Immer noch kein Urteil |
25.03.2011 12:49 Uhr |
Von Daniel Rücker / Wie heißt das Gegenteil von Planungssicherheit? Apothekenabschlag! Auch nach der Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin Anfang März wissen die Apotheker immer noch nicht, welchen Rabatt sie den Krankenkassen im Jahr 2009 zu gewähren hatten.
Vor knapp einem Jahr, exakt im Mai 2010, titelte das PTA-Forum »Gericht gibt Apothekern Recht«. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte damals die Umsetzung der Schiedsstellenentscheidung zum Kassenabschlag für 2009 angeordnet. Der Abschlag sinke damit von 2,30 Euro auf 1,75 Euro für jede zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegebene Arzneimittelpackung, hieß es in dem Bericht. Damit sei der Rechtsstreit entschieden. Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) als Prozessgegner des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) habe nur eine sehr kleine Chance, dieses Urteil noch zu kippen.
Ende April könnte ein Richterspruch das zähe Ringen um den Apothekenabschlag endgültig beenden.
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Dem Urteil vorangegangen war die Entscheidung einer paritätisch besetzten Schiedsstelle unter der Leitung von Professor Dr. Rainer Daubenbüchel, die den Kassenabschlag für 2009 eben auf diese 1,75 Euro festgesetzt hatte. Gegen dieses Urteil klagten dann die Krankenkassen vor dem Sozialgericht Berlin. Dieses hob in einem Eilverfahren den Schiedsspruch auf und entschied, dass die Apotheker den Abschlag erst nach einer endgültigen Klärung des Rechtsstreits senken dürften. Dagegen wiederum klagte der DAV vor dem Landessozialgericht (LSG). Das LSG wies daraufhin die Umsetzung des Schiedsspruchs bis zur endgültigen Entscheidung an.
Heute, 11 Monate später, müssen wir zugeben: Wir haben uns bei einer Bewertung selten so heftig geirrt. Das Verfahren um den Großkundenrabatt, den die Apotheker den Krankenkassen nach § 130 Sozialgesetzbuch V gewähren müssen, ist 15 Monate nach dem Ende des Jahres 2009 immer noch nicht beendet.
Neue Argumente
Immerhin scheint jetzt ein Ende – mit aller Vorsicht – in Sicht. Nach der neuen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 9. März 2011 verschoben die Richter zwar die für diesen Tag angesetzte Urteilsverkündung auf Ende April. Immerhin soll dann aber der Richterspruch ohne weitere Verhandlung erfolgen. Ob er allerdings die Entscheidung des Landessozialgerichts aus dem vergangenen Jahr bestätigt, ist nicht mehr so sicher, wie es zuvor schien.
Die Vertreter des GKV-Spitzenverbandes konfrontierten das Gericht mit neuen Schriftsätzen, die erst kurz vor der Verhandlung verschickt worden waren. Darin stellten sie in Frage, ob die für den Apothekenabschlag zuständige Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung Ende 2009 den Abschlag richtig berechnet hat. Nach Ansicht der Kassen hat die Schiedsstelle damals die Mehreinnahmen der Apotheker aus gestiegenen Packungszahlen nicht berücksichtigt, obwohl Richter Rudnik klargestellt hatte, dass die Schiedsstelle bei der Berechnung des Kassenabschlages Umsatzzuwächse berücksichtigen müsse. Diese müssten mit dem gestiegenen Beratungsaufwand, beispielsweise aufgrund der Rabattverträge verrechnet werden.
Der Schiedsstellen-Chef Daubenbüchel hatte anscheinend nicht mit neuen Schriftsätzen gerechnet. Weil er sie erst kurz vor der Verhandlung erhalten hatte, erbat er eine Frist von drei Wochen, damit er sie prüfen und richtig darauf reagieren könne. Das Gericht wird deshalb erst Ende April eine Entscheidung treffen. Dann wird sich klären, ob die Kassen mit ihrer Forderung nach der Aufhebung des Schiedsspruchs Erfolg haben oder sich der DAV (Abweisung der Klage) durchsetzen kann.
Gewinn im Unklaren
Für die Apotheker geht also die Hängepartie um den Kassenabschlag weiter. Besonders ärgerlich ist die neuerliche Verschiebung der Entscheidung, weil für das Jahr 2010 ebenfalls noch kein Ergebnis feststeht. Erneut konnten DAV und GKV keinen Kompromiss aushandeln. In den kommenden Wochen muss deshalb wiederum die Schiedsstelle entscheiden. Die Apotheker erwarten, dass der Abschlag für 2010 weiter sinkt, keinesfalls aber über 1,75 Euro liegen wird. Der Arbeitsaufwand in den Apotheken ist seit 2009 weiter gestiegen, und dies ist ein entscheidendes Kriterium für dessen Berechnung. Die Krankenkassen möchten am liebsten zu den 2,30 Euro Rabatt pro Packung zurückkehren, auch wenn zweifelhaft ist, wie dies ausgerechnet werden soll. Auch für 2010 droht damit ein langwieriges Verfahren. Ob es vor 2012 eine rechtssichere Entscheidung gibt, ist völlig offen.
Wegen der noch nicht abgeschlossenen Verfahren kennen die Apotheker ihren Gewinn für 2009 und 2010 heute immer noch nicht. Für die meisten Apotheken geht es dabei um über 10 000 Euro, für manche geht es sogar um deutlich mehr. Das macht unternehmerische Planungen schwierig. Dass der Abschlag für 2011 und 2012 im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Jahren bereits feststeht, ist nur ein schwacher Trost. Wegen des AMNOG stieg der Rabatt an die Kassen im Jahr 2011 auf 2,05 Euro pro Packung. /