie zeigt der PTA, dass er bisher in dieser Apotheke kein Diclofenac bekommen hat. Metoprolol verordnet der Arzt ihm dagegen schon seit mehreren Jahren. Um die Relevanz der Interaktionsmeldung einschätzen zu können, stellt die PTA dem Kunden folgende Frage: »Nehmen Sie die Diclofenac-Tabletten zum ersten Mal ein?«

Er berichtet, dass sein Arzt ihm diese Tabletten schon vor etwa acht Wochen wegen seines Rheumas verordnet hat. Sein Sohn habe das Rezept in einer anderen Apotheke eingelöst, weil er damals selbst kaum gehen konnte. Er nimmt morgens und abends jeweils eine Tablette. Die Schmerzen sind viel besser geworden, aber er soll diese Packung noch bis zum Ende einnehmen. Herr Schulz nimmt Diclofenac somit seit zwei Monaten und soll noch mindestens weitere eineinhalb Monate die Therapie fortsetzen.

Die Interaktionsmonographie der ABDA-Software empfiehlt unter Maßnahmen, bei längerer gemeinsamer Einnahme von Diclofenac und Metoprolol (Beta-Blocker) den Blutdruck sorgfältig zu überwachen. Sollte der Blutdruck ansteigen, kann der behandelnde Arzt das Metoprolol nach Bedarf höher dosieren. Alternativ zu dieser Lösung könnte er das Antiphlogistikum wechseln, beispielsweise Paracetamol verordnen. Ob eine Alternative möglich ist, hängt allerdings von der Art der Erkrankung ab und kann nur vom Arzt entschieden werden.

Nach diesen Informationen beurteilt die PTA die Interaktion bei diesem Kunden als potenziell relevant. Um zu entscheiden, ob sie intervenieren muss, stellt sie ihm weitere Fragen: »Wann wurde Ihr Blutdruck das letzte Mal gemessen oder messen Sie Ihren Blutdruck selbst? Erinnern Sie sich noch an die Messwerte?«

Herr Schulz berichtet daraufhin, dass seine Werte beim letzten Mal vor etwa einem Monat in der Arztpraxis etwas erhöht gewesen wären. Er erzählt weiter, er ginge zum Messen immer in die Arztpraxis. Daraufhin beschreibt die PTA ihm die Vorteile der Blutdruckselbstmessung und kann Herrn Schulz überzeugen. Nach einer Beratung zu dem für ihn passenden Gerät kauft er ein Messgerät, um zu Hause selbst seine Werte regelmäßig kontrollieren zu können.

Die PTA empfiehlt ihm, den Blutdruck morgens und abends zu messen, die Werte in den mitgegebenen Blutdruckpass einzutragen, und bittet ihn, in zwei Wochen mit den notierten Werten wieder in die Apotheke zu kommen.

Die PTA dokumentiert zudem die Interaktion in der Software, damit sie beim nächsten Apothekenbesuch des Kunden nachhaken kann. Dann will sie sich erkundigen, wie er mit dem neuen Blutdruckmessgerät zurechtkommt. Sollte der Blutdruck nach den selbst gemessenen Werten erhöht sein, ist eine Rücksprache mit dem Arzt erforderlich, um ihn über die mögliche Interaktion zu informieren und mögliche Maßnahmen zu besprechen, zum Beispiel das Blutdruckmittel höher zu dosieren oder das Schmerzmittel zu wechseln). 

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