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Ernährung

Fasten für die Seele

04.06.2009  14:42 Uhr

Ernährung

Fasten für die Seele

von Ursula Sellerberg

Bei kaum einem anderen Ernährungsthema liegen die Meinungen so weit auseinander: Manche Menschen wollen sich durchs Heilfasten innerlich reinigen und den Körper umstimmen, andere finden Fasten unsinnig und gefährlich. Alle Fachleute sind sich aber darin einig, dass Fasten nicht zur langfristigen Gewichtsreduktion geeignet ist.

Für Tiere sind Zeiten ohne üppiges Nahrungsangebot selbstverständlich. Sie müssen zwangsläufig hungern, wenn die Natur sie nicht ausreichend ernährt. Auch Menschen hungern notgedrungen zu Zeiten schlechter Ernte und in Krisenzeiten wie Kriegen. Einige praktizieren aber den Nahrungsverzicht freiwillig. In fast allen Religionen gibt es Fastenzeiten, die der Rückbesinnung auf sich selbst dienen.

Ende des 19. Jahrhunderts belebten Ärzte das Fasten in Europa neu. Den Begriff Heilfasten prägte 1935 der deutsche Arzt Dr. Otto Buchinger (1878 bis 1966). Seiner Meinung nach wirkt sich die »Heilung« beim Fasten nicht nur körperlich, sondern auch auf das psychisch-seelische Gleichgewicht aus.

Fastende berichten über psychische Veränderungen, zum Beispiel steigern sich oft Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit. Ab dem dritten Tag erleben manche regelrechte Glücksgefühle, vermutlich ausgelöst durch den Anstieg des Serotoninspiegels im Gehirn. Andere fühlen sich zeitweise müde, schwindelig und frieren leicht. Diese Nebenwirkungen normalisieren sich aber meist während des Fastens.

Führt der Mensch keine Nahrung mehr zu, verändert sich sein Stoffwechsel. Das Gehirn und einige andere Organe brauchen Glucose zur Energiegewinnung. Sinkt der Glucosespiegel im Blut, baut der Körper zunächst das Glykogen aus Leber und Muskeln ab. Glykogen ist eine schnell verfügbare Speicherform der Glucose. Ist das Glykogen verbraucht, wandelt der Körper Eiweiß in Glucose um (Gluconeogenese). Täglich werden so etwa 75 bis 100 Gramm Protein zu Glucose abgebaut. Den übrigen Energiebedarf deckt der Mensch durch den Abbau von Fett.

Beim Abbau von Glykogen und Eiweiß setzt der Körper gebundenes Wasser frei und schwemmt es über die Nieren aus. Daher verliert der Fastende während der ersten zwei bis drei Tage etwa zwei Kilogramm Gewicht.

Nach einigen Tagen verändert sich der Stoffwechsel: Der Glucosebedarf sinkt, und nur noch etwa 20 Gramm Protein werden zu Glucose umgewandelt. Dann greift der Körper mehr und mehr seine Fettreserven an. Gespeicherte Fette werden in Fettsäuren und Glycerol gespalten (Lipolyse). Bei der anschließenden Oxidation der Fettsäuren entstehen unter anderem Ketonkörper. Diese verursachen einen acetonartigen Mund- und Körpergeruch und lassen sich chemisch im Urin nachweisen. Durch den Fettabbau sinken die Blutfettwerte, insbesondere der Triglycerid- und Cholesterolspiegel.

Jo-Jo-Effekt verhindern

Dient das Fasten lediglich dazu, Körperfett abzubauen, wird es als Nulldiät bezeichnet. Anhänger der Nulldiät verzichten meist auf eine vorausgehende Darmreinigung und achten nicht so sehr auf die psychischen Veränderungen.

Nulldiäten ziehen oft den Jo-Jo-Effekt nach sich. Das heißt, wenn die Betroffenen nach der Nulldiät wieder wie zuvor essen, wiegen sie schließlich mehr als vor der Diät. Ein Grund dafür ist der Eiweißabbau. Denn braucht der Körper seine Eiweißreserven auf, baut er dazu Muskeln ab. Dadurch sinkt der Grundbedarf des Körpers, sodass er mit weniger Energie auskommen kann.

Der Jo-Jo-Effekt lässt sich jedoch verhindern. Isst der Betroffene während der Diät zusätzlich Eiweiß, baut er weniger Muskeln ab. Dieses Konzept verfolgen zum Beispiel das Molkefasten oder das proteinmodifizierte Fasten. Eine andere Methode ist, Kraftsport zu betreiben, denn Sport regt das Muskelwachstum an.

Während eines mehrwöchigen Fastens büßt ein Normalgewichtiger ein Drittel bis die Hälfte seines Gesamtkörpereiweißes ein. Normalgewichtige Menschen sollten daher das Fasten nicht zu lange ausdehnen. Wenn Übergewichtige längerfristig fasten wollen, müssen sie zusätzlich Eiweiß aufnehmen, um den Mangel auszugleichen.

Heilfasten nach Buchinger

Das Heilfasten nach Buchinger ist eine der bekanntesten Arten des Fastens. Vor Beginn des Fastens empfehlen sich ein oder mehrere Entlastungstage. In dieser Zeit verzehrt der Fastenwillige nur leichte Kost wie gedünstetes Gemüse mit Reis und verzichtet auf Genussmittel wie Kaffee, Alkohol oder Tabak. Die Energiezufuhr liegt unter 1000 kcal pro Tag.

Danach verzichtet der Fastende auf feste Nahrung, dafür trinkt er mindestens 2,5 Liter pro Tag. Neben Wasser sind Gemüse- und Fruchtsäfte erlaubt, außerdem Gemüsebrühe und Tee. Gesüßt werden darf mit zwei bis drei Teelöffeln Honig pro Tag. Damit führt der Fastende etwa 500 kcal täglich zu. Die Zufuhr von Glucose bremst den Abbau von Eiweiß.

Darmreinigung zuerst

Am ersten Fastentag muss außerdem der Darm durch die Einnahme von Glaubersalz (Natriumsulfat), alternativ Bittersalz (Magnesiumsulfat) möglichst vollständig entleert werden. Dazu streut der Fastende 30 bis 40 Gramm Glaubersalz in ein Glas Wasser und trinkt es innerhalb von 20 Minuten leer. Anschließend muss er viel Wasser oder Tee trinken, damit genug Flüssigkeit zur Verfügung steht, um das nicht gelöste Glaubersalz im Darm zu verdünnen. Glaubersalz schmeckt salzig-bitter, Zitronensaft kann den Geschmack leicht überdecken. Wer Glaubersalz nicht verträgt oder nicht mag, kann die Menge an Glaubersalz reduzieren oder auf andere Abführmittel ausweichen.

Während des gesamten Heilfastens nach Buchinger wird der Darm alle zwei Tage gereinigt. Empfohlen werden dazu Einläufe mit körperwarmen Wasser oder Kamillentee. Begleitet wird das Fasten idealerweise durch Bewegungstraining, Physiotherapie oder Diätschulung. Will er das Fasten beenden, muss sich der Fastende in kleinen Schritten und über mehrere Tage langsam wieder an Nahrung gewöhnen.

Allein oder in einer Gruppe

Wenn Gesunde ohne ärztliche Kontrolle fasten wollen, sollten sie die Dauer auf fünf Tage plus einen Entlastungs- und zwei Aufbautage beschränken. Am einfachsten ist es, im Urlaub zu fasten oder an organisierten Fastenwanderungen teilzunehmen. Wer gut in eine Fastengruppe integriert ist, kann aber auch während seiner Berufstätigkeit fasten. Dabei sollte er vor allem Beginn und Ende gut planen. In Kliniken oder unter ärztlicher Begleitung können Fastenwillige auch zwei bis vier Wochen lang fasten.

In der Naturheilkunde dient das Heilfasten der Vorbeugung und Behandlung chronischer Erkrankungen wie Rheuma oder Hautkrankheiten. Auch bei chronischen Magen-Darm-Problemen kann sich die Ruhigstellung des Darms durch Fasten positiv auswirken. Außerdem soll Heilfasten gegen Migräne, Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck, metabolisches Syndrom und Diabetes helfen.

Naturheilkundler empfehlen Gesunden das Fasten zur Entschlackung. Die Metapher »Schlacke« hat Buchinger geprägt. Er wollte damit betonen, dass sich der Fastende »leichter und klarer erlebt«, seine Stimmung positiver und die Haut reiner wird. Die Kritiker des Fastens halten dagegen, dass es im medizinischen Sinne keine Schlacken gibt. Sie kennen keine Stoffwechselprodukte, die sich im Körper ansammeln. Die Befürworter des Fastens vermuten dennoch, dass beim Fasten krank-hafte Zucker-Eiweiß-Ablagerungen abgebaut werden. Einige Fastenärzte betrachten sogar den Eiweißverlust als therapeutisch sinnvoll. Sie halten ihn für durchaus verkraftbar, weil er nur für kurze Zeit erfolgt und der Mensch das Eiweiß in der Aufbauzeit nach dem Fasten wieder ergänzt.

Mögliche Nebenwirkungen

Während des Fastens können Kopfschmerzen oder Muskelkrämpfe auftreten, ebenso Müdigkeit, Kältegefühl, Seh- oder Schlafstörungen. Für die meisten Anhänger des Heilfastens ist die Gewichtsabnahme nicht das Hauptmotiv. Bei einem schnellen Gewichtsverlust steigt allerdings das Risiko für Gallensteine. Einige Personen sollten vorsichtshalber nicht fasten (siehe Kasten). Auch Menschen, die dauerhaft Medikamente einnehmen, sollten zuvor besser mit ihrem Arzt sprechen, ob dieser das Fasten befürwortet. Probleme machen vor allem nicht steroidale Antirheumatika, systemische Glucocorticoide, Blutdrucksenker wie Betablocker und Diuretika, Antidiabetika, Gerinnungshemmer, Psychopharmaka und Antiepileptika. Eine ärztliche Leitlinie zum Heilfasten gibt es unter www.aerztegesellschaftheilfasten.de.

Nicht fasten sollten

  • Schwangere und Stillende
  • Menschen mit nicht ausreichend behandelter Schilddrüsenüberfunktion
  • Gicht-Patienten
  • demente Patienten
  • Menschen mit fortgeschrittenen Leber-, Nieren- oder Herzerkrankungen

Nur unter ärztlicher Begleitung sollten fasten (Auswahl):

  • Typ 1-Diabetiker
  • Suchtkranke
  • Menschen mit Psychosen

E-Mail-Adresse der Verfasserin
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