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Inhalativa

Sprühen will gelernt sein

13.02.2017  10:08 Uhr

Von Verena Arzbach / Patienten mit Atemwegs­erkrankungen müssen regelmäßig inhalieren. Die richtige Handhabung und Anwendung der Inhalationsgeräte ist für viele eine Heraus­forderung. Die Beratung von PTA und Apotheker leistet einen wichtigen Beitrag zur Therapie: Das Apothekenteam sollte verschiedene Inhalationssysteme erklären sowie Fehlanwendungen erkennen und vermeiden.

Bei Asthma bronchiale und bei der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD müssen fast alle Wirkstoffe inhaliert werden. Inhalationspräparate haben gegenüber Tabletten und Kapseln einige Vorteile: Ihre Wirkung setzt schnell ein, sie wirken vor allem in der Lunge und haben daher nur relativ wenige Nebenwirkungen. Aber: »Die Geräte sind in hohem Maße erklärungsbedürftig.

Die Bedienungsschritte unterscheiden sich bei den vielen verschiedenen Gerätetypen enorm«, sagte Apotheker Dr. Eric Martin aus Marktheidenfeld im Januar beim Pharmacon in Schladming, Österreich, einem Fortbildungskongress der Bundesapothekerkammer. Dass Patienten die Devices falsch anwenden, ist daher schon fast an der Tagesordnung. Das liege aber nicht daran, dass die Patienten »zu dumm zum Sprühen« sind, sondern daran, dass sie nicht ausreichend geschult und informiert wurden, betonte Martin.

Ein Präparatewechsel, zum Beispiel wegen eines Rabattvertrages, sei bei diesen Zubereitungen immer problematisch. »Es reicht nicht, eine gute Technologie zu verordnen, alle Beteiligten müssen sie auch verstehen«, verdeut­lichte der Apotheker. Denn Handhabungsfehler schränken die Wirksamkeit der Therapie ein und führen zu vermehrten lokalen und systemischen Nebenwirkungen.

Richtig inhalieren

Dosieraerosol:

  • Aufrecht hinsetzen oder stehen, den Kopf leicht in den Nacken legen.
  • Das Gerät mit dem Mundstück nach unten schütteln: bei Suspensionen unbedingt erforderlich, bei Lösungen nicht notwendig.
  • Schutzkappe entfernen, langsam und entspannt ausatmen.
  • Mundstück zwischen die Lippen nehmen, eventuell zwischen die Zähne.
  • Kopf leicht nach hinten neigen, dann langsam und möglichst tief einatmen und gleichzeitig den Sprühknopf drücken. Weiter tief und langsam (> 3 Sekunden) einatmen (Synchronisation).
  • Luft für fünf bis zehn Sekunden anhalten, dann das Mundstück entfernen und durch die Nase beziehungsweise mit Lippenbremse ausatmen. Pulverinhalator:
  • Inhalator vorbereiten/Dosis freisetzen: zum Beispiel Kapsel einsetzen und per Knopfdruck durchlöchern.
  • Ausatmen, Mundstück ansetzen und Kopf zurückneigen. Wichtig: Nicht in das Mundstück ausatmen, sonst kann das Pulver im Gerät feucht werden und verklumpen.
  • Schnell, tief und kräftig einatmen, um ein feines, lungengängiges ­Pulver zu erzeugen.
  • Mundstück anschließend absetzen und langsam durch die Nase ausatmen.

Die korrekte Handhabung des Inhalations­gerätes sollte durch eine Schulung bei der ersten Verordnung durch den Arzt und im Laufe der ­Therapie durch regelmäßige Monitoring-Termine sichergestellt werden. Dieses Monitoring – am besten zeitnah nach der ersten Verordnung, dann mindestens einmal jährlich sowie nach einem­ Wechsel des Präparats – kann Martin zufolge auch in der Apotheke stattfinden. Wichtig sei dabei, dass der Patient dabei die aktive Rolle übernimmt. Er sollte dazu zunächst unkommentiert vorführen, wie er sein Gerät zu Hause anwendet. Danach sollten PTA oder Apotheker gezielt Hand­habungsfehler ansprechen (»Sie haben fast alles richtig gemacht, nur hier wäre es besser …«), diese erläutern und mögliche Konsequenzen der falschen Anwendung aufzeigen. Anschließend kann der Patient die richtige Anwendung noch einmal demonstrieren.

Die in den Inhalativa enthaltenen Wirkstoffpartikel sollen in die Atem­wege gelangen und dort abgeschieden werden. »Der aerodynamische Durchmesser der Aerosolpartikel muss dafür im Bereich von 1 bis 5 µm liegen«, erläuterte Professor Dr. Rolf Daniels von der Universität Tübingen in einem weiteren Vortrag. Bei einem Durchmesser von mehr als 10 µm würden die Partikel durch Impaktion bereits im Mund-Rachen­-Raum abgeschieden und gelangten nicht an den Wirkort.

Feiner Nebel

Bei Dosieraerosolen in Druckgasver­packungen ist der Wirkstoff als Suspen­sion oder Lösung in einem druck­verflüssigten Treibgas (Fluorkohlenwasserstoff) formuliert. Viele Patienten tun sich mit der Anwendung von Dosieraerosolen schwer. Größtes Problem ist die notwendige Koordination von Sprühstoß und Inhalation: Zeitgleich zum Auslösen des Dosieraerosols muss der Patient langsam und tief ein­atmen und dann die Luft für mindestens fünf Sekunden anhalten.

Bei Anwendungsschwierigkeiten könne der Wechsel auf ein atemzug­induziertes Inhalationssystem (zum Beispiel Autohaler®, Easybreathe®) helfen, riet Apotheker Martin. Dabei wird die Freisetzung der Inhalationslösung erst durch den Atemzug getriggert, die Koordination entfällt. Alternativ erleichtere eine Vorschaltkammer, ein sogenannter Spacer, die Inhalation über ein Dosieraerosol. Diese wird häufig­ bei Kindern eingesetzt. Der Patient gibt einen Sprühstoß in die Kammer­ ab und atmet dann den Substanznebel aus dem Spacer langsam und möglichst tief ein. Anschließend muss er den Atem für einige Sekunden anhalten­ und langsam wieder ausatmen. Bei Spacern mit Ventil kann über das Ventil ausgeatmet werden, der Spacer muss dafür nicht abgesetzt werden. Eine Inhala­tionshilfe kann auch einen als unangenehm empfunden Kältereiz im Rachen verhindern. Ein weiterer Vorteil sei auch, so Martin, dass mehr Wirkstoff in die Lunge gelangt, denn es bleibe­ weniger Wirkstoff im Mund- und Rachenraum haften als bei der normalen Anwendung von Dosieraerosolen.

Was Patienten häufig vergessen: Dosieraerosole, die eine Suspension enthalten, müssen vor der Anwendung immer geschüttelt werden, damit sich der Wirkstoff gleichmäßig in der Flüssig­keit verteilt. Bei Lösungen ist das nicht nötig. Da es aber auch nicht schadet, sollten PTA und Apotheker Kunden ruhig raten, das Dosieraerosol vor der Anwendung generell zu schütteln.

Weitere Informationen

Patienten finden auf www.atemwegsliga.de in der Rubrik »Richtig inhalieren« kostenlose Anwendungs-Videos für viele verschiedene Inhalationssysteme in mehreren Sprachen. Auch die ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände stellt auf www.abda.de unter anderem Checklisten zur richtigen Inhalation und möglichen Fehlerquellen zur Verfügung.

Patienten, die schon lange inhalieren, sollten im Beratungsgespräch ab und zu auf eine regelmäßige Reinigung, etwa mit warmem Wasser, hingewiesen werden. Ansonsten kann die Sprüh­düse verstopfen.

Pulver inhalieren

Die Atemstromstärke des Patienten spielt bei der Anwendung von Dosier­aerosolen keine Rolle. Anders bei Pulver­inhalatoren: Dabei muss der Patient möglichst kräftig einatmen. Ist der Atemfluss nicht stark genug – nötig sind mindestens 30 l/min –, wird das Pulver nicht dispergiert, also nicht in kleine lungengängige Partikel zerteilt. Bei Patienten mit eingeschränkter Lungen­funktion können Pulverinhalatoren daher eventuell nicht geeignet sein, etwa bei Senioren und multi­morbiden Patienten, bei denen die Atemstromstärke zu gering ist, um das Gerät auszulösen. Gleiches gilt für kleine Kinder.­ Pulverinhalatoren seien daher­ erst ab einem Alter von vier Jahren empfehlenswert, verdeutlichte Daniels.

Allerdings gibt es bei den verschiedenen Systemen große Unterschiede: Vorteilhaft könnten Geräte mit einem relativ hohen Strömungswiderstand (zum Beispiel Handihaler®, Turbohaler®) sein. Bei deren Anwendung werde im Inhalator ein großer Druckabfall erzeugt.­ Dann könnten Teilchen gut disper­giert und ein feines Pulver erzeugt werden, sagte Daniels. Interin­dividuelle Unterschiede bei der Anwendung würden bei diesen Geräten kleiner­ ausfallen. Auch Patienten mit einem relativ geringen in­spiratorischen Atemfluss könnten so über das Gerät inhalieren.

Alle Pulverinhalatoren sind feuchtigkeitsempfindlich. Das Pulver kann also im Gerät verklumpen. PTA und Apotheker sollten Patienten darauf hinweisen, dass sie keinesfalls in das Gerät ausatmen dürfen. Nach der Inhalation­ sollte das Gerät abgesetzt und dann über die Nase ausgeatmet werden. Eine feuchte Umgebung, etwa in Küche oder Bad , sind zur Lagerung nicht geeignet. Die Patienten sollten Pulverinhalatoren stets trocken, etwa im Schlafzimmer oder Wohnzimmer, aufbewahren. Eine Ausnahme stellen Einzeldosis-Inhalatoren wie Diskus®, Aerolizer® oder Breezhaler® dar, bei denen­ jede Pulverdosis einzeln ver­siegelt ist. Pulverkapseln sollten zudem immer erst unmittelbar vor der Inhalation in das Gerät eingesetzt werden.

Problemlöser

Zwar entfällt bei Pulverinhalatoren die Koordination von Sprühstoß und Inhalat­ion, doch trotzdem bereitet die Anwendung gerade älteren Menschen häufig Schwierigkeiten. Beispielsweise müssen bei kapselbasierten Systemen die Pulverkapseln manuell geöffnet werden. Dafür muss in der Regel ein Knopf betätigt werden; Metalldornen durchlöchern dann die Kapsel. »Bei den verschiedenen Pulverinhalatoren ist der dafür nötige Kraftaufwand enorm unterschiedlich.

Die Kraft variiert zwischen­ 10 und 30 Newton«, informierte Daniels. Das könne in Einzel­fällen Probleme bereiten, sagte der pharmazeutische Technologe. Patienten mit fehlender Kraft und Koordina­tion und schmerzhaften manuellen Einschränkungen wie bei der rheumatoiden Arthritis können diese Kraft eventuell nicht aufbringen.

Abhilfe schaffen kann in solchen Fällen eventuell ein Griffwechsel: In der Gebrauchsanweisung wird der Spitzgriff empfohlen (wie beim Anfassen einer Münze). Die bessere Alternative für Senioren oder bei schmerzhaften Erkrankungen ist der sogenannte Schlüsselgriff: Dabei wird der Druckknopf mit Daumen und Innenseite des Zeigefingers wie ein Schlüssel betätigt. Alternativ kann der Inhalator auch gegen die Wand gedrückt und beispielsweise mit dem Boden einer Tropf­flasche ausgelöst werden.

Wirkstoff-Behältnis Name
Mehrdosenreservoir im Inhalator Novolizer
Genuair
Easyhaler
Turbohaler
Twisthaler
Nexthaler
Spiromax
Hartkapsel Aerolizer
Cyclohaler
Breezhaler
Handihaler
Podhaler
Blister Diskus
Diskhaler
Ellipta
Elpenhaler

Quelle: Professor Dr. Rolf Daniels, Universität Tübingen. Vortrag »Nasale und inhalative­ Wirkstoffapplikation – Durchblick bewahren beim Vernebeln und Zerstäuben«. Pharmacon Schladming 2017

Ein weiteres Problem: Senioren können­ akustische Signale, die eine erfolgreiche Inhalation anzeigen, oft nicht sicher wahrnehmen. Wenn die Betroffenen nicht mehr richtig hören, bleibt dennoch in den meisten Fällen die Leitfähigkeit über den Knochen erhalten. Experten empfehlen dann, bei der Inhalation sanft auf den Inhalator zu beißen. So nehmen Patienten den Klick oder das Rasseln der Kapsel über die Schallleitung auf die Gehörschnecke wahr.

Glucos richtig anwenden

Inhalative Glucocorticoide (ICS) kommen vor allem bei Asthma-Patienten als Dauertherapie zumEinsatz. Viele Patienten setzten ICS eigenmächtig ab, wenn es ihnen besser geht, sagte Apotheker Martin. Doch die Steroide müssen auch bei Beschwerdefreiheit regel­mäßig inhaliert werden, um Anfälle und Exazerbationen zu vermeiden. Darauf­ sollten PTA und Apotheker die Patien­ten unbedingt hinweisen.

Auch sollten sie Patienten die verbreitete Cortison-Angst nehmen: Die Inhalation ist eine lokale Anwendung, systemische Corticoid-Nebenwirkungen wie das Cushing-Syndrom (Muskelabbau, Wasser- und Fetteinlagerungen), Osteo­porose, dünne Haut oder Akne sind im Allgemeinen nicht zu befürchten.

Ein weiterer wichtiger Hinweis: Der Wirkstoff aus dem Spray kann sich im Mund und Rachen abscheiden. Dann können physiologisch vorkommende Hefepilz-Arten wie Candida eine Schleimhautinfektion, einen sogenannten Mundsoor mit weißlich-bräunlichen Belägen, Brennen auf der Zunge, Schmerzen beim Schlucken und Mundgeruch, hervorrufen. Um das zu verhindern, sollten die Patienten nach jeder Inhalation etwas essen oder trinken oder ihren Mund mit Wasser ausspülen.

Inhalativa werden vor allem für die lokale­ Wirkstoffapplikation genutzt. Inhalative Zubereitungen, die eine syste­mische Wirkung erzielen sollen, konnten sich bislang nicht durchsetzen. So entpuppte sich etwa das 2006 zugelassene inhalierbare Insulin Exubera® von Pfizer als großer Flop. »Die Indi­kation war sehr eingeschränkt, das Präparat kam damit nur für wenige Patienten infrage«, berichtete Daniels. »Zudem­ gelangten nur 60 Prozent des applizierten Insulins in die Lunge. Es wurden zehnfach höhere Dosen benötigt als bei der subkutanen Applikation, verbunden also mit deutlich höheren Kosten.«

Richtig lagern

Dosieraerosole sollten nicht hohen Temperaturen oder direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt werden. Bei großer Hitze, die etwa im Sommer im Innenraum des Autos oder im Handschuhfach entstehen kann, könnte das Spray explodieren. Genauso sollte es aber auch vor Minusgraden geschützt werden. Bei Temperaturen unterhalb von -15 °C funktionieren Treibgasdosen aufgrund der Druckverringerung nur eingeschränkt. Ein Sprühstoß enthält dann eine verringerte Wirkstoffdosis.

Auch von den Patienten wurde die neue Applikationsform nicht angenommen, ein Grund war vermutlich auch, dass das Inhalationsgerät relativ groß und unpraktisch war. Daher folgte bereits Ende 2007 das Aus für Exubera. Die Firma Sanofi startete 2014 mit Afrezza®­, einem kleineren, handlicheren Inhalator, einen neuen Versuch. Aber auch hier waren die Verkaufszahlen so schlecht, dass die Vermarktung im April 2016 eingestellt wurde.

Durch die Nase

Anders sieht die Situation bei den Nasalia aus: Neben lokal wirksamen Zubereitungen gibt es einige systemisch wirksame Formulierungen, die per Nasenspray verabreicht werden können, besonders Peptide und Proteine. Als Beispiele nannte Daniels etwa Suma­triptan und Zolmitriptan bei Migräne,­ Buserelin bei Endometriose und Prostatakarzinom oder den Grippeimpfstoff Fluenz®. »Das therapeutische Fenster muss dabei ausreichend groß sein«, sagte er. Denn meist sei die Bioverfügbarkeit in der systemischen Zirkulation nach der nasalen Applikation gering.

Zwar bietet die Nase nur eine begrenzte Resorptionsfläche und es kann nur ein geringes Volumen appliziert werden. Doch die Nase hat als Applikationsort laut Daniels auch wichtige Vorteile: Sie ist gut zugänglich, das Epithel­ der Nasenschleimhaut ist nicht besonders dick und zudem von einem dichten Netz feiner Kapillargefäße durchzogen. Außerdem fehlt bei der nasalen Gabe der hepatische First-pass-Effekt.

Aufgrund der mukoziliären Clearance der Nase müsse galenisch eine genügend lange Verweildauer am Applikationsort erzeugt werden, erläuterte Daniels. Das lässt sich beispielsweise über eine erhöhte Viskosität durch den Zusatz von Methylcellulose oder Polyacrylsäure erreichen. Die Formulierung darf die Nasenschleimhaut nicht reizen, sie sollte einen pH-Wert zwischen 6,5 und 7,6 aufweisen und möglichst isoton sein.

Als neuen, vielversprechenden Appli­kationsweg stellte der Pharmazeutische Technologe den direkten Transport von Wirkstoffen über den Trigeminus- und den Riechnerv ins Gehirn vor. Bislang gibt es noch keine zugelassenen Wirkstoffe, die diese Nase-Hirn-Route nutzen. Vorstell­bar sei dies aber beispielsweise für Hormone, unter anderem Insulin zur Behandlung von Morbus Alzheimer oder Leptin bei Adipositas, so Daniels. /