PTA-Forum online
Arzneimittel

Ab August wird gespart

27.04.2010  09:23 Uhr

Arzneimittel

Ab August wird gespart

von Daniel Rücker

Wieder einmal geht es im Gesundheitswesen vor allem um die Kosten. Die Bundesregierung hat ihr Sparpaket mit den Koalitionsfraktionen abgestimmt. Zahlreiche Krankenkassen haben eine neue Rabattrunde gestartet. Die Apotheken haben die Arbeit und werden dennoch von der AOK an den Pranger gestellt.

 

Die Regierung macht Tempo: Mitte März war ein erster Entwurf für ein Arzneimittelsparpaket in verschiedenen Medien lanciert worden, kurz vor Ostern präsentierte das Ministerium dann ein Eckpunktepapier und in der vergangenen Woche stimmten sich die Koalitionsfraktionen darüber ab, wo wie viel Geld gespart wird. Bereits zum 1. August soll ein Teil des Pakets in Kraft treten. 

Im Großen und Ganzen dürfte es bei den bekannten Inhalten bleiben. So soll der Zwangsabschlag, den die Arzneimittelhersteller den Krankenkassen gewähren müssen, für  verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Festbetrag von 6 auf 16 Prozent erhöht werden. Gleichzeitig tritt ein Preismoratorium in Kraft, das allerdings rückwirkend zum 1. August 2009 gilt. So soll verhindert werden, dass die Unternehmen sich die verlorene Marge über Preiserhöhungen zurückholen. 

Ausgenommen von der Rabatterhöhung sind Generika und ausnahmsweise verordnete nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel. Insgesamt will die Bundesregierung mit ihrem Sparpaket in den letzten fünf Monaten dieses Jahres 500 Millionen Euro sparen. Für 2011 bis 2013 sind 1,15 Milliarden Euro Einsparungen eingeplant.

Beim Sparpaket scheint sich die bislang in der Gesundheitspolitik zumeist zerstrittene Bundesregierung weitgehend einig zu sein. Union und FDP wollen gemeinsam dem Einfluss der pharmazeutischen Industrie trotzen. »Wir ziehen das jetzt wie geplant durch«, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn, der Nachrichtenagentur Reuters. »Unsere Klientel sind die Versicherten und niemand sonst.« Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach, äußerte sich ähnlich: »Wir werden uns von den Weltuntergangsszenarien der Industrie nicht irremachen lassen.« 

Neue Rabattverträge

Gespart wird im Gesundheitswesen aber auch mit immer neuen Rabattverträgen. Zum 1. April haben 38 Krankenkassen rund 35 Millionen gesetzlich Krankenversicherte mit neuen Rabattverträgen beglückt. Dabei bauten die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) ihre Marktführerschaft bei den Verträgen weiter aus. Ihr Verhandlungsführer Dr. Christopher Hermann hat mit der Industrie Verträge für weitere 

80 Wirkstoffe ausgehandelt. Damit bekommen die Ortskrankenkassen insgesamt 143 Arzneistoffe günstiger. Im Herbst wird sich diese Zahl dann noch einmal um 13 erhöhen. Zwei von drei verordneten Generika werden damit von Rabattpartnern der Kasse beliefert. 

Doch auch die Technikerkasse hat ihr Rabattsortiment zum 1. April deutlich ausgebaut. Zu diesem Zeitpunkt traten Vereinbarungen für 89 Wirkstoffe in Kraft. Als dritte große Organisation hat die GWQ Service Plus Rabattverträge abgeschlossen. Sie gelten für 44 Wirkstoffe und 4,2 Millionen Versicherte. Die GWQ Service Plus vertritt 17 kleinere Krankenkassen.

Nach bisherigen Erkenntnissen verursachen die neuen Rabattverträge zwar den hinlänglich bekannten, zusätzlichen Beratungsaufwand in den Apotheken. Abgesehen von diesen systembedingten Problemen scheint der Start der Rabattverträge relativ reibungsarm zu sein.

Regresse der AOK

Gar nicht reibungsarm ist dagegen zurzeit das Verhältnis der Apotheker zu manchen AOK-Landesverbänden. Unter anderem in Baden-Württemberg, dem Stammland des obersten Rabattunterhändlers Dr. Christopher Hermann, drohte die AOK den Apothekern flächendeckend mit Regressen, weil sie ihrer Rabattverpflichtung angeblich nicht nachgekommen sein sollten. Strafen bis zu 25 000 Euro oder sogar der Ausschluss von der Versorgung gehörten zu Hermanns Drohkulisse. Betroffen waren nicht nur die wenigen notorischen Rabattverweigerer unter den Apothekern, sondern auch Apotheken mit Rabatterfüllungsquoten jenseits von 75 Prozent. Dabei blieb den Apothekern allerdings vollkommen unklar, wie die AOK die Daten erhoben hat und wie die Fragen zur Austauschbarkeit bezüglich Indikationen und Packungsgröße bewertet wurden. 

Mit seinem Frontalangriff auf die Apotheker rief Hermann den Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, auf den Plan. Becker warf Hermann in einem Beitrag für die »Pharmazeutischen Zeitung« Unlauterkeit vor (Ortskrankenkassen: Lob und Tadel für die Apotheker, PZ 13/2010; externer Link). Die Apotheker setzten die AOK-Rabattverträge gewissenhaft um. Gleichzeitig forderte er eine eindeutige Rechtslage für die Austauschbarkeit. Immerhin bahnt sich eine kleine Verbesserung an. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen Patienten in Zukunft gegen eine Aufzahlung statt des Rabattarzneimittels weiter ihr gewohntes Medikament erhalten können. Eine entsprechende Regelung soll dem Arzneimittelsparpaket angefügt werden.

E-Mail-Adresse des Verfassers:
ruecker(at)govi.de