Der Start in die Arzneitherapie |
10.06.2008 09:18 Uhr |
Der Start in die Arzneitherapie
Anna Laven und Birgit Carl, Aachen
Bei der Therapie des Typ-2-Diabetes orientieren sich Ärzte an der Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Nach Stufe eins der Leitlinie beginnt die Behandlung mit einer Schulung, in der Diabetiker lernen, ihre Ernährung umzustellen. Übergewichtige müssen ihr Gewicht reduzierenn. Ziel ist es, dass der HbA1c-Wert unter 6,5 Prozent sinkt. Liegt der Wert auch nach drei Monaten noch nicht unter 7 Prozent, verordnet der Arzt zusätzlich Medikamente.
Die Leitlinie der Deutschen Diabetes Gesellschaft empfiehlt als zweite Stufe die orale Monotherapie: Übergewichtige Patienten erhalten Metformin aus der Substanzgruppe der Biguanide. Liegt eine Kontraindikation gegen Metformin vor, zum Beispiel eine eingeschränkte Nierenfunktion oder schwere Lebererkrankung, weicht der Arzt auf Sulfonylharnstoffe aus. Normalgewichtigen Patienten verordnet er direkt Glibenclamid oder alternativ einen alfa-Glucosidasehemmer. Darüber hinaus ist es möglich, sofort mit einer Insulintherapie zu beginnen.
Wenn nach drei weiteren Monaten unter Arzneimitteleinnahme der HbA1c nach wie vor den Wert von 7,0 Prozent übersteigt, greift Stufe drei der Leitlinie. Dann kommt oft ein zweites orales Antidiabetikum hinzu (Kombinationstherapie). Zu Metformin lassen sich der alfa-Glucosidasehemmer Acarbose, ein Glinid, Glitazon oder Sulfonylharnstoffe ergänzen. Die Sulfonylharnstoff-Therapie kann kombiniert werden mit einem alfa-Glucosidasehemmer, Glitazon oder Metformin.
Die vierte Therapiestufe beginnt, wenn nach drei weiteren Monaten trotz der bisherigen Therapie der HbA1c-Wert immer noch nicht unter 7,0 Prozent sinkt. Wurde bislang nur oral therapiert, muss der Diabetiker nun zusätzlich Insulin spritzen. Entweder injiziert er abends ein Verzögerungsinsulin (Bed-time-Insulin) oder er spritzt vor jedem Essen ein kurz wirksames. In der fünften und letzten Stufe wird der Patient ganz auf die konventionelle Insulintherapie (CT) oder die intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) umgestellt. In dieser Phase kommt statt der CT oder ICT auch eine Insulinpumpe in Frage.
Gute Tipps zu Metformin
Metformin steigert die Wirkung des vorhandenen Insulins, das die Bauchspeicheldrüse des Patienten noch selbst produziert oder das dieser injiziert. Es verbessert so die Aufnahme der Blutglucose in die Muskelzellen. Der Arzneistoff beeinflusst dagegen nicht die Ausschüttung und Blutkonzentration des Insulins selbst. Weil hohe Insulinspiegel Hunger verursachen, und Diabetiker entweder abnehmen oder das Gewicht halten müssen, bevorzugen Ärzte Metformin bei übergewichtigen Patienten. Diese essen infolge der nicht gesteigerten Insulinspiegel nicht mehr, und Abnehmen fällt ihnen deutlich leichter. Studien belegen, dass Diabetiker länger leben, wenn sie mit Metformin gut eingestellt sind.
Die Metforminbehandlung schleicht der Arzt in der Regel ein: Er verordnet zuerst Tabletten mit 500 mg Metforminhydrochlorid, die der Patient einmal täglich einnimmt, meist nach dem Abendessen. Nach vier bis fünf Tagen steigert der behandelnde Arzt die Dosierung üblicherweise auf die zweimal tägliche Gabe und nach weiteren vier bis fünf Tagen auf dreimal täglich eine Tablette Metforminhydrochlorid. Die Höchstdosis liegt bei dreimal 850 mg Metformin. Gut zu wissen: Wird Metformin überdosiert, verursacht es keine Unterzuckerung. Auf eine Hypoglykämie muss der Patient nur achten, wenn er Metformin mit Insulin oder einem Sulfonylharnstoff kombiniert.
Nebenwirkungen verschwinden
Zu Therapiebeginn treten bei bis zu 20 Prozent der Patienten gastrointestinale Beschwerden auf, zum Beispiel Übelkeit, Erbrechen, Magendruck, Blähungen, Durchfälle oder selten ein metallischer Geschmack im Mund. Bei den meisten verschwinden diese Symptome nach einigen Tagen spontan. Am besten vertragen die Patienten das Medikament, wenn sie es zu oder nach einer Mahlzeit unzerkaut einnehmen und außerdem die Tagesdosis auf mehrere Einzelgaben verteilen.
PTA und Apotheker können Betroffene auf die Nebenwirkungen von Metformin mit folgenden Worten hinweisen: »In den ersten Tagen muss sich Ihr Magen und Darm an die neuen Tabletten gewöhnen. Vielleicht haben Sie ein wenig Magendrücken oder Ihr Stuhlgang wird weicher. Das ist normal. Nach ein bis zwei Wochen verschwinden bei fast allen Patienten diese Begleiterscheinungen.«
Eine sehr seltene, jedoch für den Patienten lebensbedrohliche Nebenwirkung, ist die Lactatazidose. Verursacht wird sie durch eine zu geringe Ausscheidung und damit Kumulation von Metformin im Körper. Das führt zu Erbrechen, Diarrhoe und Bauchschmerzen, später Muskelschmerzen. Der Patient atmet verlangsamt und sehr tief. Seine Körpertemperatur sinkt ab. Unbehandelt fällt er ins Koma und stirbt.
Schnelles Handeln ist erforderlich: Metformin muss sofort abgesetzt werden und der Patient zur Überwachung ins Krankenhaus. Zur Absicherung der Diagnose dienen die pH-Werte oder die Lactatkonzentration im Blut.
Nieren kontrollieren
Eine Lactatazidose kann auftreten, wenn die Kontraindikationen nicht beachtet wurden und Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz Metformin erhalten. Metformin wird hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Daher dürfen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (Grenzwert des Serumkreatinins 1,2 mg/dl, Kreatin--Clearance < 50 ml/min) Metformin nicht einnehmen, damit es im Körper nicht kumuliert. Zu Anfang einer Metformintherapie kontrolliert der Arzt deshalb vor allem bei älteren Diabetikern regelmäßig die Werte des Serumkreatinins, da mit dem Alter die Nierenfunktion nachlässt.
Auch iodhaltige Röntgenkontrastmittel beeinträchtigen die Ausscheidung von Metformin. Deshalb muss Metformin 24 Stunden vor und 24 Stunden nach einer Röntgenuntersuchung abgesetzt werden. Auch 48 Stunden vor bis 48 Stunden nach einer Operation mit Vollnarkose darf Metformin nicht eingenommen werden. Weiterhin behindern Antihypertensiva, Diuretika oder Antiphlogistika die Metformin-Elimination.
Schließlich erhöhen noch folgende Faktoren das Risiko für eine Lactatazidose: größere Mengen alkoholischer Getränke, eine Reduktionskost mit unter 1000 kcal pro Tag, schwere Lebererkrankungen, eine Pankreatitis, aber auch hypoxische Zustände, wenn Gewebe schlecht mit Sauerstoff versorgt sind wie bei einer Herzinsuffizienz.
Risiko ansprechen
Im Beratungsgepräch können PTA oder Apotheker die Gefahr so thematisieren: »Sollten Sie eine Diät mit unter 1000 kcal/Tag planen, müssen Sie Ihren Arzt darüber informieren. Gut ist es, wenn Sie während der Einnahme von Metformin auf Alkohol verzichten. Gelingt Ihnen dies nicht, sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt. Die meisten Ärzte erlauben ab und an ein Glas Wein oder Bier pro Tag. Wollen Sie mehr trinken, weil Sie einmal richtig mitfeiern möchten, erarbeiten Sie am besten mit Ihrem Arzt gemeinsam einen guten Plan. Sicherlich finden Sie gemeinsam eine Lösung.«
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