Kleine Kraftpakete |
20.02.2018 |
Von Inka Stonjek / Nüsse sind längst nicht die Dickmacher, als die sie lange Zeit verschrien waren. Vielmehr liefern sie zahlreiche gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe.
Das Angebot an Nüssen, Knabbermischungen und Studentenfutter ist groß. Botanisch gesehen gibt es viel Abwechslung in den bunten Tüten. Denn nicht überall, wo Nuss draufsteht, ist wirklich eine Nuss drin. Dafür müssten alle drei Schichten der Fruchtwand miteinander verholzt sein und stets nur einen einzelnen Samen umschließen. Diese Definition erfüllen beispielsweise Macadamia-, Hasel- und Walnüsse.
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Umgangssprachlich sieht man das aber nicht so eng und zählt auch andere schmackhafte Samen dazu, zum Beispiel Mandeln, Cashewkerne oder Pistazien. Ein Sonderfall ist die Erdnuss: Ihre Samen sind von einer Hülse umschlossen. Die krautig wachsende Pflanze gehört daher zu den Hülsenfrüchten und ist unter anderem mit der Erbse verwandt. Da sich die Hülse allerdings nicht öffnet, sondern geschlossen bleibt, wird sie gerne mit den Nüssen in eine Schublade gesteckt.
Ob echte Nuss oder ein anderer Schalenobst-Vertreter – allen gemein ist ihr gehaltvolles Inneres. Wann immer wir zum Nussteller greifen, naschen wir den Samen oder den Kern einer Frucht, aus dem eine neue Pflanze entstehen sollte. Deshalb sind Nüsse und Co. reich an pflanzlichen Reservestoffen, darunter im Schnitt 50 Prozent Fett. Die Macadamia toppt das noch, schließlich kommt ihre zart-schmelzende Konsistenz nicht von ungefähr: Sie besteht zu 73 Prozent aus Fett. Zusammen mit den enthaltenen Kohlenhydraten und Eiweißen liefern Nüsse dadurch im Schnitt gute 700 Kilokalorien pro 100 Gramm, was durchaus dem Energiegehalt einer Hauptmahlzeit entspricht. Eine Ausnahme sind Edelkastanien. Sie enthalten nur etwa 2 Prozent Fett und dafür vor allem Kohlenhydrate und Wasser.
Nüsse enthalten hochwertiges pflanzliches Eiweiß, B-Vitamine und Vitamin E. Sie zeichnen sich durch Phenolsäuren wie Ellagsäure (wie in Wal- und Pekannüssen) und Resveratrol (in Erdnüssen) aus, denen antikanzerogene, antimikrobielle und antioxidative Wirkungen nachgesagt werden. Enthaltene Phytosterine sollen die Resorption und Neubildung von Cholesterol verringern und den HDL-Cholesterolspiegel verbessern.
Nüsse sind je nach Sorte gute Lieferanten für Mineralstoffe und Spurenelemente. So sind Cashewkerne beispielsweise reich an Kupfer (3,7 mg), Erdnüsse an Magnesium (160 mg), Kokosnuss an Selen (840 µg ), Paranüsse an Zink (4 mg), Mandeln an Calcium (252 mg) und Pistazien an Kalium (1,02 g; jeweils pro 100 g). Ihr Beitrag ist zur Mineralstoffzufuhr dabei deutlich größer als ihr Anteil an der Energiezufuhr.
Echte Nüsse:
Edelkastanie, Haselnuss, Macadamianuss, Walnuss
Andere essbare Samen, Kerne und Beeren:
Cashewkerne, Kokosnuss, Mandeln, Muskatnuss, Paranuss, Pekannuss, Pinienkerne, Pistazie, Sheanuss
Keine Dickmacher
Nüssen eilte durch den hohen Fettgehalt lange Zeit der Ruf als Dickmacher voraus. Doch mittlerweile gelten sie als rehabilitiert. Trotz ihres Energiegehaltes tragen sie kaum zu Übergewicht und Adipositas bei – im Gegenteil: Untersuchungen zeigen, dass Nüsse sogar den Erfolg von Reduktionsdiäten unterstützen können, weil sie das Sättigungsgefühl fördern. Außerdem liefern sie hauptsächlich einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Deren positive Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System gleichen die enthaltenen gesättigten Fettsäuren und den absoluten Fettgehalt wieder aus. α-Linolensäure aus Walnüssen beispielsweise wirkt als Omega-3-Fettsäure entzündungshemmend, gegen Herzrhythmusstörungen und schützt die Herzkranzgefäße vor Ablagerungen. Die Datenlage hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bewogen, für Walnüsse einen Health-Claim zuzulassen: Sie tragen dazu bei, die Elastizität der Blutgefäße zu verbessern.
Der Verzehr von Nüssen und Mandeln senkt wahrscheinlich das Risiko, an koronaren Herzkrankheiten zu erkranken, so die Schlussfolgerung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in ihrem 13. Ernährungsbericht. Diese Ergebnisse haben die Fachgesellschaft bewogen, neue Verzehrempfehlungen abzuleiten. Jetzt empfiehlt die DGE, täglich eine Handvoll – das sind etwa 25 g – zu essen. In dieser Menge und idealerweise ungesalzen, sind Nüsse ein wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. »Peppen Sie Ihr Müsli, Ihren Joghurt, den Salat oder das Dessert mit Nüssen auf«, schlagen die Ernährungsexperten vor.
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Strenge Karenz bei Allergie
Diese Empfehlung gilt natürlich nicht für Nuss-Allergiker. Wissenschaftlichen Studien zufolge sind 1,4 Prozent der Menschen in Europa davon betroffen. Dem Deutschen Allergie- und Asthma-Bund (DAAB) zufolge sind hierzulande vor allem Haselnüsse und Walnüsse allergologisch relevant; Haselnüsse sind nach Angaben der Fachgesellschaft sogar der zweithäufigste Auslöser für eine anaphylaktische Reaktion nach den Hülsenfrüchten. Auch Pollenallergiker müssen mit Symptomen rechnen und vorsichtig sein. Bei ihnen können Kreuzallergien auftreten, bei denen sich die spezialisierten IgE-Antikörper gegen ähnliche Allergene aus anderen Allergenquellen richten. Deswegen tritt bei einer Allergie auf Birken-, Erlen- oder Haselpollen oft auch eine Kreuzallergie auf Nüsse, Kern- und Steinobst, Kiwis, Sellerie, Karotten oder rohe Kartoffeln auf.
Daneben registriert der DAAB steigende Zahlen von Erdnussallergikern. Er führt diesen auf den vermehrten technologischen Einsatz von Erdnüssen in der Lebensmittelindustrie zurück. Die Allergie ist tückisch: Während die meisten Nahrungsmittel erst in größeren Mengen allergische Reaktionen auslösen, genügen bei der Erdnuss schon Mikrogramm-Mengen für lebensbedrohliche Symptome. In der Literatur werden Beschwerden an den Atemwegen, Hauterscheinungen (Neurodermitisschub, Urtikaria und Quinke-Ödem), Durchfälle, Übelkeit, Erbrechen, aber auch Herzrasen, Schwindel, Bewusstlosigkeit sowie lebensbedrohliche Schockzustände beschrieben. Zudem bleibt eine Erdnuss-Allergie meist ein Leben lang bestehen.
Sorte | Energie [kcal] | Eiweiß [g] | Fette [g] | Kohlenhydrate [g] | Ballaststoffe [g] | Wasser [g] |
---|---|---|---|---|---|---|
Cashewkerne | 571 | 17,2 | 42,2 | 30,5 | 2,9 | 4,0 |
Erdnusskerne | 564 | 25,3 | 48,1 | 7,5 | 11,7 | 5,2 |
geröstet | 585 | 25,6 | 49,4 | 9,4 | 11,4 | 1,6 |
Edelkastanie | 196 | 3,4 | 1,9 | 41,2 | 8,4 | 48,0 |
Haselnusskerne | 644 | 12,0 | 61,6 | 10,5 | 8,2 | 5,6 |
Kokosnuss | 363 | 3,9 | 36,5 | 4,8 | 9,0 | 48,0 |
Mandeln, süß | 583 | 18,7 | 54,1 | 5,4 | 13,5 | 5,0 |
Macadamianüsse | 703 | 7,5 | 73,0 | 4,0 | 11,4 | 3,0 |
Paranüsse | 670 | 13,6 | 66,8 | 3,6 | 6,7 | 5,6 |
Pekannüsse | 703 | 9,3 | 72,0 | 4,4 | 9,5 | 3,0 |
Pistazienkerne | 594 | 20,8 | 51,6 | 11,6 | 10,6 | 5,3 |
Walnusskerne | 663 | 14,4 | 62,5 | 10,6 | 6,1 | 5,0 |
Kennzeichnung ist Pflicht
Während Symptome durch Kreuzallergien oftmals nur während der jeweils akuten Pollensaison auftreten, sieht dies insbesondere bei der Erdnuss-Allergie anders aus. Hier führt kein Weg an einer dauerhaften und konsequenten Karenz vorbei. Betroffene sind beim Einkauf darauf angewiesen, zuverlässige Informationen über die Zusammensetzung der Lebensmittel zu erhalten. Seit Dezember 2014 müssen daher in allen europäischen Mitgliedsländern auch auf losen Waren die 14 häufigsten allergieauslösenden Lebensmittel ausgewiesen werden. Dazu zählen Erdnüsse ebenso wie Mandeln, Pistazien, Haselnüsse, Walnüsse, Pekan-, Para-, Macadamia- und Queenslandnüsse sowie Cashewkerne.
In einem Punkt gibt es allerdings Entwarnung: Nicht immer müssen Nuss-Allergiker wirklich alle Schalenfrüchte meiden. US-amerikanische Forscher haben die oralen Provokationstests von 109 Patienten mit einer Baumnussallergie ausgewertet. Obwohl bei ihnen Hauttests oder IgE für andere Nussarten positiv ausgefallen waren, hatten sie bisher nicht auf das Lebensmittel reagiert. In mehr als jedem zweiten Fall ließ sich der Verdacht auf eine zusätzliche Nussallergie nicht bestätigen. Auch 44 Patienten mit einer Erdnussallergie und positivem Haut- und IgE-Test auf andere Nussarten bestanden den oralen Provokationstest zu 96 Prozent. Demnach litten auch diese Patienten nicht unter einer Zweitallergie, und der Verzicht auf andere Nussarten erübrigte sich, schreiben die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift »Annals of Allergy, Asthma & Immunology«. Betroffene sollten daher unter ärztlicher Aufsicht testen, ob bei ihnen eine Zweitallergie vorliegt. /