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Fortbildungskongress

Schluss mit dem Frust

04.06.2009  15:56 Uhr

Fortbildungskongress

Schluss mit dem Frust

von Ines Afflerbach und Annette van Gessel, Hamburg

Wie schwer es Männern fällt, wegen eines gesundheitlichen Problems zum Arzt zu gehen, ist bekannt. Das gilt umso mehr, je intimer die Schwierigkeiten werden, beispielsweise wenn sie unter erektiler Dysfunktion leiden. Doch auch Frauen schrecken vor dem Arztbesuch zurück, wenn ihnen der Geschlechtsverkehr Schmerzen bereitet oder sie die Lust verlassen hat. In beiden Fällen bieten Arzneimittel einen Ausweg aus der oft sehr persönlichen Not.

Fast jeder Mann erlebt in bestimmten Stresssituationen oder nach reichlich Alkoholgenuss, dass sein »bestes Stück« nicht mehr so mitspielt, wie er es gerne hätte. Das ist kein Grund zur Panik, sondern ganz normal. Doch in manchen Fällen untergräbt ein erstes »Versagen« langfristig das Selbstvertrauen, und der Betroffene gerät in einen Teufelskreis, berichtete Dr. Harald Burgdörfer, Leitender Urologe am Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus, Hamburg, auf dem PTA-Kongress während der Interpharm in Hamburg. Allerdings gehen nur zwischen 10 und 30 Prozent aller Erektionsstörungen auf psychische Probleme durch negative Erfahrungen zurück. Dies beträfe deutlich häufiger Männer unter 40 Jahren, so der Urologe. Der weitaus größte Teil, das heißt über 70 Prozent, sei durch körperliche Faktoren bedingt. Dazu gehören

  • die unzureichende Versorgung des Penis mit Blut, beispielsweise aufgrund arteriosklerotischer Prozesse,
  • ein übermäßiger Blutausstrom aus dem Penis, das sogenannte venöse Leck,
  • Nervenschäden, zum Beispiel bei Querschnittslähmung oder Multipler Sklerose,
  • Hormonstörungen,
  • Impotenz nach einer radikalen Prostataoperation zur Entfernung eines Tumors,
  • Operationen am Enddarm.

Als Risikofaktoren für die erektile Dysfunktion (ED) gelten Rauchen, Diabetes mellitus, ein hoher Cholesterolspiegel und chronischer Alkoholmissbrauch. Nur bei 4bis 6 Prozent verursacht ein Testosteronmangel die Schwierigkeiten. Dagegen entwickeln etwa 35 bis 50 Prozent der Diabetiker eine ED, viele Patienten aufgrund von Nerven- und Gefäßschäden bereits im jüngeren Lebensalter. Die weitaus größte Gruppe der Betroffenen sind allerdings Männer über 70: Ab diesem Alter leidet bereits jeder zweite unter ED.

Als Warnsymptom nicht bekannt

Weniger bekannt ist, dass Erektionsstörungen ein frühes Warnsymptom sein können. So hatten 70 Prozent der Patienten, die einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten, vorher Erektions-probleme, informierte Burgdörfer.

Um entscheiden zu können, welche Therapie sinnvoll ist, klärt der Arzt zunächst die Ursachen der erektilen Dysfunktion ab. So erkundigt er sich bei seinem Patienten nach nächtlichen Erektionen, denn diese gelten als erster Hinweis, ob es sich eher um eine psychogene oder eine körperlich-organische Störung handelt. Da diese typischerweise in den REM-Phasen des Schlafs auftreten, werden dem Patienten zwei Messschlaufen um den Penis gelegt. Diese liefern Daten über Größenzunahme und Festigkeit während einer ganzen Nacht an einen elektronischen Speicher, informierte Burgdörfer. Die Methode heißt nächtliche Penis-Tumeszenz-Messung, kurz NPT. Störungen des Blutflusses kann der Arzt mit Hilfe der Doppler-Sonographie am wachen Patienten erkennen.

Falls die Erektionsschwierigkeiten durch Medikamente bedingt sind, verschwinden die lästigen Nebenwirkungen, sobald das Arzneimittel abgesetzt oder durch ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffklasse ersetzt wird. Arzneimittel mit Einfluss auf den Testosteron- oder Serotoninspiegel stehen im Kasten. Eine Liste weiterer Arzneistoffe, die potenziell zur erektilen Dysfunktion führen, finden Interessierte unter www.netdoktor.de/Krankheiten/Erektile-Dysfunktion/Ursachen/ED-Ausloeser-Medikamente.

Hilfen bei psychogenen Ursachen

Liegt die Ursache für die Störung in der Psyche des Patienten, versucht der Arzt zunächst, den Gedanken des Mannes eine neue Richtung zu geben: Er darf Sexualität nicht unter einem Leistungsaspekt betrachten. In manchen Fällen helfe nur eine Psychotherapie, auch unter Einbezug der Partnerin, berichtete der Facharzt.

Die Substition von Testosteron ist nur bei nachgewiesenem Mangel sinnvoll. Mittel der Wahl sind die Phosphodiesterasehemmer Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Levitra®) und Vardenafil (Cialis®). Diese PDE-5-Hemmer verbessern die Erektion, indem sie das Blut länger im Penis stauen. Etwa 70 bis 80 Prozent der Männer sprechen auf diese Medikamente an. Cialis werde scherzhaft auch Wochenendpille genannt, so der Referent, da ihre Wirkung im Unterschied zu den beiden Konkurrenten bis zu 36 Stunden anhält. Die Männer sollten wissen, dass die Arzneistoffe weder die Lust steigern, noch die Ejakulation oder die Sensibilität beeinflussen. »Vor allem lösen sie keine Beziehungsprobleme«, betonte Burgdörfer.

Bei manchen Patienten müsse die Erektion lokal erzeugt werden. Zu diesem Zweck wurden die MUSE- und die SKAT-Therapie entwickelt. MUSE steht für Medical Urethral System for Erection, SKAT für Schwellkörper-Autoinjektions-Therapie. Bei der MUSE schiebt der Mann vor dem Verkehr ein Stäbchen mit dem körpereigenen Botenstoff Prostaglandin-E1 (Alprostadil) in die Harnröhre. Bei SKAT injiziert er den Wirkstoff direkt in den Schwellkörper. Innerhalb von 15 Minuten ruft Alprostadil eine Erektion hervor. Diese Methoden würden weiteren 10 bis 15 Prozent der Patienten helfen, so der Urologe.

Für die restlichen etwa 5 Prozent Patienten wurden rein physikalische Hilfen entwickelt: eine Vakuumpumpe mit Penisring oder eine Penisprothese. Die Vakuumtherapie lässt durch Unterdruck Blut in den Penis einfließen, das mittels Penisring dort für circa 30 Minuten gestaut werden kann. Burgdörfer warnte davor, den Ring länger zu tragen. Sonst könnten Schäden auftreten, im Extremfall verfärbe sich der Penis schwarz und stürbe ab. Jüngere Patienten zögen meist hydraulische Penisprothesen vor. Die Operation sei jedoch nicht risikolos und ließe sich nicht rückgängig machen. Operation plus Prothese kosten 10.000 bis 12.000 Euro. Heute käme diese Methode nur in seltenen Fällen zum Einsatz. Der erste Schritt, sich mit seinen Schwierigkeiten an einen Arzt zu wenden, sei für die Männer nach wie vor der schwerste, schloss Burgdörfer.

Weibliche Unlust

Frauen, deren sexuelles Verlangen auf dem Nullpunkt angekommen ist, empfänden einen vergleichbaren Leidensdruck wie Männer mit erektiler Dysfunktion, äußerte die Endokrinologin Dr. Anneliese Schwenkhagen aus Hamburg. »Um diese Frauen müssen wir uns kümmern«, forderte die Ärztin. Die Daten zur Zahl der betroffenen Frauen differierten sehr, sie reichen von 10 bis 50 Prozent. Es gäbe allerdings einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Betroffenheit und dem Alter der Frauen. In einer Umfrage unter europäischen Frauen zwischen 60 und 70 Jahren bezeichneten 53 Prozent ihr sexuelles Verlangen als sehr gering. Erfahrungsgemäß nähme der prozentuale Anteil mit dem Alter zu. Aber: Je jünger die Frauen sind, umso mehr belastet sie das verminderte sexuelle Verlangen. In der Praxis erlebe sie häufig bei jungen Frauen, dass viele sich ein falsches Bild von einem befriedigenden Sex machen würden. »Hier hilft zunächst einmal die Beratung«, berichtete die Ärztin.

Starker Leidensdruck entscheidend

Um den Unterschied zwischen einer vor-übergehenden Störung und einer therapiebedürftigen Erkrankung deutlich zu machen, prägten Wissenschaftler den Begriff Hypoactive Sexual Desire -Disorder (HSDD). Definitionsgemäß ist damit ein fortdauernder oder wiederkehrender Mangel an Empfänglichkeit für sexuelle Aktivität gemeint, der bei der betroffenen Frau einen starken Leidensdruck erzeugt.

Welche Bedeutung die Wechseljahre in diesem Zusammenhang haben, war Thema einer elf Jahre dauernden Studie in Australien mit insgesamt 438 Frauen im Alter von 45 bis 55 Jahren. 81 Prozent der Frauen bezeichneten ihre sexuelle Lust als eingeschränkt, nur 6 Prozent der Befragten hatten ein- bis zweimal pro Woche Sex. Trotz der Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und der Schwierigkeiten mit ihrem Partner hatten nur 40 Prozent ihren Arzt aufgesucht. »Wenn Frauen sich trauen, das Thema anzusprechen, tun sie das nur einmal«, berichtete Schwenkhagen aus ihrer Praxis. Bei einer anderen Befragung hätten 87 Prozent der Frauen angegeben, sie wünschten sich, ihr Arzt würde das Thema ansprechen.

Hat sich die Frau ihrem Arzt anvertraut, kommt auf diesen die schwierige Aufgabe zu, die Ursachen herauszufinden, denn sexuelle Probleme sind multifaktoriell. Als Auslöser kämen selten psychiatrische Erkrankungen wie depressive Störungen in Frage, so die Ärztin. Die meisten Frauen meinen, hinter ihrer Unlust verberge sich ein Paarkonflikt, und missachten dabei die hormonellen Veränderungen -ihres Körpers. »Irgendwie ist mir die Lust abhanden gekommen. Aber ich liebe ihn und kann mir keinen besseren Partner denken«, zitierte Schwenkhagen die typische Aussage von Patientinnen. Inzwischen hätten Untersuchungen bestätigt, dass die Dauer der Beziehung tatsächlich eine viel größere Rolle spiele als das Alter der Frau.

Pflaster gegen Lustlosigkeit

Bei postmenopausalen Frauen habe sich die lokale Anwendung von Estrogenen gegen die Trockenheit der Vagina bewährt. Noch besser wirke aber die Kombination von Estrogenen und Testosteron. Untersuchungen mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) zeigten, dass unter der Therapie postmenopausale Frauen auf sexuelle Stimuli genauso stark reagierten wie junge.

Bereits Mitte der 1980er Jahre hätten mehrere Studien gezeigt, dass die Gabe von Testosteron die Sexualfunktion postmenopausaler Frauen positiv beeinflusst. Seit 2007 ist in Deutschland ein transdermales System unter dem Handelsnamen Intrinsa® auf dem Markt. Leider sei das Pflaster nur für Patientinnen zugelassen, die nach der Entfernung von Gebärmutter und Eierstöcken unter sexueller Lustlosigkeit leiden und eine begleitende Estrogentherapie erhalten, bedauerte Schwenkhagen. So seien die meisten Verordnungen noch ein Off-label-use. Denn mittlerweile hätte sich gezeigt, dass Testosteronpflaster auch Frauen helfen, die auf natürlichem Weg in die Wechseljahre gekommen sind. In kontrollierten Studien bewirkte das Testosteronpflaster im Vergleich zu Placebo einen hoch signifikanten Anstieg sowohl des sexuellen Verlangens als auch der Häufigkeit befriedigender sexueller Kontakte. Gleichzeitig nahm die seelische Belastung der Studienteilnehmerinnen deutlich ab. In ihrer Praxis berichteten die Frauen, sie fühlten sich unter der Testosterontherapie besser, wacher und insgesamt fitter.

Geduld gefragt

Die Patientinnen müssen allerdings beachten, dass die Wirkung des Pflasters nach etwa 4 Wochen eintritt und erst nach circa 3 Monaten das Wirkplateau erreicht. »Wirkt es bis dahin nicht, kommt die Wirkung auch nicht mehr«, informierte die Ärztin. Das Pflaster müsse zum richtigen Zeitpunkt und bei der richtigen Frau eingesetzt werden. Als Nebenwirkungen traten zu etwa 30 Prozent Hautreaktionen auf. Schwenkhagens Tipp: das Pflaster drei bis vier Tage auf den linken Unterbauch, ein neues anschließend für drei bis vier Tage auf den rechten Unterbauch kleben und danach wieder wechseln.

Ob Testosteron das Brustkrebsrisiko erhöht, sei unklar. Jedoch hätten die Fachgesellschaften den Einsatz inzwischen in ihre Empfehlungen aufgenommen. »Sollte sich eine Patientin zuerst an Sie in der Apotheke wenden, geben Sie ihr den Rat: Sprechen Sie einmal mit Ihrem Gynäkologen über Ihr Problem«, empfahl Schwenk-hagen abschließend.

Gesunde Flora

Über genitale Infektionen referierte Professor Dr. Udo Hoyme, Chefarzt am Helios Klinikum Erfurt. Im Scheidensekret jeder gesunden Frau seien immer auch pathogene Keime nachweisbar, so der Gynäkologe. Die jeweilige Konzentration der Keime sei schließlich entscheidend, wann Infektionen auftreten. Außerdem würden bis heute Mediziner nur einen Bruchteil der pathogenen Keime kennen. Wahrscheinlich 1 bis 2 Prozent, schätzte Hoyme. Erst wenn Bakterien, Einzeller, Viren wie Herpes oder Humane Papilloma-Viren (HPV) beziehungsweise Pilze wie Candida ein klinisches Bild erzeugten, läge tatsächlich eine Infektion vor.

Viele Frauen sähen aber schon Ausfluss als typisches Zeichen einer Infektion an. Das sei nur bedingt richtig. Der normale genitale Ausfluss liegt unter 5 ml am Tag und sein pH-Wert unter 4,5. Außerdem sei der Ausfluss gesunder Frauen weiß und geruchlos und enthalte immer circa 30 Prozent Pilzkeime.

Infektion oft symptomlos

Diagnose und Therapie der meisten Genitalinfektionen obliegt den Gynäkologen. Zudem sind fast alle Arzneimittel verschreibungspflichtig. Viele Frauen merken auch nicht, dass sie sich infiziert haben, weil sie keine Symptome spüren. Habe der Arzt bei einer Routineuntersuchung zum Beispiel Herpes genitalis entdeckt, müsse er die Patientin umfassend über die Erkrankung aufklären, forderte der Gynäkologe, da sich beim Geschlechtsverkehr die Viren weiter verbreiten würden. Hoyme empfahl, grundsätzlich den Partner in die Therapie mit einzubeziehen. Er halte es für selbstverständlich, dass sich in einer Partnerschaft beide Sorge um die Gesundheit des anderen machen.

In Deutschland enden jährlich etwa 60.000 Schwangerschaften mit Frühgeburten. Ein Grund dafür können Bakterien aus dem anaeroben Spektrum sein. Diese sind zwar bei jeder gesunden Frau vorhanden, jedoch nur in geringen Mengen. Vermehren sich die Anaerobiker zu stark, was unter anderem durch den Geschlechtsverkehr beeinflusst wird, können sie Frühgeburten auslösen.

Schutz vor Frühgeburten

Vorbeugend sollte jede Schwangere regelmäßig Selbsttests zu Hause durchführen. Diese einfachen Tests weisen direkt auf eine Störung der Vaginalflora hin. Dazu misst sie den pH-Wert in der Scheide, der mit der Bakterienvermehrung ansteigt. Der Wert lässt sich ganz einfach mit dem Careplan® VpH Testhandschuh bestimmen. Die Schwangere erkennt so das Risiko vorzeitiger Wehen bereits zwei bis vier Wochen früher, bevor diese auftreten würden. Dann kann der behandelnde Arzt rechzeitig Maßnahmen ergreifen und eine Frühgeburt verhindern.

Studien in Erfurt zeigten, dass sich durch den Einsatz des Selbsttests Frühgeburten ab der 32. Schwangerschaftswoche signifikant reduzieren ließen, berichtete Hoyme. Zudem sank die Rate der Babys mit einem Geburtsgewicht unter 1000 g um mehr als ein Drittel. Seit 2004 bieten daher einige Krankenkassen ihren Versicherten den Test kostenlos an.

Arzneimittel, die zu erektiler Dysfunktion führen können (Beispiele)

  • Anabolika
  • Antidepressiva, besonders SSRI-Hemmer
  • Cortisonpräparate
  • Finasterid
  • Neuroleptika
  • Spironolacton